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gehöre.“

      „Ich bin auch nicht stimmberechtigt“, sagte Jerry Reeves. Es sollte eine Aufmunterung für den Spanier sein, der in seiner Bescheidenheit bei allen den Eindruck eines aufrechten und grundehrlichen Mannes erweckte.

      „Schon gut“, sagte Hasard, „ich hätte es erwähnen sollen. Carlos ist auf meine ausdrückliche Bitte dabei, weil er uns einige wichtige Informationen geben kann. Ich schlage vor, daß er über seine persönliche Geschichte zum Schluß berichtet. Einverstanden?“

      Zustimmendes Nicken.

      „Also gut“, fuhr der Seewolf fort, „ich gebe euch erst einmal einen Überblick über die Ereignisse der letzten Tage. Was vorher geschehen ist, schildern euch Jean Ribault, Siri-Tong, Thorfin und natürlich Carlos Rivero.“

      Nachdem Hasard über die erfolglosen Auseinandersetzungen mit der Black Queen berichtet hatte, schlossen sich Jean, Siri-Tong und Thorfin an. Eingehend erläuterten sie die Geschehnisse um El Triunfo und Gran Cayman.

      Carlos berichtete dann über die Meuterei auf der „Aguila“ und seine Begegnung mit der Black Queen, die für ihn um ein Haar tödlich geendet hätte. Deutlich war ihm anzusehen, wie schwer es ihm fiel, die blutigen Ereignisse auf der spanischen Kriegsgaleone noch einmal in seiner Erinnerung wachzurufen.

      „Ich habe schwere Schuld auf mich geladen“, schloß er, „der Kapitän und die Offiziere hätten nicht sterben dürfen. Ich hätte damit rechnen müssen, als ich die Decksleute zur Meuterei anstiftete.“

      „Anstiften ist das falsche Wort“, sagte Jean Ribault energisch, „nach den ungeschriebenen Gesetzen der Menschlichkeit waren deine Beweggründe richtig. Auch die Leute auf der ‚Aguila‘ müssen davon überzeugt gewesen sein, denn sonst wären sie dir nicht gefolgt. Ihr wolltet letztlich die Ungerechtigkeiten nicht mehr dulden, die im Namen der spanischen Krone ständig verübt werden. Daß dann Menschen sterben mußten, ist schlimm. Aber es fällt nicht unter deine Verantwortung. Du konntest die Meute in ihrer plötzlichen Blutgier nicht zurückhalten.“

      Carlos preßte zweifelnd die Lippen aufeinander.

      „Jean hat recht“, sagte Hasard, „die Mannschaft der ‚Aguila‘ hat ihre wahre Einstellung schließlich bewiesen. Als Piraten und Marodeure haben sie sich auf die Seite der Black Queen geschlagen. Über kurz oder lang werden sie ihre gerechte Strafe erhalten. Das steht für mich schon jetzt fest. Jedenfalls solltest du endlich aufhören, dich mit Selbstvorwürfen zu plagen, Carlos. Die Bewährungsprobe, vor der wir alle stehen, gilt auch für dich.“

      Der Spanier warf dem Seewolf einen dankbaren Blick zu und lächelte kaum merklich.

      Die Schlangenpriesterin räusperte sich vernehmlich und blickte mit ernster Miene in die. Runde.

      „Eure ganze Kraft wird erforderlich sein“, sagte sie, „die schwarze Frau ist wie ein Fluch, der auf der Welt der karibischen Inseln lastet. Viele Menschen werden sterben müssen, wenn es überhaupt gelingen soll, diesen Fluch abzuwenden.“

      Hasard erwiderte Arkanas Blick.

      „Ich weiß“, sagte er, und in seinem Gesicht bildeten sich harte Linien. „Aber wir dürfen das Risiko nicht scheuen. Denn unser aller Leben wird nichts mehr wert sein, wenn die Black Queen ihr Ziel erreicht.“

      „Sie ist auf dem besten Wege dazu“, sagte Siri-Tong erbittert, „mit jeder Stunde, die verrinnt, baut sie ihr Nest auf Tortuga besser aus. Wenn wir nicht aufpassen, wird sie die Insel fest in ihrer Hand haben. Ich schätze, sie wird Tortuga in eine uneinnehmbare Festung verwandeln.“

      „Warum tut denn auf Tortuga niemand etwas dagegen?“ fragte Karl von Hutten. „Ich verstehe das nicht. Wir haben doch viele Freunde dort. Ich denke nur an Diego und jene, die auf seiner Seite sind.“

      Hasard forderte Jean Ribault mit einer Kopfbewegung auf, zu antworten.

      „Für jemanden, der es nicht selbst gesehen hat, ist es schwer, sich das vorzustellen“, sagte der Franzose. „Karl, du mußt dir vor Augen halten, daß sich die Queen mit einigen hundert Gefolgsleuten auf Tortuga eingenistet hat. Diego und die anderen müßten Selbstmörder sein, wenn sie sich dagegen auflehnen wollten. Sie haben nicht die geringste Chance. Die Queen hat vier gut ausgerüstete Schiffe mitsamt Besatzungen. Und dann noch die Siedler aus El Triunfo.“

      „Ihre Rechnung ist aufgegangen“, sagte Siri-Tong und nickte. „Sie hat die Siedler aus den Klauen der Spanier befreit. Dafür erwartet sie ewige Dankbarkeit, und die wird sie auch erhalten.“

      „Vergeßt die kleinen Mädchen aus Paris nicht“, sagte Thorfin mit dröhnender Stimme. „Die könnten sämtlichen Kerlen den Kopf verdrehen, und dann stünde dieses schwarze Höllenweib plötzlich ganz allein da.“

      „Schön wär’s“, sagte der Seewolf mit dem Anflug eines Lächelns. „Aber ich fürchte, das bleibt reines Wunschdenken. Wir müssen wohl eher damit rechnen, daß die Black Queen nicht lange fackelt, auch ihr nächstes Ziel in Angriff zu nehmen.“

      „Und das wäre?“ Karl von Hutten beugte sich gespannt vor.

      „Tortuga ist eine Art Brückenkopf für sie. Sie wird versuchen, so viele Siedler wie möglich nach Hispaniola hinüberzuschaffen. Auf diese Weise wird sie auch dort Fuß fassen. Immer weiter breitet sie ihren Herrschaftsbereich aus, bis sie die gesamte Karibik unter Kontrolle hat.“

      Carlos Rivero hob die Hand.

      „Eines möchte ich dabei aber doch zu bedenken geben“, sagte er, nachdem Hasard ihm zugenickt hatte. „Ich glaube nicht, daß alle dreihundert Siedler aus El Triunfo auf der Seite der Queen stehen werden, wenn es auf Tortuga hart auf hart geht. Die meisten sind froh, dem Tod entronnen zu sein. Da haben sie keine Lust, sich schon wieder in Gefahr zu begeben.“

      „Du meinst, das wäre der Fall, wenn wir Tortuga angreifen?“ fragte der Seewolf.

      Carlos nickte. „Davon bin ich überzeugt.“

      „Ich auch“, sagte Jean Ribault, der gemeinsam mit dem Spanier in El Triunfo gewesen und dabei in eine teuflische Falle geraten war. „Ich stelle mir beispielsweise Emile Boussac vor, den französischen Schankwirt. Der wird sich vor allem überlegen, wie er gegen Diego konkurrieren kann, aber nicht, wie er am besten die Queen unterstützt.“ Jean schüttelte entschieden den Kopf.

      „Also gut“, sagte Hasard, „wir müssen diesen Punkt auf jeden Fall berücksichtigen, wenn wir einen Angriffsplan ausarbeiten. Diejenigen Siedler, die sich nicht auf die Seite der Queen schlagen, müssen aus allem herausgehalten werden. Genau wie die übrigen Bewohner von Tortuga. Das erschwert die Sache ungeheuer.“

      Einen Augenblick blieb es in der Gesprächsrunde still. Die nachdenklichen Mienen zeigten, wie sehr sich jeder über die Schwierigkeit der bevorstehenden Aufgabe im klaren war. Auf keinen Fall durften Unbeteiligte in Gefahr gebracht werden. Darüber gab es nicht den geringsten Zweifel.

      „Schluß der Debatte!“ rief Thorfin Njal schließlich. „Wir brauchen nicht mehr herumzureden. Diesmal schnappen wir uns das Satansweib, und wir versohlen ihr den schwarzen Hintern, daß sie sich nie wieder davon erholt.“

      Die anderen konnten sich eines Lächelns nicht erwehren.

      „Es stimmt, was Thorfin sagt“, erklärte Hasard, „jeder von uns kennt die entscheidenden Einzelheiten, und wir wissen in etwa, was uns bevorsteht. Deshalb beantrage ich Abstimmung: Wer ist dafür, daß wir mit allen Mitteln gegen die Black Queen vorgehen?“

      Es gab kein Zögern. Alle Stimmberechtigten erhoben sofort die rechte Hand.

      Zum Schluß meldete sich Carlos Rivero noch einmal zu Wort.

      „Wenn alles vorüber ist“, sagte er bedächtig, „würde ich mich gern auf Tortuga niederlassen. Vielleicht könnte ich euch dort von Nutzen sein. Als euer Verbindungsmann.“

      Niemand hatte etwas einzuwenden. Hasard legte dem Spanier wortlos die Hand auf die Schulter und lächelte.

      Конец

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