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läuft nach Plan: Am 4. Februar 1938 nimmt Schuschnigg die Einladung Hitlers an; von Seyß-Inquart über die vorbereitenden Gespräche und die geplante Taktik informiert, gibt Friedrich Rainer alle Informationen sofort telefonisch an den in Berlin weilenden Globocnik weiter. Die beiden Freunde haben sich auf ihre „Agententätigkeit“ gut vorbereitet: „Ich konnte mit Globus vollkommen offen reden. Wir hatten für jeden einzelnen Namen einen Geheimcode und außerdem sprachen wir beide einen solch schrecklichen Dialekt, dass uns keine Menschenseele verstanden hätte.“ (zitiert nach Maurice Williams, Gau, Volk und Reich)

      Ausspioniert und verraten, geht Schuschnigg in die Falle. Am Berghof wird er einem geschickt inszenierten Psychoterror ausgesetzt, mit massiven Drohungen zwingt Hitler ihn und Guido Schmidt, den Staatssekretär für Äußeres, zum „Berchtesgadener Abkommen“ – Schuschnigg muss Seyß-Inquart als Innen- und Sicherheitsminister akzeptieren und der freien politischen Betätigung der Nazis zustimmen.

      Die Drahtzieher dieses tödlichen Stoßes gegen die Souveränität Österreichs sind Rainer und Globocnik, die nur eine Woche später zufrieden den Erfolg einer weiteren Intrige konstatieren können: Landesleiter Hauptmann Leopold wird am 20. Februar nach Berlin zitiert und von Hitler abgesetzt.

      Mittwoch, 9. März 1938. Pünktlich um 8.10 Uhr verlässt der D-Zug 121 nach Innsbruck den Wiener Westbahnhof. Mit an Bord Bundeskanzler Kurt Schuschnigg, der am Abend in der Tiroler Hauptstadt die Bombe platzen lassen will: Eine Volksbefragung soll über die Zukunft Österreichs entscheiden. Den Entschluss dazu hat er in den Tagen zuvor mit seinen engsten Beratern gefasst; er ahnt nicht, dass die Sekretärin seines Freundes Guido Zernatto, eine Illegale, den Plan bereits an die Nazis verraten hat.

      Im Büro von Walther Pembaur, dem aus Innsbruck stammenden Leiter des „Volkspolitischen Referats“, in der Seitzergasse 1 in der Wiener Innenstadt beraten die Kärntner Freunde Klausner, Rainer und Globocnik sowie Parteigenosse Dr. Hugo Jury aus St. Pölten die weitere Vorgangsweise. Sie beschließen, zu Innenminister Seyß-Inquart in dessen Rechtsanwaltskanzlei Am Hof zu fahren; ihr Parteifreund in der Regierung weiß jedoch bereits Bescheid. Er hat zwar dem Bundeskanzler sein Ehrenwort gegeben, nichts über die Volksbefragung verlauten zu lassen, übergibt den aufgeregten Genossen jedoch die Kopie eines diesbezüglichen Briefes an Schuschnigg; damit, so meint Seyß-Inquart, könnten sie ja Berlin informieren. Die vier Männer kehren in die Seitzergasse zurück, sie wissen, dass es jetzt schnell zu handeln gilt – vor allem dem „Führer“ muss man Bescheid geben. Friedrich Rainer ruft daher Staatssekretär Wilhelm Keppler an, den Beauftragten Hitlers für Österreich, der eben von Wien nach Berlin zurückgekehrt ist und Hitler über die erfreuliche Entwicklung in Österreich berichtet hat. Keppler ist konsterniert, will die Nachricht zunächst nicht glauben und ruft bei Seyß-Inquart an; als dieser bestätigt, eilt er zu Hitler in die Reichskanzlei – der „Führer“ befiehlt ihm, sofort nach Wien zu fliegen.

      Inzwischen haben auch die Kärntner Freunde einen Entschluss gefasst: „Organisationsleiter“ Globus muss mit der nächsten planmäßigen Maschine den Brief Seyß-Inquarts Hitler persönlich überbringen. Ohne Gepäck, nur mit der Briefkopie als „Beweismittel“ in der Tasche, fährt man Globocnik zum Flugfeld in Aspern und hat Glück: Es gibt einen freien Platz nach Berlin.

      Am Nachmittag steht Globus in der Reichskanzlei wieder einmal seinem Idol, dem „Führer“, gegenüber. Er übergibt ihm den Brief, Hitler, von Keppler bereits instruiert, bleibt ruhig und bittet ihn, vorerst in Berlin zu bleiben: „Sie bleiben hier. Sie bekommen gut zu essen und warten das weitere ab.“ Globocnik wagt zu widersprechen, er werde in Wien gebraucht und müsse daher zurück, doch Hitler zeigt sich unnachgiebig: „Sie werden schon das weitere hören“ – der Kärntner Briefträger muss sich fügen. Während seine Freunde in Wien vor dem Radiogerät gespannt der Rede Schuschniggs folgen, sitzt er in Berlin fest.

      Donnerstag, 10. März 1938. Zu Mittag ist sich Hitler im Klaren darüber, was er Globocnik als Botschaft mit auf die Reise geben will: Er lässt ihn wieder zu sich in die Reichskanzlei kommen, bittet ihn, Seyß-Inquart zu bestellen, dass ein Sonderkurier in Kürze genaue Instruktionen nach Wien bringen werde. Und dann drückt er Globocnik noch ein Briefkuvert in die Hand, einen an die österreichischen Nazis gerichteten Befehl: Von nun an sei es ihnen erlaubt, dem Schuschnigg-Regime auch mit „kämpferischen“ Mitteln entgegenzutreten, sie haben nun die ersehnte „Handlungsfreiheit“. Damit ist Globocnik entlassen; mit einem Sonderflugzeug, das man ihm nun großzügig zur Verfügung stellt, kehrt er am Abend nach Wien zurück; am Flugplatz in Aspern wartet schon „Friedl“ auf ihn; gemeinam fährt man zum Hotel Regina am Dollfußplatz, um im Kreis der Parteiführung die nächsten Schritte zu beraten. Doch vorerst ist Globus am Wort: Der „Führer“ habe ihnen Handlungsfreiheit gewährt, kann er stolz aus Berlin berichten. Als dann Innenminister Seyß-Inquart zur Runde stößt, verschweigt man ihm diese Botschaft Hitlers, Globocnik informiert ihn nur darüber, dass ein Sonderkurier aus Berlin ihm am folgenden Tag neue Direktiven überbringen werde.

      Globus, so zeigt sich an diesem 10. März erstmals, ist kein Freund Seyß-Inquarts, der ihm zu wenig entschlossen ist – vor allem aber ist der Innenminister mit seinen bekannten Sympathien für das katholische Lager ein Konkurrent im Kampf um die Macht. „Friedl“ Rainer formuliert schließlich nach langen Diskussionen die Verhaltensmaßregeln für die nächsten Tage:

      „Es gibt in den nächsten Tagen drei mögliche Fälle:

      1. Fall: Rückziehung der Volksabstimmung, in diesem Fall ist angeordnet, Demonstrationen größeren Stiles zu veranstalten.

      2. Fall: Schuschnigg demissioniert: für diesen Fall ist das Übergehen von Demonstrationen zur Machtergreifung angeordnet.

      3. Fall: Schuschnigg nimmt den Kampf auf: für diesen Fall ist sämtlichen Führern der Partei Handeln auf eigene Faust mit Einsatz aller Mittel zur Gewinnung der Machtpositionen anbefohlen.“

      Mittlerweile ist auch Ernst Kaltenbrunner, der Chef der österreichischen SS, aus Linz kommend in Wien eingetroffen – die Nazi-Riege ist komplett und für die Ereignisse des nächsten Tages gerüstet.

      Freitag, 11. März 1938. Noch in der Nacht bereiten sich die Truppen der 8. deutschen Armee zum Einmarsch in Österreich vor. Um zwei Uhr früh gibt Hitler die „Weisung Nummer 1, Betr. Unternehmen Otto“ aus, allerdings vorläufig noch ohne Unterschrift; er selbst behält sich den Oberbefehl vor, legt er doch Wert darauf, dass alles nach seinen Weisungen abläuft, Ziel ist ein „von der Bevölkerung begrüßter friedlicher Einmarsch“.

      Um 10 Uhr bespricht sich Bundeskanzler Schuschnigg mit seinen beiden Nazi-Ministern Seyß-Inquart und Edmund Glaise-Horstenau, Minister ohne Portefeuille, der soeben aus Berlin zurückgekehrt ist. Die beiden Handlanger des „Führers“ bedrängen den Kanzler, die Volksabstimmung abzusagen; Seyß-Inquart liest den Brief Hitlers vor und stellt Schuschnigg ein Ultimatum: Bis 14 Uhr müsse er eine Entscheidung treffen. Seine tatsächlich für ihn vorgesehene Rolle in diesem verlogenen Spiel verschweigt der Innenminister: dass es seine Aufgabe sein wird, Hitler zu „Hilfe“ zu rufen.

      Im „Volkspolitischen Referat“ in der Seitzergasse warten die Parteigenossen um Klausner, Globocnik und Rainer indessen schon ungeduldig auf die neuesten Nachrichten; neu dazugestoßen ist nun auch „Gschaftelhuber“ (Tomkowitz/​Wagner) Kajetan Mühlmann. Gegen Mittag treffen Seyß-Inquart und Glaise-Horstenau ein und berichten ausführlich über die Unterredung mit Schuschnigg; Seyß-Inquart liest auch hier den Brief Hitlers vor. Man telefoniert mit Berlin und schildert die Lage, Seyß-Inquart verfasst einen Brief an Schuschnigg, in dem er das Ultimatum bestätigt und bei dessen Nichterfüllung mit Rücktritt droht. In Berlin unterschreibt Hitler um Punkt 13 Uhr die „Weisung Nummer 1“.

      Um 14.45 Uhr gibt Schuschnigg nach langen Beratungen nach – er sagt die Volksabstimmung ab. Doch in Berlin will man jetzt nicht mehr zurück, Göring drängt bei Hitler auf die „ganze und klare Lösung“, den „Anschluss“, Schuschnigg habe das Berchtesgadener Abkommen gebrochen. Ein zweites Ultimatum wird formuliert und um 15.05 Uhr Seyß-Inquart telefonisch übermittelt: Schuschnigg und die „nationalen“ Minister müssten sofort zurücktreten, Seyß-Inquart von Bundespräsident Miklas mit der

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