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dazu, worin sie alle nordischen Völker übertreffen. Ihre Waren gehen zu Lande und über See zu den Russen und nach Constantinopel … In dem ganzen Norden ist Hungersnot nicht die Folge vom Ausbleiben des Regens und von anhaltender Dürre, sondern vom Überflusse an Regen und von anhaltend hohem Wasserstande. Regenmangel gilt bei ihnen nicht für schädlich, indem sie der Feuchtigkeit des Bodens und der großen Kälte halber deswegen keine Sorge hegen. Sie säen in zwei Jahreszeiten, im Sommer und im Frühling, und ernten zweimal. Dasjenige, was sie am meisten bauen, ist Hirse. Die Kälte ist bei ihnen der Gesundheit zuträglich, auch wenn sie heftig ist, die Wärme dagegen schädlich. Sie können in die Langobardischen Lande nicht reisen wegen der Hitze, welche dort groß ist und die Slawen umbringt … Ihr Wein und kräftiger Trank wird aus Honig bereitet.

      Ahmad at-Tawil hatte wohl Ibrahim ibn Jakub nacheifern wollen und war dabei in die Hände der Wilzen gefallen. Ulric von Huysburg war seit jeher ein Bewunderer der arabischen Kultur, und so zögerte er keinen Augenblick sich vorzunehmen, diesen Ahmad at-Tawil zu befreien. Da er sich ein paar Monate in Bagdad aufgehalten hatte, konnte er sich auf Arabisch leidlich verständigen.

      Er wartete so lange, bis sich die Wilzen zum Schlafen auf ihren Fellen ausgestreckt hatten und das Feuer nur noch glimmte. Einer Schlange gleich kroch er durch das Unterholz und schlich sich von hinten an den Wächter heran. Jetzt hatte die Nässe etwas Gutes, denn es gab kein trockenes Laub, das rascheln konnte. So gelangte er relativ lautlos in die Nähe des Wächters, und der tat ihm auch noch den Gefallen sich hinzusetzen. Ulric brauchte also nicht einmal aufzuspringen, um ihn mit einem gezielten Hieb gegen die rechte Schläfe für ein paar Minuten ruhigzustellen, er konnte das im Knien erledigen. Ahmad at-Tawil fuhr auf und schien nicht recht zu begreifen, was hier geschah.

      »Pst!«, machte Ulric und fügte dann auf Arabisch hinzu:»

      

Komm, ich binde dich los, dann fliehen wir!«

      Schnell hatte er dem bewusstlosen Wilzen das Messer aus dem Gürtel gezogen und die Stricke durchtrennt, mit denen man Ahmad at-Tawil gefesselt hatte. Der Araber kam aber nicht so schnell wieder auf die Beine, wie Ulric angenommen hatte, denn durch das lange Liegen waren seine Muskeln erheblich erschlafft und das Blut nicht mehr richtig durch die Adern geströmt. Es ging nicht anders, Ulric musste ihn unter den Achseln packen, hochhieven und versuchen, ihn in den Wald zu schleppen. Wenigstens ein paar hundert Schritte weit, dahin, wo sie die Nacht über in Sicherheit waren. Doch er musste Ahmad at-Tawil ein wenig den Brustkorb eingequetscht haben, denn der Araber begann zu schnaufen und zu husten. Das konnte natürlich bei den Wilzen nicht unbemerkt bleiben, und sofort sprangen einige von ihnen auf und suchten sich zu orientieren. Schnell begriffen sie, was geschehen war.

      Laute Rufe ertönten: »Nasze więźniów jest uszedł. Go! – Unser Gefangener ist entflohen. Ihm nach!«

      Eng umschlungen standen Ulric von Huysburg und Ahmad at-Tawil hinter einer mächtigen Eiche, noch ganz in der Nähe des Lagers. So wärmten sie sich, und ein wenig homoerotisch war die Sache auch noch. Die Wilzen huschten an ihnen vorbei und suchten sie an anderer Stelle. Bald gaben sie auf, und Ulric und Ahmad at-Tawil konnten sich vorsichtig vom Lager entfernen.

      »Wir müssen in Spandow sein, wenn der Tag beginnt«, sagte Ulric. »Dort sind wir sicher. Aber sie werden alles daransetzen, uns vorher einzufangen.«

      Wiprecht von Wandsleben hatte seine Lanze in den märkischen Sand gesteckt, saß bequem auf dem Stubben einer vor kurzem gefällten Kiefer und sah zu, wie sich Bogdan-Otto mühte, einen angespitzten hölzernen Pfahl in den Boden zu treiben. Immer wieder hob der seinen schweren Vorschlaghammer und ließ ihn niederkrachen. Der Schweiß rann ihm in Bächen Brust und Rücken hinunter, und er fluchte in einem fort. Erschöpft hielt er inne.

      »Weiter!« Wiprecht von Wandsleben klatschte in die Hände. »Keine Müdigkeit vorschützen!«

      Bogdan-Otto hielt ihm sein Werkzeug hin. »Hierrr, bitte, kannst du weiterrr schlagen ein auf das Phallus.«

      Der Ritter verzog das Gesicht vor gefühltem Schmerz. »O nein, das lieber nicht! Aber auch nicht auf den Pfahl, denn ich darf mich nicht überanstrengen … Mein Herz!«

      Bogdan-Otto murrte weiter: »Bin ich nu das Knabe von meine Ulric – oderrr was?«

      »Das schon, aber erstens hat der Markgraf befohlen, dass alle in Spandow Hand anlegen sollen, damit hier so schnell wie möglich eine feste Askanierburg entsteht, und zweitens wird dein Ulric von Huysburg längst von Jaxa geköpft worden sein.«

      »Da irrtumst du dich abba, derrr ist unbesiegbarrrr.«

      Ulric von Huysburg lag währenddessen im Dickicht hinter Wiprecht von Wandsleben und lauschte diesem Dialog mit großem Vergnügen. Er hatte es geschafft, Spandow zu erreichen, ohne von giftigen Schlangen gebissen oder feindlichen Sprewanen erschlagen zu werden. Ahmad at-Tawil war in der Siedlung Spandow zurückgeblieben, um sich in einer Art Herberge von den Strapazen und dem Schrecken der letzten Tage zu erholen.

      Wiprecht von Wandsleben warf mit Feldsteinen nach Bogdan-Otto. »Schneller, du Dumpfmeier, sonst werd ich dir Beine machen!«

      Dass sein Intimfeind seinen Knappen so drangsalierte, ärgerte Ulric von Huysburg, und so kam er auf die Idee, Wiprecht von Wandsleben einen kleinen Streich zu spielen, bevor er sich zu erkennen gab. Beim Anschleichen hatte er einen längeren Strick entdeckt, und mit dem nun wollte er die Beine des Ritters am Baumstamm festbinden, ohne dass der es merkte. Sobald Bogdan-Otto seine Arbeit wiederaufnahm, konnte es gelingen, denn dann machte er einen gehörigen Lärm.

      Ulric brauchte etwa zehn Minuten, dann war es geschafft. Der Strick war auf Höhe des Schienbeins eng um die Füße Wiprechts geschlungen und hinter dem Baumstumpf fest verknotet.

      Ulric kroch geschickt und geräuschlos wie eine Schlange ein paar Meter zurück ins Unterholz und schlich dann in weitem Bogen um die Lichtung herum, auf der Wiprecht und Bogdan-Otto agierten. Als er auf der anderen Seite angelangt war, sprang er aus dem Gebüsch. »Hallo, da bin ich wieder!«

      Sein Knappe fuhr herum, erkannte ihn, kam angelaufen und fiel ihm jubelnd um den Hals.

      Als Wiprecht von Wandsleben aufstehen wollte, um Ulric zu begrüßen, schlug er lang hin.

      »Oh!«, rief Ulric von Huysburg. »Ein bisschen Respekt hatte ich mir ja ausgebeten, aber das muss doch nicht gleich in einer solchen Demutsgeste münden.«

      Wiprecht von Wandsleben rappelte sich schnell wieder auf und schimpfte auf die Schlingpflanzen, die ihn immer wieder stolpern ließen. Bogdan-Otto konnte ein Grinsen nicht unterdrücken und half ihm, Sand und Gras vom Gewand zu klopfen, dies allerdings mit solchem Einsatz, dass es mehr danach aussah, als würde er dem Ritter Schläge versetzen.

      »Danke, danke, es reicht!«, rief der dann auch.

      Ulric reichte ihm die Hand. »Schön, dich noch in Spandow anzutreffen. Gib mir bitte etwas zu essen und zu trinken, und verschaffe mir dann zwei Pferde, damit Bogdan-Otto und ich Albrecht entgegenreiten können. Ich weiß alles über Jaxas Pläne und muss dem Markgrafen so schnell wie möglich Bericht erstatten.«

      »Der wird schon selber wissen, dass Jaxa nicht kommt, um mit ihm ein paar Partien Schach zu spielen«, brummte Wiprecht von Wandsleben. »Und was die Pferde betrifft, so gibt es im Lager zurzeit nur eines – nämlich meines, und das bekommt ihr nicht.« Es war an einem langen Seil angebunden und graste in der Nähe eines der alten slawischen Wälle.

      Wiprecht entfernte sich in Richtung der Zelte, um Weisung zu geben, den Ankömmling zu verköstigen. Ulric blieb noch einen Augenblick stehen, um Bogdan-Otto etwas ins Ohr zu flüstern. Der grinste abermals und nickte dann.

      Nachdem Ulric von Huysburg in einem der Zelte ausgiebig getrunken und gegessen hatte, machte er sich daran, draußen umherzuschlendern. Dabei erweckte er den Eindruck, als sei er erschöpft und unschlüssig. Wiprecht von Wandsleben hockte wieder auf seinem Baumstamm und verfolgte ihn mit misstrauischen Blicken. Ulric suchte Deckung hinter ein paar Büschen und kam schließlich in die Nähe des grasenden Pferdes, das

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