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JANUAR

       Was wirklich wesentlich ist

       Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden.

      2. KORINTHER 5, 17

      Was sich wie hohe Theologie anhört, steht in einem ganz praxisorientierten Zusammenhang. Die Christen in Korinth hatten viele Fragen. Wie können wir die Botschaft von Jesus weitersagen? Was ist unser Auftrag als Nachfolger von Jesus? Was sollen wir weitergeben, was und wie sollen wir verkündigen?

      Doch hinter den Fragen standen massive Konflikte. Die Christen in Korinth kamen aus ganz unterschiedlichen Hintergründen. Unter ihnen fanden sich Juden, einheimische Griechen und auch Zuwanderer aus allen Teilen des römischen Reichs. Freie Bürger und Leibeigene, Reiche und Arme gehörten dazu. Gemeinsam wollten sie ihren Glauben in ihrer Umgebung leben. Doch vieles war unter ihnen noch ungeklärt, und es gab Streit über viele Fragen.

      Paulus, der die Gemeinde in Korinth gegründet hatte, geht auf ihre Fragen ein. Eine nach der anderen beantwortet er. Doch immer wieder lenkt er den Blick auf das Wesentliche, auf das, was wirklich wichtig ist. Deshalb finden sich mitten in den praktischen Ratschlägen ganz grundsätzliche Aussagen, geistliche Spitzensätze. Man spürt, wie es aus Paulus hervorbricht. Es ist, als wolle er die Korinther mit einem Trompetenstoß aufwecken. In allem, was euch beschäftigt, vergesst nicht die großartige Tatsache: „Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden!“

      Paulus will den Christen in all ihren Fragen dieses Eine ganz klarmachen: Ihr seid Teil der neuen Schöpfung Gottes. Wer das begriffen hat, kann sich auch mit den Einzelfragen beschäftigen. Und dann auch Antworten finden. Gott hat uns in Jesus zu neuen Menschen gemacht. Das klärt noch nicht alle Fragen. Aber es gibt uns die Grundlage, auf der unser Leben gelingt – als Einzelne und als Gemeinschaft.

       Neu denken

       Darum … verändert euch durch die Erneuerung eures Denkens!

      RÖMER 12, 1

      Im Denken fängt es an. Das Gute wie das Böse. Je nachdem, wie wir denken, gestalten wir unser Leben. Was wir tun, wie wir Menschen beurteilen, wie wir sprechen, was wir unterlassen – alles hängt an dem, was wir denken.

      Ohne die Erneuerung des Denkens bleibt unser Leben als Christ halbherzig, oberflächlich und gespalten. Diese geistliche Disziplin, diese innere Selbsterziehung, kann uns niemand abnehmen. Kein Pastor, kein Seelsorger und kein Gottesdienstbesuch können diese Arbeit stellvertretend für uns tun.

      Neu denken, das ist die Aufgabe. Paulus spricht konkrete Einstellungen und Verhaltensweisen an, die die Christen im geistlichen Erziehungsprogramm angehen sollen. Statt zu lügen, sollen sie lernen, die Wahrheit zu sprechen. Statt sich vom Zorn beherrschen zu lassen, sollen sie lernen, ihren Zorn zu begrenzen. Statt zu stehlen, sollen sie einüben zu arbeiten, um auch andere unterstützen zu können. Statt Negatives zu reden, sollen sie zur Sprache bringen, was andere fördert und aufbaut. Statt Bitterkeit, Wut, Zorn und negativen Gedanken und Gefühlen Raum zu geben, sollen sie lernen, anderen gegenüber gütig zu sein und einander zu vergeben.

      Darum geht es in der Erneuerung des Denkens. Paulus wollte Menschen nicht nur oberflächlich bekehren. Nein, nach der grundlegenden Hinwendung zu Jesus musste ein ganzes Lernprogramm folgen, ein geistliches Training. Diese Disziplin des neuen Lebens führt vom erneuerten Denken zu neuem Reden und Handeln und schließlich auch zu neuen Gefühlen. Denn wer positiv über den anderen denkt, gut über ihn redet und versucht, ihm Gutes zu tun, bei dem ändern sich auch die Gefühle dem anderen gegenüber zum Guten.

      Paulus wollte keine geistlichen Babys produzieren. Sein Ziel war, dass die jungen Christen sich zu geistlich reifen Persönlichkeiten entwickeln durch die Erneuerung ihres Denkens. Genau das brauchen wir auch heute.

       Askese, die sich lohnt

       Die Frucht des Geistes ist Liebe, Friede, Freude, Geduld, Freundlichkeit, Gerechtigkeit, Glaube, Sanftmut und Keuschheit.

      GALATER 5, 22

      Keuschheit. In unserer Zeit ein sperriges Wort. Wir können es auch als Selbstbeherrschung, Enthaltsamkeit oder Askese übersetzen. Die Grundbedeutung ist: Sich im Griff, sich in der Gewalt haben. Doch diese Begriffe sind ja nicht unumstritten. Häufig regen sie unter Christen zu heftigem Widerspruch an: „Wir leben doch von der Gnade! Wir müssen uns doch Gottes Annahme nicht mehr verdienen!“

      Natürlich stimmt das. Gottes Gnade wird uns umsonst geschenkt. Seine Liebe gilt ohne jede Vorbedingung. Sie erschließt sich uns im einfachen Glauben, im Vertrauen auf das, was Gott in Jesus für uns getan hat. Gottes Gnade ist und bleibt die Grundlage für alles.

      Doch ist das wirklich ein Argument gegen geistliche Lebensordnungen? Gegen das Einüben geistlicher Gewohnheiten, gegen Askese im Sinn von Konzentration auf Gott? Im Sudan habe ich ein eindrückliches Bild gesehen: Wenn das Wasser vom Nil hochgepumpt wird, kommt es zuerst in einen einfachen, aus dem Erdreich aufgeschütteten Kanal, in dem es weite Strecken fließt, bis es zu dem Feld gelangt, das es bewässern soll. Wenn dieser Kanal nicht da wäre oder zu viele undichte Stellen hätte, würde das Wasser nie an seinem Bestimmungsort ankommen.

      Es stimmt: Das Wasser ist das Geschenk, das wir uns nicht erarbeiten können. Doch es braucht einen Kanal, um am Ziel anzukommen. In diesem Sinne richtet auch geistliche Konzentration unser Leben auf ein Ziel aus. Askese und Maß halten hängen mit unseren Prioritäten zusammen. Was ist uns wirklich wichtig? Was ist so bedeutsam, dass wir dafür andere Möglichkeiten bewusst ausschalten? Jesus hat einmal seinen Jüngern eine solche Zielvorgabe gegeben: „Trachtet zuerst nach Gottes Reich und nach seiner Gerechtigkeit!“ (Matthäus 6, 33)

      Es gibt kein geistliches Leben ohne Askese, ohne Verzicht. Nur wenn ich auf manches verzichte, finde ich die Zeit, mich für andere einzusetzen. Nur durch bewusste Entscheidung und Konzentration finde ich Zeit und Kraft für meine Familie, für Freunde und für das Zwiegespräch mit Gott.

       Ein ungewöhnlicher Wunsch

       Ihn möchte ich erkennen und die Kraft seiner Auferstehung und die Gemeinschaft seiner Leiden, indem ich seinem Tod gleichgestaltet werde.

      PHILIPPER 3, 10

      Das Ziel, das Paulus nennt, scheint seltsam. Er wünscht sich zu leiden? Das klingt ungewohnt, ja vielleicht sogar krankhaft. Wie kann er das meinen? Was ist seine Sicht vom Leiden? Wenn wir genau hinschauen, verstehen wir Paulus besser.

      Erstens: Seit Jesus am Kreuz gelitten hat, hat das Leiden eine ganz neue Qualität. Durch sein Sterben und Auferstehen hat er den Totalitätsanspruch des Negativen aufgehoben. Leiden und Tod verlieren für Christen den Schrecken, weil wir wissen, dass Jesus, der Auferstandene, am Ende den Sieg davonträgt. Darüber jubelt Paulus: „Tod, wo ist dein Stachel, Hölle, wo ist dein Sieg?“ (1. Korinther 15, 55)

      Zweitens: Leid gehört zu unserem Leben dazu. Auch Christen sind nicht aus Krankheit, Schmerzen, Enttäuschung, Trauer, Angst und Verzweiflung herausgenommen. Aber weil Jesus in das Leiden gegangen ist, wird auch unser Leiden angestrahlt von seinem erlösenden Leiden. Unser Leiden ist hineingenommen in die Gemeinschaft mit Jesus. Deshalb können wir Ja sagen zum Leiden. Jedes Leiden, auch das scheinbar willkürliche, kann zu einer Quelle der Kraft werden, wenn es in der Verbundenheit mit Jesus getragen wird.

      Drittens: Wir brauchen uns das Leid nicht selbst zu suchen. Nicht das Leiden an sich, aber auch nicht das Erleben der Kraft Gottes an sich sind endgültiges Ziel für uns Christen. Beides gehört dazu. In beidem geht es um die Identifikation mit Jesus. Um das Nachbuchstabieren seiner Botschaft, um das Nachstolpern seines Weges. Die Gemeinschaft mit dem Gekreuzigten ist ein Ziel, das es wert ist, dass wir uns ganz darauf ausrichten.

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