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DIE SNUFF-KILLER. Robert Blake Whitehill
Читать онлайн.Название DIE SNUFF-KILLER
Год выпуска 0
isbn 9783958356191
Автор произведения Robert Blake Whitehill
Жанр Языкознание
Серия Blackshaw
Издательство Bookwire
Die junge Frau machte ein erschrockenes Gesicht, als Blackshaw ihr die Neuigkeit mitteilte, fing sich allerdings schnell wieder. Sie zog Bens Bersa und zielte damit auf ihn. »Dann werde ich dein Schiff brauchen. Bitte.«
Blackshaw war nur ungern der Überbringer von noch mehr schlechten Nachrichten, aber es führte kein Weg daran vorbei. »Nun, ich bin nicht Captain Phillips. Und diese Waffe ist nicht geladen. Ich hab die Kugeln rausgenommen, als du geschlafen hast. Und wenn du mal durch ein Bullauge schaust, wirst du merken, dass dieses Schiff auf Grund liegt. Liegt schon länger auf 'ner Sandbank, als du am Leben bist. Vielleicht hast du den Riss im Rumpf übersehen.«
Tally richtete die Pistole auf den Stapel Decken auf dem Feldbett und betätigte den Abzug. Der Knall in der engen Metallkabine ließ ihre Ohren klingeln. Blackshaw und LuAnna zuckten zusammen und traten einen Schritt zurück, als Tally mit der Waffe wieder auf sie zeigte. Schießpulver verschmolz in der Luft mit dem Geruch von Gänsepastete.
»Du hast gesagt, sie wär leer«, beschwerte sich LuAnna.
Tally machte einen beschämten Eindruck, als sie sagte: »Ich wachte auf und fand die Kugeln, als Ben auf dem Deck herumlief. Dieses Schiff ist wirklich nur ein Wrack?«
»Ja, es stimmt«, sagte LuAnna. »Kannst du bitte die Pistole runternehmen? Vielleicht können wir dir helfen.« LuAnna hatte bei der Natur- und Wasserschutzpolizei zwar eine Stunde Geiselbefreiungstraining gehabt, doch sie hatte damals nur halbherzig zugehört und verließ sich nun auf ihr Einfühlungsvermögen.
Tally zeigte auf Blackshaw. »Der da wollte mich töten.«
»Und er hätte es tun können, schon hundert Mal«, sagte LuAnna mit einer Spur Stolz in ihrer Stimme. »Du bist immer noch am Leben, weil es das ist, was er will.«
»Du hast mir 'ne Knarre ins Gesicht gerammt«, argumentierte Ben. »Dich hier zu haben, kam mir wie 'ne schlechte Idee vor. Tut's immer noch.«
»Wo willst du denn hin? Die Bucht ist ziemlich stürmisch«, sagte LuAnna.
»Na und? Lass sie gehen«, entgegnete Ben. »Sie kann mein Schlauchboot haben. Dein Skiff könnte zurückverfolgt werden, sobald sie es irgendwo stehenlässt oder kentert und ertrinkt. Die Chesapeake ist auf unserer Seite, Schatz.«
LuAnna warf ihrem Gatten einen missbilligenden Blick zu.
»Bitte, es gibt etwas, das ich tun muss. Ich muss zurück. Es bleibt keine Zeit«, flehte Tally nun.
»Zurück wohin?«, fragte LuAnna. »Süße, du hast die Knarre, also kannst du ein Boot haben. Jippie. Und danke, dass du bitte und all das gesagt hast, aber selbst wenn du einen verflixten Flugzeugträger hättest, wo zum Geier willst du hin?«
Es war, als ob sie die Frage zum zweiten Mal hören musste, bis sie Tallys emotionale Aufgewühltheit durchdringen konnte. Das Mädchen dachte einen Moment nach. Dachte daran, wie schwierig es gewesen war, bis zur American Mariner zu kommen. Sie setzte sich auf das Feldbett, entmutigt und aufs Neue erschöpft.
»Kannst du bitte die Waffe runternehmen?«, fragte LuAnna.
Tally richtete die Waffe auf die Decken und drückte wieder ab. Blackshaw und LuAnna zuckten, als der Hahn mit einem lauten Klicken auf ein leeres Patronenlager schlug.
Die junge Frau wirkte kleinlaut, als sie die Waffe wegwarf und zu Ben sagte: »Du kamst zurück, bevor ich mehr Kugeln laden konnte.«
Ben und LuAnna atmeten beide erleichtert aus. Tally begann zu weinen. Sie schob die Tränen mit geballten Fäusten umher. »Meine Schwester. Ich muss ihretwegen zurückgehen. Ich habe es versprochen. Sie wartet auf mich. Sie werden sie töten.«
Tallys klägliches Winseln löste bei LuAnna verzweifeltes Mitleid aus. »Wer wird sie töten? Warum? Wann?«
»Heute Nacht«, sagte Tally. »Es sind Monster. Sie werden sie wie ein Tier abschlachten, aber was sie ihr vorher antun werden – viele Stunden lang – Chamaiyo ist zwölf Jahre alt. Erst zwölf! Wir müssen die anderen vorher töten, L'Wana. Ben, wir müssen sie vernichten, jeden Einzelnen von ihnen.«
So herzzerreißend die Geschichte auch war, Blackshaws Gedanken wandten sich in eine andere dunkle Richtung. Nachdem sie eben die einzige Kugel in seiner Pistole abgefeuert hatte, hätte der Schlitten in der geöffneten Position einrasten sollen. Doch hatte der Schlitten nach dem Schuss das Patronenlager wieder verschlossen, was Ben und LuAnna davon überzeugte, dass wenigstens noch eine Kugel in der Kammer war. Zwar konnte das Gleiche geschehen, wenn der Zubringer im Magazin beschädigt oder das Magazin ein billiges Fabrikat war, aber Ben wusste, dass beides nicht der Fall sein konnte. Das Magazin war neu. Er tauschte es regelmäßig aus.
Bens Ansicht nach blieb da nur eine weitere, verstörende Möglichkeit. Der Eindringling hatte beim Abdrücken den Schlittenfanghebel mit dem linken Daumen betätigt und damit das Festhalten in der geöffneten Position außer Kraft gesetzt, um die Täuschung komplett zu machen. Tally hatte entweder großes Glück gehabt, oder aber ihre Waffenkenntnisse gingen weit über Verprügeln und Abdrücken hinaus. Blackshaw glaubte nicht an Glück. Ein ungutes Gefühl in seiner Magengrube verriet ihm, dass in Tally viel mehr steckte, als sie vermuten ließ.
Kapitel 12
Die American Mariner war völlig durchsiebt von den Schießübungen des Pax River Marinestützpunkts. Als Ben sie über das Wasser und durch den dichter werdenden Nebel betrachtete, schwelgte sein Künstlerauge im Farbenspiel, das sich ihm bot, wie die weiße Rumpffarbe in das rostige Orange-Braun von getrocknetem Blut verlief. Die grobschlächtige Zerstörung des alten Zielschiffes, die mit dessen Versenkung begonnen hatte und mit Bomben und Kugeln fortgeführt worden war, nahm nun in nachfolgenden Jahrzehnten einen natürlicheren Verlauf.
Blackshaw drehte den Außenbordmotor seines Schlauchboots voll auf und inhalierte genüsslich die steife Brise und den nebeligen Regen. Es fehlte an Bord des Frachters nicht an frischer Luft, solange einem der Geruch von Heizöl, Rost und längst vergangenen Seereisen, deren Besatzung schon lange begraben war, nichts ausmachte. Für Ben war da etwas unheimlich Lebendiges in den entfesselten Winden der Chesapeake, die sein unrasiertes Gesicht einfroren und Tränen in seine Augen trieben.
LuAnna und Tally würden auf dem Wrack allein klarkommen – oder zumindest redete Ben sich das ein. Ein kurzer Blick von seiner Frau, bevor er ging, verriet ihm, dass sie ihre eigenen Vermutungen hatte, was ihren Gast anging. Tally wurde einstimmig Asyl gewährt, sobald sie Bens Bersa abgegeben hatte. LuAnna behielt sowohl diese Pistole als auch die .45er in ihrem Gewahrsam. Die ehemalige Polizistin trug auch eine markige kleine .25er Beretta Jetfire an ihrem Knöchel, aber Tally musste davon nichts wissen.
Das Schlauchboot war schnell, aber brutal im Wellengang. Blackshaw hätte das Boot gern mit einer zweiten Person am Bug oder wenigstens Mitschiffs getrimmt, um sein eigenes Gewicht und das des Motors am Heck auszugleichen. Er hatte den tragbaren Benzintank so weit bugwärts gestellt, wie es die Treibstoffleitung zuließ. Der Tank war fast voll und sein Gewicht und die Platzierung halfen dabei, den Bug um ein paar Grad zu senken. Doch selbst so musste Ben einiges aushalten. Auf der anderen Seite kam es ihm vor, als ob die raue Fahrt eine Starre löste, die in den letzten Wochen auf dem Wrack langsam in seine Muskeln, Knochen und in seinen Kopf gekrochen war. Seltene Besuche von LuAnna, die Vorräte brachte, hatten geholfen, den durch Einsamkeit hervorgerufenen Wahnsinn abzuwenden, aber die Luft der Bucht und die weite See waren Bens Lebenselixier. Er ließ nicht vom Gas ab, bis er seinem Ziel nahe war.
Er raste durch die dunkleren Vorhänge stürmischer Böen an Stellen vorbei, die mit solchen Namen wie Northwest Middle Grounds und The Old Hannibal belegt waren. Hier, zwischen den Seezeichen 70 und 72, drückten die Gezeiten Streifenbarsche, Blaufische und Spanische Makrelen an die Oberfläche, wo Möwen sich tummelten und zeigten, wo die Angel auszuwerfen war.
Er bretterte weiter südlich zwischen Chumming und Mud Leads