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eine beliebte Werbekampagne, die Kinder vom illegalen Drogenkonsum abhalten und eine »drogenfreie Gesellschaft« herbeiführen sollte. Deshalb waren die meisten Bemühungen in den letzten Jahrzehnten, den Konsum von Cannabis zu verringern, weitgehend von Verhaftungen, Geldstrafen oder Inhaftierungen und der Beschlagnahme von Privateigentum geprägt. Dennoch stieg die Verfügbarkeit von Cannabis und auch die Zahl der Konsumenten stieg. Die verstärkte Durchsetzung des Verbotes hatte nicht die beabsichtigte Wirkung, sondern hat viele Menschenleben ruiniert, Gefängnisse gefüllt und Regierungen ein Vermögen gekostet. Außerdem hat das Verbot nicht verhindert, dass Menschen an anderen Drogen starben.

       Plakat der US-Gesundheitsbehörde aus den 1990er Jahren

      Fazit: Cannabis ist heute mit Abstand die am häufigsten verwendete verbotene Droge. Das Scheitern des Verbots wird noch deutlicher, wenn man bedenkt, wie leicht in den letzten 30 Jahren des Verbots Jugendliche an Cannabis herankommen: Die meisten von ihnen berichten, dass sie Cannabis kostenlos erhalten oder mit jemandem geteilt haben. Zur Ironie der Geschichte trägt bei, dass kürzlich die Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu dem Schluss kam, dass die USA trotz der meisten Sanktionen die höchsten Raten illegalen Drogenkonsums haben. Vergleiche zwischen den USA und den Niederlanden, wo der Cannabisverkauf traditionell toleriert wird und der Konsum de facto legalisiert ist, zeigen, dass der Cannabiskonsum in den USA mehr als doppelt so hoch ist wie in den Niederlanden. Auch aus diesem Grund beginnen viele andere Länder, eine Entkriminalisierung oder Legalisierung von Cannabis in Betracht zu ziehen, weil vor allem die Kosten des Verbots beträchtlich sind.

      Die öffentliche Meinung zu Cannabis hat sich über die Jahre dramatisch verändert, und die hitzigen Diskussionen über die mögliche Legalisierung haben Experten, Politiker und Steuerzahler gespalten. Es gibt in diesen Debatten immer noch zahllose Mythen, Fehlinformationen und Grabenkämpfe – oftmals ausgetragen mit starken Emotionen und mangelnder Objektivität. Wir sehen heute, dass die Kriminalisierung von Hanf nicht gerechtfertigt ist und ein Hindernis für Forschung, medizinischen Gebrauch und eine angemessene Regulierung darstellt.

      Ich kann mich nicht genug darüber wundern, dass es zu einem Verbot von Anbau und Konsum der Cannabis sativa L. kam, bevor die Pflanze überhaupt wissenschaftlich erforscht wurde. Wir können also sagen, dass die Grundlage für die heutige Gesetzgebung ohne jegliche Kenntnisse der chemischen Zusammensetzung der Pflanze oder deren Wirkungsweise auf unseren Körper gelegt wurde.

      Ein Großteil des Wissens und der Daten, über die wir heute verfügen, sind den Forschungsergebnissen des israelischen Chemikers Raphael Mechoulam (*1930) geschuldet. Er begann seine Arbeit mit Cannabis am Weizmann-Institut für Wissenschaften, einem multidisziplinären Institut für naturwissenschaftliche Forschung und Ausbildung in Jerusalem. Sie werden sicherlich nicht verwundert sein, wenn ich Ihnen erzähle, dass er als Grundlage für seine Forschungen mit beschlagnahmtem Haschisch zu arbeiten hatte. Für seine ersten Versuche fuhr Mechoulam mit einem öffentlichen Bus von der Polizei ins Labor – mit Haschisch in der Tasche. Schon 1963 isolierte er aus mehr als 1000 Substanzen das Cannabidiol (CBD). Dabei handelt es sich um ein Molekül, das einen therapeutischen Effekt auslöst, dabei nicht psychoaktiv wirkt und eines der bedeutendsten Bestandteile von Cannabis sativa L. darstellt. Ein Jahr darauf isolierte seine Gruppe auch den Stoff, der die Bewusstseinsänderung bewirkt: Tetrahydrocannabinol (THC). In den folgenden Jahren kam es zu Isolierung und Identifizierung vieler anderer Inhaltsstoffe des Hanfes und vor allem jener mit medizinischer Wirkung, den Cannabinoiden.

      Raphael Mechoulam untersucht Cannabis in der Medizin länger als jeder andere Wissenschaftler. Er gilt heute als Vater der Erforschung der Cannabinoide. 2015 entstand der Dokumentarfilm »The Scientist«, der dem Werdegang des Wissenschaftlers folgt, von seiner Kindheit während des Holocausts in Bulgarien über seine Auswanderung nach Israel bis hin zu seiner Karriere als Hauptforscher für die Chemie und Biologie der weltweit am meisten missverstandenen Pflanze.

      Filmemacher Zach Klein traf Professor Mechoulam zum ersten Mal, als er Recherchen anstellte, um mit Cannabis jene Symptome zu lindern, welche die Chemotherapie seiner an Brustkrebs erkrankten Mutter hervorrief.

      Der daher mit Herzblut gemachte Dokumentarfilm folgt Professor Mechoulams Versuch, die folgende wichtige Frage zu beantworten: Was übersehen wir?

      Die Doku ist ein wertvoller Beitrag zum Verständnis der wegweisenden Arbeit Mechoulams mit Cannabis, die zur Entdeckung des sogenannten Endocannabinoid-Systems führte.

      Übrigens: Hollywood zeichnete den Film mit dem Hollywood International Independent Documentary Award 2015 aus. Wenn Sie mehr darüber wissen wollen, empfehle ich Ihnen, »The Scientist« kostenlos auf Youtube anzusehen.

      1988 wurde ein neuer Meilenstein gelegt: Um zu verstehen, wie THC in unserem Körper wirkt, wurden die ersten Rezeptoren entdeckt, an denen die Cannabinoide im Hirn andocken. In den 1990er Jahren isolierte und identifizierte Mechoulam zusammen mit seinen Mitarbeitern die Endocannabinoide, wobei Anandamid und 2-Arachidonylglycerol (2-AG) zusammen mit den spezifischen Rezeptoren das Endocannabinoid-System bilden – ein wichtiges biochemisches endogenes System, das sich im Gehirn befindet und an einer Vielzahl von physiologischen Funktionen beteiligt ist. Dazu mehr in den folgenden Kapiteln.

      Die Grundlage der Cannabisforschung bildete beschlagnahmtes Haschisch – wen wundert das?

      Kleines Aperçu am Rande: Das Anandamid wurde zuerst aus einem Schweinegehirn isoliert. Weil Schweinehirne in Jerusalem nicht leicht aufzutreiben waren, gingen Mechoulams Assistenten zu einem Metzger in Tel Aviv. Anandamid ist aber im Gehirn in nur sehr kleinen Mengen nachweisbar, weshalb immer mehr Schweinehirne gebraucht wurden. Das führte in Tel Aviv zu einer exponentiellen Verteuerung von Schweineköpfen!

      Viele andere Forschungsgruppen begannen, die Endocannabinoide und das Endocannabinoid-System (ECS) zu untersuchen. Heute finden wir über 100.000 Publikationen über Hanf, Cannabis, Cannabinoide und das ECS. Die Faszination und intensive Erforschung der Inhaltsstoffe dieser Pflanze half uns, mehr über uns selbst und die Funktionsweise unseres Körpers zu erfahren. Interessanterweise hat auch die Pharmaindustrie die Potenziale der Cannabinoide erkannt, und einige Unternehmen haben Medikamente entwickelt, die bereits auf dem Markt sind:

      1981 wurde das synthetische Analog von Δ9-THC Nabilone (Cesamet; Valeant Pharmaceuticals North America) als Medikament gegen Übelkeit und Erbrechen im Zusammenhang mit Chemotherapie zugelassen.

      1985 wurde das synthetische Δ9-THC Dronabinol (Marinol; Solvay Pharmaceuticals, Inc.) als Vorbeugung und Behandlung von Übelkeit und Erbrechen unterschiedlicher Ursache und 1992 als Appetitstimulans zugelassen.

      2005 wurde Sativex (Naviximole; GWPharma) zugelassen, das sowohl Δ9-THC als auch CBD enthält; es wurde erstmals in Kanada zur Schmerzlinderung bei Patienten mit Multipler Sklerose und fortgeschrittenem Krebs zugelassen und anschließend als Medikament zur Linderung der durch Multiple Sklerose verursachten Spastik.

      2018 pflanzliches Cannabidiol (Epidiolex, GW Pharmaceuticals) zur Behandlung von Anfällen im Zusammenhang mit dem Lennox-Gastaut-Syndrom (LGS) oder dem Dravet-Syndrom bei Patienten ab zwei Jahren.

      Doch es gibt auch Negatives zu melden. So ein Beispiel war Rimonabant, ein synthetisches Cannabinoid, das sich fix an den Cannabinoid-Rezeptor1 (CB1) bindet, den Rezeptor aber blockiert. Man dachte, da THC ein Aktivator von CB1 ist und Heißhunger verursacht, sollte ein CB1-Blocker den Appetit mindern. 2006 war das Medikament verschreibungspflichtig zum Abnehmen genehmigt.

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