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ja nun diesem schon greisen Blechvehikel, was ich mein Eigen nenne, die einzig Schuld in die Radkästen schieben. Doch lag da, wenn ich erwähnen darf, hinterhältig Helmstedt im Weg. Currywurst-Pommes-Bahnschranke, großer Kaffee mit acht Stück Zucker – nur nicht umrühren. (Die Pointe hierzu lass ich weg. Kennt ja eh jeder von dem Umgerührten.) Und zu guter Letzt ’ne große Cola ohne Eis. War so schon kalt genug den Tag. Das alles war nicht nur einigermaßen genießbar. Ich war auch satt, oder nennen wir es besser – zufrieden!

      Nun wird sich der Trucker truckende Ureinwohner zu Wort melden und wissen wollen: „Was macht da, wenn auch nur zufrieden, satt?“ Das kann ich verraten. Ich hatte zu den Bahnschranken-Pommes eine zweite Currywurst. Sonst noch Fragen? Den Kuchen zum Kaffee, obwohl die Streusel, was selten, gesegnet mit einer Konsistenz von weichem Keks, muss ich nicht unbedingt hervorheben. Vielleicht ein Wort zum Boden – ein prima Schweißtuch für die Reise!

      Nun will ich ja nicht nur vom Essen berichten. Auf dem Weg zum Auto, wo mir ein Waffeltüteneismoor den Weg versüßte. So kalt war’s auch wieder nicht. Dachte ich mir so, so gut wie das heute läuft. Das läuft so gut, da kannste auch noch den ein oder anderen Weg erledigen. Schließlich rückt das nächste Großereignis, wo Mann wie fremdgesteuert mit Geschenken nur so um sich schmeißt (ein Witz), in greifbare Nähe. Ich hatte also den Nachmittag, den Donnerstag, Freitag und den Sonnabend, um Präsentetechnisch noch etwas zu reißen. Wobei, Sonnabend? Sonnabend geht schon mal gar nicht. Was soll ich meiner Tochter und ihrer Mutter, was meine Frau, erzählen, wo ich wohl hin wolle. Na gut, unsere Tochter wird noch nicht da sein, das Wochenende. Bleibt aber immer noch meine Frau, welche ich schon am offenen Fenster seh und hör krächzen: „Wo willst du denn jetzt noch hin?“ „Tanken“, wird mir vermutlich einfallen. Schon mehrfach erprobt, gleich beim ersten Mal durchschaut. Ist auch so ziemlich das Einzige, was ich spontan in solch überführter Situation erschrocken, ohne Sprachfehler aneinanderzureihen, rausbekomme. Wäre noch der morgige Donnerstag. Nur ist der Morgen des morgigen Donnerstags schon verplant. Bis das alles erledigt ist, was erledigt werden muss, ist weit nach Mittag, wenn ich alles erledigt hab, was zu erledigen wär’. Weil, wenn ich das nicht gleich erledige, was da noch zu erledigen ist, dann wird das, wenn überhaupt, erst zwischen den Jahren erledigt. Und da hab ich mitnichten Lust Dinge zu erledigen, welche mit meiner Arbeit zu tun haben. Da will ich Sachen machen, die Spaß machen. Zum Beispiel könnte ich einen Schneemann bauen. Ist doch Winteranfang am Übermorgen und im Winter schneit’s! Ich könnt das auch sein lassen. Denn wann hat es das letzte Mal die ersten Wintertage geschneit? Wie dem auch immer: Der Donnerstagnachmittag ist zu knapp, meine Frau hat Frühschicht, kommt dementsprechend zeitig nach Hause. Wäre also noch der Freitag. Nur, so wie ich meine Frau kenn, hat sie diesen schon verplant. Was also bleibt? Genau, es bleibt nicht viel! Genaugenommen bleibt nur noch der Nachmittag. Die Betonung liegt hierbei auf der(!) Nachmittag. Am besten jetzt und im Idealfall sofort! Naja, wenn’s einmal läuft, dann läuft’s.

      Nur dass das nicht die Zeit ist, die man bräuchte, um für eine junge und, sagen wir mal, nicht mehr ganz so junge Frau das Besondere zu finden. Wobei: Zu finden ist so nicht richtig. Weder bin ich auf der Suche, noch will ich was finden. Es muss mich finden! Es muss mich anspringen, dass ich nicht anders kann und es gar nicht anders mehr geht und ich es mitnehmen muss. Und siehe da, in einem Einkaufszentrum nahe dieser Randanhaltinischen Großstadt(?) sprangen mir tatsächlich für meine beiden Frauen zugunsten ihrer beider Ohren Ringe direkt ins Auge. Ausgerechnet vor einer osmanischen Zirkuszeltimitation, am Rand eines kleinen Weihnachtsmarktes, welcher mit vielerlei Licht in bunt und unnütz-alberner Deko in das Atrium dieses Konsumtempels eingearbeitet. Hätte ich nicht damit gerechnet, dass meinen beiden dieses Glück hold und mir selbst noch irgendetwas meinen Sichtwinkel erhellt. Erhellt – wie untertrieben. Es blendete regelrecht mein Augenlicht aus dieser drehbaren Kreolen-Vitrine heraus. Im reinsten Silber waren sie mit diesen sündhaft teuren Juwelen nicht zu übersehen. Doch gönnt man sich sonst nichts. Zumal es eh das letzte Mal wär, dass ich mich in so unangenehme Unkosten stürzte. Geht doch, wenn man den Majanesen Glauben schenken darf, am Freitag (was dann wie schon festgestellt Übermorgen) die Welt unter. Hat hier jetzt so noch Niemand für voll genommen. Alles andere als Endzeitstimmung. Stattdessen dröhnte „Morgen Kinder wird’s was geben“ aus dem Lautsprecher von dem kleinen Kleinkind-Kettenkarussell, welches mittig auf diesem türkisch angehauchten Weihnachtsmarkt stand, durch die Einkaufshallen. Was wird es denn da morgen wohl wollen geben? Im schlimmsten Fall unser aller Ende! Davon lass ich mir doch nicht den Tag versauen, so gut wie das an dem Tage lief.

      Die bunte junge Frau, welche sich hinter dem Tresen stabilisierte … Halt, nein, ich muss das erklären! Genaugenommen waren es zwei und beide hatten für diese Veranstaltung die komplett falsche Kostümierung. Auch wenn diese eine der beiden Schmuckwarenverkäuferinnen mindestens einen ganzen Kopf größer, hatten sie doch etwas von nicht-eineiigen Zwillingen. Was der einen ein gestreckter Irokese in Regenbogen über ultrakurz gemähte grüne Stoppeln, überdeckelte der Kürzeren rechtes Haupt ein nachtschwarzer Scheitel, welcher streng nach hinten gezurrt in einem geflochtenen Zopf nach zirka dreißig Zentimetern sein jähes ausgefranstes Ende fand. Die andere, die linke, Schädelseite lag bis auf eine grimmig dreinblickende Maus, welche sich als Tattoo durch die Schädeldecke ins Freie fraß, blank. Der dazu passende Schmuck, der das visuelle Antlitz beider bereicherte, zeugte von Kreativität und war so gar nicht der eigenen Auslage Herkunft. Hing der Fräulein Irokese der Halbjahresverbrauch eines ausgewachsenen Großvaters an Rasierklingen nebst abgebrochener Näh- und Stopfnadeln aus dem Gesicht, baumelte der Gruftine ein nicht geringer Teil eines Metallbaukastens vom Haupt. Einzig einig waren sie sich bei den Sicherheitsnadeln, welche vom linken Ohre tropften. Am rechten baumelte zusätzlich, außer etwas Altmetall, eine daumengroße Vodoopuppe. Witziger Weise ähnelte diese der jeweiligen Freundin. Auf Schminke wollte das Duo natürlich auch nicht verzichten. War der Punkine die ganze bunte Vielfalt eines Schulmalfarbkastens behilflich, stand Nosferatus femininem Ebenbild die eingeschränkt-abstrakte Farbenwelt des Schwarzweißen in Gänze zur Seite. Vollendung fand das Gesamtbild beider, in der wohlgewählten Kostümierung. Eingeschnürt bis Oberkante Hals in schwarzes Leder, hing der kleinen blassen eine weise Rüschenrosette aus dem gen Nord gekrempelten Kragen. Gleiches zeigte sich aus beiden Ärmeln. Zirka einen viertel Meter unter den kurzen Hosen endeten ihre Schnürstiefel. Diese, wie alles andere an ihr, farbig analog abgestimmt. Was auch sonst!

      Bei der Bunten – wie nicht anders erwartet – bunt in fast allen Farben. Eine schon übertrieben-dezente Mischung aus Flower Power und den Kellys Mitte der Neunziger. Nur nicht so zugeknöpft wie die kleine Gruftine. Offenherzig präsentierte sie ihr noch im Wachstum befindliches Dekolleté, auf dem sich eine starkbehaarte Tarantel auf dem Weg befand, sich zwischen den noch leeren Milchtüten zu verstecken. Derselbe grimmig dreinblickende Gesichtsausdruck wie schon bei der Maus verriet die Kunst und das Geschick eines Fachkundigen Tattooteurs.

      Also wie schon erwähnt, die junge bunte Frau, welche mich, außer dass sie die Schmuckstücke noch weihnachtlich schick eintütete, zu diesem Einkauf fast überschwänglich beglückwünschte, musste noch kichernd erwähnen, dass diese beiden Stücke einmalig seien. „Unikate“, wie sie mir versicherte: „Weil, wie sie sehen, sehen sie diese nicht mehr. Würden sie jene aber noch hängen sehen, hier irgendwo, dann würden sie diese Jenen doppelt sehen und hätten somit was an Augen.“ Dazu schenkte sie mir ihr schönstes Lächeln, was ein Zahnarzt mit Hilfe von Draht und Epox hatte versucht so gut wie es ihm eben möglich, intern beisammenzuhalten. Die dazugehörige Glühweinfahne mit einem Hauch abgestandenem Amaretto verriet eine schon länger anhaltende Weihnachtsstimmung. Ja, dachte ich mir, die Mischung macht’s.

      Ich wollte mich darüber nicht aufregen. Ist Übermorgen doch eh Schluss, vielleicht. Und ein Schnäppchen hätt ich wohl auch gemacht, wie sie mir in ihrem Jingle-Bells-Modus versicherte. Dazu zeigte sie ein letztes Mal ihre Zahnspange und wünschte mir schon mal vorbeugend:

      „Happy New Year!“

      „Wie belieben?“

      „Nen’ guten Rutsch noch!“

      „Dito!“

      „Häh?“

      „Auch!“

      „Aha hahaha!“, lachte sie albern.

      Die Kleine minder farbenfrohe Freundin hatte

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