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mit einem bitteren Lächeln, »soll auch ich an Ihren Wohltätigkeitssinn appellieren? Bin ich von Ihrer Milde ausgeschlossen?«

      »Franz, Sie lästern!«, rief das junge Mädchen schelmisch drohend, und eine Röte der Verlegenheit überzog ihr liebliches Gesicht, die mit dem frischen Purpur der Rosen zu wetteifern schien. Beide standen einen Augenblick verlegen da, dann sprach Anna in einem Ton, der deutlich die Reue verriet, dass sie dem jungen Mann nicht gleich Gehör geschenkt hatte:

      »So reden Sie, lieber Franz, ich werde ein wenig rascher gehen, um die versäumte Zeit aufzuholen. Was haben Sie mir zu sagen?«

      Franz ergriff sanft ihren Arm und zog sie hinter den Rosenstrauch zurück, der die Aussicht auf die Fabrikgebäude verdeckte; Anna, die Blicke auf ihren Rosenstrauß geheftet, folgte ohne Widerstreben, obgleich der Ausdruck ihres Gesichts deutlich anzeigte, dass sie die Unterredung lieber vermieden hätte.

      »Wollen Sie mich einige Minuten ruhig anhören, liebe Anna?«, fragte Franz, indem er beide Hände der Jungfrau ergriff.

      »Reden Sie, lieber Freund, ich bin bereit zu hören!«

      Mit einem tiefen Seufzer schien sich Franz zu sammeln, dann begann er:

      »Anna, noch ehe das Grün dieser Bäume schwindet, soll ich Sie zum Altar führen!«

      »Ich weiß es«, flüsterte Anna, und senkte abermals ihre Blicke auf den Blumenstrauß zurück.

      »Mein Glück«, fuhr der junge Mann mit Leidenschaft fort, »ist so groß, dass ich kaum daran zu denken wage, und wenn ich daran denke, schätze ich mich dessen für so unwert, dass ich es nur für einen schönen Traum halte. O mein Gott – ich Ihr Gatte, der arme Kommis der Gatte eines Engels! Ach, Anna, Sie wissen nicht, dass ich Sie schon so lange liebe, wie ich Sie kenne! Und das ist schon eine sehr lange Zeit, denn als Ihr Vater mich in sein Haus aufnahm, waren Sie noch ein Kind, und ich, der ich es ebenfalls noch war, zitterte bei Ihrem Anblick, wie ich in diesem Augenblick bei dem Gedanken an mein unbeschreibliches Glück zittere. Ich liebte Sie schweigend, hoffnungslos, denn wie konnte ich mir einbilden, dass ich mich je bis zu Ihnen erheben würde oder dass Sie zu mir herabsteigen würden? Da bewirkte der Wille Ihres Vaters dieses Wunder, das mir im Reich der Unmöglichkeit gelegen hatte, und ich glaubte vor Freude und übergroßem Glück den Verstand zu verlieren. Und dennoch ist meine Freude nicht ganz rein und vollkommen, denn seit dem Tag, an dem unsere Verbindung festgesetzt wurde, sind Sie nicht mehr dieselbe, Sie sind traurig und nachdenklich, und dies macht mir wieder Kummer. Anna, seien Sie offen, betrübt Sie diese Heirat? O bekennen Sie mir den Grund Ihrer Veränderung, welcher es auch sei, ich werde Ihnen darum nicht böse sein! Ich weiß, Anna, Ihre Erziehung ist von der meinigen sehr verschieden; Sie sind in der ersten Pensionsanstalt der Residenz gebildet worden und besitzen alle jene Kenntnisse, die erforderlich sind, um in den größten Zirkeln zu glänzen, während ich, ein einfacher Buchhalter, mich nur unter meinen Registern und Fabrikarbeitern zu bewegen weiß – Sie müssen mich sehr unwissend und roh finden; darum reden Sie jetzt offen wie eine Schwester zu dem Bruder: Können Sie mich lieben, Anna?«

      »Franz«, sprach Anna mit einem milden Lächeln, das von der Güte ihres Herzens zeugte, »warum sollte ich Sie nicht lieben? Sind Sie nicht der Gefährte meiner Jugend? Sind Sie nicht meines Vaters bester, treuester Freund, dessen Sorge und Tätigkeit ihn bereits zweimal vom drohenden Untergang rettete? Konnten Sie vermöge ihrer Talente, die auch andere zu schätzen wussten, nicht schon öfter vorteilhaftere Stellungen erhalten, und haben Sie nicht stets alle Anerbietungen ausgeschlagen und sind bei uns geblieben? Ich müsste ja eine undankbare Tochter sein, wenn ich bei solchen Beweisen von Aufopferung und Liebe unempfindlich bliebe!«

      Des jungen Mannes Lippen umspielte ein trübseliges Lächeln, denn er hatte das Ausweichende in Annas Antwort nur zu gut verstanden; der heitere, gefühlvolle Ton, in dem ihm diese Antwort erteilt worden war, konnte ihn nicht täuschen. »Anna«, sprach er mit unterdrückten Tränen, indem er sich zur Seite wandte und ein Blatt von dem Rosenstrauch brach, »Ihre Worte beweisen abermals, wie gut Sie sind, und lehren mich den Schatz kennen, den Ihr künftiger Gemahl in Ihnen besitzen wird; aber Ihre Hand als Lohn für die Dienste anzunehmen, die ich so glücklich war, Ihrem Vater leisten zu können, wird mich nichts in der Welt vermögen. Dass ich ihn nicht verlassen habe, als man mir vorteilhaftere Angebote machte, rechnen Sie mir zum Verdienst an? Nein, Anna, auch ohne die Aussicht auf den Besitz Ihrer Hand wäre ich geblieben, denn bin ich nicht eines seiner Kinder? Habe ich, die arme verlassene Waise, in Ihrem Haus nicht die liebende Familie wiedergefunden, die ich in meiner frühen Jugend schon verloren habe? Nicht Ihr Vater hat meiner, sondern ich Ihres Vaters bedurft, nicht er ist der Verpflichtete, sondern ich! Und, Anna, was das Wichtigste ist, nicht Dankbarkeit und Freundschaft bilden das Glück der Ehe – ich selbst würde der unglücklichste aller Männer sein, wenn ich meine Liebe nur durch das Gefühl der Dankbarkeit und Freundschaft erwidert sähe. Nein, Anna, rechnen Sie mir nicht zum Verdienst an, was Notwendigkeit und Dankbarkeit mir zu tun geboten haben; weder Sie noch Ihr Vater sind mir zu irgendeinem Opfer verpflichtet.«

      Die letzten Worte hatte Franz so leidenschaftlich gesprochen, dass Anna, wie zum Scherz erschreckend, einen Schritt zurückgewichen war. Der junge Mann bemerkte das Zurückweichen nicht, denn um die Glut seines Gesichts zu verbergen, hatte er sich wieder zu dem armen Rosenstrauch gewendet und brach mit einer wahren Hast Blatt um Blatt und Knospe um Knospe ab, die er anschließend auf den Weg warf. Anna hatte einige Augenblicke Zeit, sich zu fassen; ruhig, mit der ihr eigentümlichen Milde, trat sie ihm wieder näher, ergriff seine Hand und sprach in einem Ton, der Franz das Herz durchschnitt:

      »Was wollen Sie denn für eine Antwort von mir, lieber Franz? In meinem Institut, das ich erst seit einiger Zeit verlassen habe, hatte ich nie Gelegenheit, über solche Dinge zu reden; die Sprache der Liebe ist mir noch fremd, ich höre sie heute zum ersten Mal; aber ich muss auch bekennen, dass mich diese Sprache durch ihre Heftigkeit und Leidenschaftlichkeit erschreckt. Ist es nicht gleichviel, unter welchem Titel Sie mir lieb und wert sind? Ich kenne alle Pflichten einer christlichen Hausfrau und versichere Ihnen, dass ich sie mit großer Freude erfüllen werde. Was verlangen Sie mehr von mir?«

      »O mein Gott, können Sie mir verzeihen?«, rief Franz, indem er sich den Schweiß von der hohen Stirn trocknete und bei dieser Gelegenheit auch den Tränenschleier entfernte, der sich über seinen Augen gebildet hatte. »Ach, meine Fragen müssen Sie wohl erschreckt haben und ich erscheine Ihnen als ein unzurechnungsfähiger Mensch. Es ist ja klar, Anna«, fuhr er schmerzlich lächelnd fort, »wie können Sie mich anders lieben, als es jetzt der Fall ist; später wird es vielleicht anders sein. Ach«, rief er freudig, »die Hauptsache ist, dass Sie außer mir keinem andern so zugetan sind; ich kann deshalb ruhig sein, nicht wahr? Wo auch sollten Sie einen andern jungen Mann kennengelernt haben?«

      »Herr Franz!«, sprach Anna mit vorwurfsvollem Ton und wendete sich schmollend halb zur Seite. »Kann ich nun gehen?«

      »Hören Sie mich noch einen Augenblick an: Jetzt, da ich weiß, woran ich bin, will ich Ihnen einen Plan mitteilen, den ich im Laufe dieses Sommers noch ausführen werde.«

      »Einen Plan?«, fragte das junge Mädchen verwundert.

      »Ja, einen schönen Plan.«

      Franz stockte einen Augenblick, als ob ihm die Mitteilung dieses Planes wieder leidtun würde oder er sich dessen schämte.

      »Nun«, fragte Anna neugierig, indem sie sich ihm wieder zuwandte.

      »Anna«, begann der Kommis endlich mit halber Stimme, als ob er fürchtete, von einer dritten Person gehört zu werden, »damit sie sich vor der Welt, und vorzüglich vor Ihren Freundinnen, Ihres Mannes nicht zu schämen brauchen, habe ich beschlossen, mich in all den Wissenschaften auszubilden, die Sie in der Pensionsanstalt erlernt haben und die mir bis jetzt fremd geblieben sind – zum Beispiel Geschichte, Zeichnen, Musik; es ist zwar ein wenig spät, aber Sie werden mich anfeuern und meine Studien leiten. Wollen Sie das?«

      »Gern, mein Freund«, antwortete das junge Mädchen fast gerührt; »nur fürchte ich, dass Sie Ihre Lehrerin in kurzer Zeit überflügelt haben werden, denn ich kenne Ihre Ausdauer und Ihren empfänglichen Geist. Doch«, fügte sie sanft hinzu, »nicht des Zweckes wegen, den Sie vorhin nannten, wollen wir uns

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