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– was für eine Übereinstimmung zwischen uns!

      Ich weiß noch, wie du mir eines Morgens, in aller Herrgottsfrühe, in der Klosterkapelle während des Laudes-Gebetes zugeflüstert hast: »Nick, du bist mein Amor.« Ich entgegnete dir dann ungefähr einen Psalm später:

      »Und du süße Nora, bist meine Aurora, meine Morgenröte!«

      Es war uns dann aber mehr nach Sonnenfinsternis zumute, als der Tag des Abschieds kam. Wie haben wir da zusammen geheult! Schon abends zuvor im Weinkeller – »nomen est omen« – brachen sich die ersten Tränen Bahn. Das waren die bisher schrecklichsten Stunden meines Lebens. Es wundert mich noch heute, dass ich auf der Rückfahrt nach Würzburg keinen Unfall gebaut habe – es war der reinste Höllenritt!

      Nach der unvermeidbar letzten Umarmung und dem viel zu früh endenden Abschiedskuss habe ich dir zum Trost noch ein kleines Gedicht geschenkt. Ich hatte es tags zuvor verfasst, während des Küchendienstes, den Schwester Maria mir dankenswerterweise für die Zeit meiner kreativen Schaffenspause abnahm. Das Gedicht lautet:

      »Amora«

      Nick ist Amor, und Nora ist Aurora

      Und wenn beide verschmelzen

      Dann sind sie: »Amora«!

      Heute hängt dieses Mini-Poem, dessen Titel auch unserem zweiten Zuhause in München den Namen gab, hübsch eingerahmt über unserem gemeinsamen Schreibtisch im Arbeitszimmer.

      Nachdem ich – aus dem Paradies vertrieben – wieder in der kalten Wirklichkeit Würzburgs angekommen und doch nicht angekommen war(in Gedanken war ich ja bei dir!), begann für mich die Zeit des Fegefeuers:

      Ich musste die Trennung von Dir verkraften und zudem die bohrenden Fragen meiner Eltern bezüglich meiner zukünftigen Lebens- und Berufsplanung über mich ergehen lassen. Was mich irgendwie am Leben hielt und immer wieder aufrichtete, waren weniger die tröstenden Worte der Krankenschwestern in der Quarantänestation des Würzburger Uniklinikums, als ich, wie du ja sorgenvoll mitbekommen hast, mit einer schweren Grippe zu kämpfen hatte. Nein, es waren vielmehr deine erotisch angehauchten Liebesbriefe, die meinen Selbsterhaltungstrieb reanimierten – übrigens: nicht nur den!

      Kaum wieder auf den Beinen, nahm ich zunächst meine Kellnertätigkeit wieder auf, und zwar ganztags. Nebenher jedoch bewarb ich mich in München um einen Job im schreibenden Gewerbe: Redaktionen, Verlage, Werbeagenturen waren meine Adressaten. Den Rest kennst du ja: Nach exakt einem Vorstellungsgespräch bekam ich die Chance, bei einer renommierten Werbeagentur als Juniortexter zu debütieren. Was so vielversprechend begonnen hatte, fand tatsächlich sein »Happy End«. Die hässliche Hochhaussiedlung, in der wir nun wohnten, konnte einen zwar in tiefe Depressionen stürzen, aber nicht uns beide. Wir waren überglücklich, endlich vereint zu sein – Nick und Nora in »Amora«!

      Bussi,

      dein Nick

      P.S.: Bin gespannt auf deinen nächsten Brief!

       Amora, den 22.11.2010

      Geliebter Nick,

      ich habe mich echt gefreut, wie ein Schnitzel in der Pfanne, als ich die erste Hauspost von dir bekam.

      Danke auch für deinen süßen Gruß. Ich fürchte, bei mir beschwert die verführerische Marzipanpraline eher den Hüftspeck als den Brief. Ich muss zugeben, ich habe heute kalorienmäßig schon gesündigt. Du weißt, ich hatte mein monatliches Frauentreffen. Diesmal waren wir bei Mona eingeladen und die backt immer so superleckere Kuchen, da kann ich einfach nicht widerstehen. Heike hat uns wieder den ganzen Nachmittag von ihrem »Ex« vorgejammert, einfach schrecklich der Typ. Also wenn ich diesen ganzen Beziehungsstress der anderen so höre, ist es mir fast peinlich, dass wir nach über 25 Jahren noch so glücklich wie am ersten Tag miteinander sind. Wir hatten aber auch einige Klippen zu umschiffen, bis wir endlich im Hafen der Ehe vor Anker gehen durften.

      Ich konnte mir damals bildlich vorstellen, wie deinen Eltern buchstäblich die Kinnlade heruntergeklappt ist, als sie realisieren mussten, dass aus ihrem geliebten Sohn weder ein Priester – tja, eine Privataudienz beim Papst, das wäre was gewesen – noch ein Lehrer am Gymnasium werden würde.

      Was für ein Teufel war nur in dich gefahren, dass du ihren Wunschvorstellungen so eine Abfuhr erteiltest?

      Ein windiger »Schreiberling« ist doch nichts wert, damit kann man als Eltern nicht viel Staat machen, und dazu noch eine Schwiegertochter – das war der reinste Staatsbankrott!

      Kein Wunder, dass dich dieser Stress flachgelegt hat und du dir eine Auszeit im Krankenhaus nehmen musstest. Du hast es sicher nur der Fürsprache deiner schrulligen, aber liebenswerten Tante Hella zu verdanken, dass deine Eltern dich damals nicht enterbten.

      Meine Erzeuger haben auch nicht gerade die große Lobes- und Dankeshymne angestimmt, als ich ihnen meine Zukunftspläne mitteilte. Zuerst waren sie noch euphorisch, als ich, die verlorene Tochter, mit Sack und Pack wieder vor ihrer Haustüre stand, aber dann ging es mit den Schimpftiraden auch schon los. Sätze, wie »Und dafür haben wir dich all die Jahre studieren lassen«, wobei sie mich doch förmlich zum Studium gedrängt hatten, musste ich mir ständig anhören. Beliebt war auch:»Du hättest doch besser Theologie studieren sollen, Pastoralreferentin wäre der ideale Beruf für dich gewesen!« Diesen Spruch hatten sie drauf, seitdem ich in unserer Pfarrgemeinde für drei Jahre die Kinder- und Jugendgruppe geleitet hatte und während dieser Zeit auch noch im Pfarrgemeinderat vertreten war.

      Auch mit der Wahl meines zukünftigen Ehemanns hatten sie ihre Probleme. Warum warst du kein berühmter Arzt oder wenigstens ein anerkannter Staatsanwalt? Der einzige Trost für sie war, dass ihre Tochter keine alte Jungfer werden würde und sie so vielleicht in den Genuss einiger Enkelkinder kommen könnten.

      Unsere Hochzeit hatten wir ursprünglich als Traumhochzeit à la Lady Di und Prinz Charles geplant, schließlich sind wir füreinander auch Prinz und Prinzessin. Wie im Märchen träumten wir von einer 8-spännigen weißen Kutsche, einem diamantbesetzten Brautkleid mit 10 Meter langer Schleppe, mindestens sechs kleinen süßen Brautmädchen, einem Meer von weißen und roten Rosen und einem prächtigen Schloss, in dem die Feier stattfinden sollte.

      In der Realität hätte dies allerdings nicht so recht zu unserem Kloster Marienfelde und Pater Anselm gepasst.

      So haben wir uns entschieden, im kleinsten Kreis, also nur mit Pater Anselm und Schwester Maria als Trauzeugin – die hilfsbereite Nonne aus der Küche – in der wunderbaren Klosterkapelle zu heiraten.

      Unsere Eltern und die übrige »bucklige Verwandtschaft« wollten wir, nach all dem Zirkus, am schönsten Tag unseres Lebens nicht dabei haben.

      Wir haben sie mit dem Versprechen vertröstet, irgendwann mal eine kleine Nachfeier zu veranstalten.

      Die Trauungszeremonie wird uns wohl ewig in Erinnerung bleiben. Vor Aufregung hast du mich mehrmals hintereinander »Aurora« genannt, so dass Pater Anselm ganz verwirrt seinen Notizzettel noch mal von vorne bis hinten nach dem richtigen Namen durchgeforstet hat.

      Beim Austausch der Ringe hatte ich so zittrige Hände, dass mir dein Ring auf den Boden gefallen ist. Er hüpfte mit einem »Kling« auf und davon.

      Schwester Maria hat sich aufopfernd auf die Suche gemacht und ist auf allen vieren durch die Kapelle gerutscht.

      Unter der Kniebank der hintersten Reihe hat sie ihn dann endlich erwischt.

      Wir sind dabei am Altar fast an unserem unterdrückten Lachen erstickt. Glücklicherweise hat unsere liebe Trauzeugin nichts davon mitbekommen, jedenfalls hat sie beim Schluss-Segen richtig herzzerreißend geweint und uns anschließend, als wären wir ihre eigenen Kinder, schluchzend an ihre voluminöse Brust gedrückt.

      Nach einer champagnerseligen, wundervollen Hochzeitsnacht in einem nahegelegenen Romantikhotel sind wir am nächsten Tag, mit kurzem Zwischenstopp zu Hause, in die Flitterwochen gestartet. Dies sollte unsere erste gemeinsame Tour werden – hoffentlich keine Tortur!

      Als

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