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wie Depressionen und Psychosen, die auch zu Selbstmord führten. Deswegen wurde es bereits 2008 wieder vom Markt genommen.

      Ein weiteres Beispiel: Es ging um eine Studie betreffend die Fettsäureamid-Hydrolase (FAAH), die für den Abbau von Anandamid, dem körpereigenen Cannabinoid, zuständig ist. Die Hemmung des Enzyms könnte psychischen Erkrankungen entgegenwirken. Nach Tests an Tieren wurde mit Studien am Menschen begonnen. Einer der ersten Probanden, der im Januar 2016 behandelt wurde, erlitt ein tödliches Hirnödem. Weitere vier Teilnehmer der Studie mussten wegen neurologischer Symptome im Krankenhaus behandelt werden.

      Daraus ist zu sehen, dass wir bei einem derart vitalen System wie dem Endocannabinod-System nicht einfach Teile chemisch blockieren dürfen, ohne mit Nebenwirkungen rechnen zu müssen.

      Warum unser Körper Cannabinoide selbst herstellt

      Eine funktionierende Einheit: Der menschliche Organismus besteht aus 36 Milliarden Zellen, aber auch aus zehn Mal so vielen Mikroben. Wie geht das? Ein Erklärungsversuch.

      Der menschliche Körper ist aus biochemischer Sicht kompliziert aufgebaut. Wenn wir die Zelle als grundlegende Einheit des Lebens genauer betrachten, so erkennen wir, dass die Biochemie bereits auf dieser Ebene ziemlich komplex ist. Wir können uns eine Zelle als einen ganz kleinen Ball vorstellen, aber sie ist nicht nur ein einfacher Baustein – statisch wie Ziegel in einer Mauer. Denn in jeder einzelnen Zelle finden zu gewissen Zeiten 10.000 bis 15.000 biochemische Reaktionen statt, die koordiniert und streng geregelt ablaufen. Jede Zelle speichert in ihrem Kern auch alle Gene und Informationen, die zur Bildung des ganzen Körpers notwendig sind. Und dann sind da noch die verschiedenen Zelltypen, die ganz spezifische Funktionen haben. So hat eine Leberzelle andere Funktionen als eine Nervenzelle, weshalb sie unter einem Mikroskop auch vollkommen unterschiedlich aussehen.

       Die Zellstruktur

       Die Zelle – eine Plaudertasche

      Obwohl eine Blutzelle und eine Muskelzelle eine unterschiedliche Struktur und Form haben, sind sich alle Zellen in ihrer grundlegenden Biochemie sehr ähnlich und agieren stets als Teil eines größeren Ganzen. Deswegen ist es für eine einzige Zelle sehr wichtig, mit anderen Zellen ihrer Umgebung zu kommunizieren: Sie erkennt, was um sie herum vorgeht, was die Nachbarzelle tut und reagiert auf deren Signale. Biochemisch betrachtet, ist eine einzelne Zelle keine individuelle Lebenseinheit, sondern ein Teil eines Gewebes, eines Organs oder eines physiologischen Systems. Damit eine Zelle als Teil eines Gesamtsystems fungieren kann, muss sie unbedingt Botschaften senden und empfangen können. Vermenschlicht ausgedrückt: Sie muss eine Plaudertasche sein, die auch gut zuhören kann.

      Eine Zelle wird durch eine Membran, eine Lipiddoppelschicht mit eingebetteten Proteinen, von ihrer Umgebung getrennt. Die Membrane ist nicht rigid, sondern fluid und flexibel, und obwohl sie die Zelle eigentlich von der Umgebung trennt, ermöglicht sie zugleich auch die Kommunikation. Und da gibt es viel zu erzählen. Die Zellen senden und empfangen hunderte von Nachrichten in Form von chemischen Signalmolekülen. Diese Moleküle dringen bis zur Membran vor, während die inliegenden Proteine als Empfänger (Rezeptoren) dienen.

       Zellmembran mit Lipiddoppelschicht und Rezeptoren

       Das innere Geplauder

      Nicht alle Zellen können eine bestimmte chemische Nachricht »hören«. Um ein Signal zu erkennen, muss eine Zelle den richtigen Empfänger für dieses Signal haben. Wenn ein Signalmolekül sich an einen Rezeptor bindet, führt das zu Veränderungen im Inneren der Zelle. Das bedeutet, die Zelle hat die Nachricht gehört und wird sich ihr anpassen. Ähnlich der Entscheidung, einen Regenschirm mitzunehmen, wenn wir die Nachricht hören, dass es im Lauf des Tages regnen wird.

      Ein Signalmolekül und ein Rezeptor erkennen einander anhand einer einzigartigen 3D-Molekülstruktur – ähnlich einer Schlüssel-Schloss-Funktionsweise. Falls alles passt, öffnen sich die Türen und eine Veränderung in der Zelle kann beginnen. Wenn nicht, geschieht gar nichts. Wenn ein Signalmolekül und ein Rezeptor übereinstimmen, findet eine Kaskade von Reaktionen in der Zelle statt, die letztendlich zu einer Modifikation führt z.B. zu Zellteilung, Apoptose (Form des programmierten Zelltods) oder Autophagie, einem Prozess, mit dem Zellen eigene Bestandteile abbauen und verwerten. Durch diese Kommunikation können die Zellen nicht nur auf Veränderungen in der extrazellulären Umgebung reagieren, sich an diese Veränderungen anpassen und gedeihen, sondern auch Signale zwischen Zellen, Geweben, Organen und dem ganzen Körper austauschen.

       Die Empfänger der Nachricht

      Verschiedene Zelltypen haben viele unterschiedliche Rezeptoren. Es hängt davon ab, was für das Gewebe oder das betreffende Organ wichtig ist, welche Nachricht wesentlich ist. Zum Beispiel haben die Zellen der Bauchspeicheldrüse viele Rezeptoren für Zucker (Glukose), da die Funktion dieses Organs von der Konzentration des Blutzuckers abhängig ist. Falls sich Glukose auf den Rezeptor in den Zellen der Bauchspeicheldrüse bindet, wird die Produktion von Insulin angeregt, der Blutzucker sinkt. Unsere Zellen sind in diesem Sinne sehr wirtschaftlich, jede Zelle hat nur jene Rezeptoren, die für ihr Überleben und ihre Funktion wichtig sind, und nur in der Anzahl, die benötigt wird. In der zellulären Biochemie gibt es weder ein Molekül noch eine Reaktion zu viel, die gesamte Biochemie ist stark optimiert und an die Umgebung angepasst. Jeder Zelltyp in unserem Körper verfügt über ein spezifisches Set von Rezeptoren. Typ und Dichte der Rezeptoren können sich allerdings während der Lebensdauer einer Zelle verändern, abhängig von den Bedingungen, denen eine Zelle ausgesetzt ist.

       Was Hanf mit Cannabinoid-Rezeptoren zu tun hat

      Unser Körper hat neben vielen verschieden Rezeptortypen auch Rezeptoren für Cannabinoide, die Wirkstoffe von Hanf. Sie wurden allerdings erst 1988 entdeckt, obwohl Cannabinoide bereits 1899 isoliert werden konnten. Interessanterweise hat man die Inhaltsstoffe von Mohn (Papaver somniferum) viel früher isoliert, und zwar 1804. Die zugehörigen Rezeptoren wurden 1973 entdeckt.

      Eine wegweisende Entdeckung: Cannabinoide haben auf beinahe alles in unserem Körper Einfluss.

      Vorerst verwirrte die Wissenschaftler die Existenz von Cannabinoid-Rezeptoren. Umso mehr, als sich herausstellte, dass diese Rezeptoren in unseren Zellen sehr häufig vorkommen. Wir wissen bereits, dass die Zellen sehr ökonomisch mit der Produktion von Rezeptoren umgehen, wie auch mit anderen zellularen Prozessen. Doch die Tatsache, dass viele bestimmte Rezeptoren in den Zellen enthalten sind, weist darauf hin, dass dieses Signal für die Zellen sehr wichtig ist.

      Es würde nicht viel Sinn ergeben, dass sich unser Körper so viel Mühe gibt, diese Cannabinoid-Rezeptoren zu produzieren, wenn es für die meisten Menschen nur eine geringe Chance gibt, im Lauf des Lebens Cannabis zu begegnen. Wieso können also unsere Zellen so fein abgestimmt auf die Inhaltsstoffe einer ganz bestimmten Pflanze sein? Die Wissenschaftler kamen zu dem Schluss, dass die Rezeptoren nicht primär pflanzlichen Stoffen dienen sollten, sondern unseren eigenen Molekülen.

      Seit der Entdeckung des ersten Cannabinoid-Rezeptors sind 20 Jahre vergangen, bis Endocannabinoide bewiesen werden konnten. Dabei handelt es sich um Cannabinoide, die alle Wirbeltiere produzieren. Dabei werden Substanzen frei, die ähnlich wirken wie THC, und auch weitere,

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