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dann wären sie doch höchst besorgt um seinen Gemütszustand gewesen.

      Thorfin Njal hatte nur Augen für seine Ehefrau Gotlinde. Groß und wohlgewachsen, stolz und mit einem Lächeln in den ebenmäßigen Gesichtszügen erwartete sie ihn dort am Strand. Thorfin wußte, daß dieses Lächeln nur ihm galt. Und er wußte auch, welche Gedanken Gotlinde bewegten.

      Eben diese Gedanken waren es, die dem Wikinger vor Rührung die Kehle zuschnürten. Bei Odin, Hasard hatte recht gehabt. Auf seine Anweisung hin war Gotlinde auf der Schlangen-Insel geblieben. In ihrem Zustand, so hatte der Seewolf entschieden, konnte man ihr nicht mehr zumuten, gefahrvolle Schiffsreisen zu unternehmen.

      Thorfin schloß sekundenlang die Augen und atmete schwer. Er schalt sich einen Narren, daß er überhaupt noch daran gedacht hatte, Gotlinde mitzunehmen.

      Der kleine Wikinger, den sie ihm schenken würde, bedurfte äußerster Schonung. Nichts durfte die Entwicklung dieses jungen, hoffnungsvollen Lebens beeinträchtigen. Thorfin öffnete die Augen wieder und sah, wie der sanfte karibische Wind im langen blonden Haar seiner Gotlinde spielte.

      Die Rückkehr zur Schlangen-Insel erschien dem Wikinger auf einmal wie die Rückkehr ins Paradies. Ein Paradies war es ja wohl auch, erst recht dank Gotlindes Anwesenheit.

      Er, der bärenstarke Klotz von einem Kerl, schämte sich seiner rührseligen Gedanken nicht. Erstens gingen sie keinen etwas an, und zweitens erfuhr ja auch keiner davon.

      Unvermittelt sah er, wie Gotlinde begann, ihm zuzuwinken. Sein Herz vollführte einen Freudenhüpfer, und er wollte die Rechte heben, um ihr Winken zu erwidern.

      Im selben Moment bemerkte er eine andere Bewegung aus den Augenwinkeln heraus. Er ruckte herum und hatte das Gefühl, einer der Blitze des Donnergottes Thor habe ihn getroffen.

      „Stör!“ brüllte er, und ein Wutausbruch des Donnergottes hätte nicht gewaltiger klingen können.

      Der Mann mit dem beängstigend langen Gesicht zuckte zusammen, hielt mit dem Winken inne und zog den Kopf tiefer zwischen die Schultern. Langsam, das Unheil ahnend, wandte er sich dem Achterdeck zu.

      „Ist was?“ Seine Stimme hörte sich kläglich an.

      „Hierher!“ brüllte Thorfin mit unverminderter Lautstärke. „Ich will mit dir von Mann zu Mann reden, du Nordpolaffe!“ Er wußte sehr wohl, daß er einen von Ed Carberrys sinnigen Ausdrücken benutzte. Aber in diesem Moment erschien ihm das durchaus passend.

      Die übrigen Männer waren inzwischen aufmerksam geworden. Sie grinsten sich eins, als der Stör wie ein geprügelter Hund den Niedergang hinaufschlurfte.

      „Was ist denn jetzt schon wieder quergelaufen?“ Er quetschte die Worte zwischen den Zähnen hervor.

      Die Zornesadern des Wikingers schwollen an. Er stemmte die Fäuste in das Fell über seinen Hüften und wippte drohend auf den Zehenspitzen.

      „Das fragst du noch, du Unglücksrabe? Welcher merkwürdige Wurm sitzt in deinem Hirn und flüstert dir zu, daß du Gotlinde zuwinken sollst? Meiner Frau!“

      Der Stör duckte sich unter der Wortgewalt, die wie ein Gewitter über ihn hereinbrach.

      „Wurm im Gehirn“, murmelte er dennoch. „Gotlinde zuwinken …“

      „Und das hört mir auch auf!“ brüllte Thorfin, noch einen Grad lauter.

      „… hört mir auch auf.“ Der Stör hob den Kopf. Sein langes Gesicht spiegelte Begriffsstutzigkeit. „Meinst du jetzt den Wurm oder das Winken?“

      Einen Atemzug lang sah es aus, als explodiere der Wikinger.

      „Dein verdammtes Nachgequatsche“, sagte er jedoch mit mühsam erzwungener Ruhe. „Wann kapierst du das endlich, du Klippfisch? Du sollst mir nicht immer jedes Wort nachquatschen!“

      „Aye, aye, Kapitän“, sagte der Stör dienstbeflissen, „nicht immer jedes Wort nachquatschen.“

      Die Männer an Deck hielten sich den Bauch, und sie mußten sich abwenden, um nicht in schallendes Gelächter auszubrechen.

      „Hoffentlich klappt das jetzt“, brummte Thorfin. Er schnaufte. „Jetzt zur Sache selbst. Was fällt dir ein, Gotlinde zuzuwinken, wenn sie mir zuwinkt?“

      Die Kinnlade des Störs klappte herunter. Verdattert starrte er sein riesenhaftes Gegenüber an.

      „Aber – ich – ich …“

      „Recht so“, entgegnete der Wikinger wutschnaubend und mit grimmigem Nicken. „Bei soviel Hirnrissigkeit muß einer ja anfangen zu stottern. Mann, was soll ich bloß mit dir anfangen? Soll ich jetzt ein ernstes Wort mit dir reden, oder soll ich es dir in deinen wurmstichigen Schädel hämmern?“

      „… Schädel hämmern“, wisperte der Stör erschrocken.

      Dem Wikinger entging es trotzdem nicht. Jäh zuckten seine mächtigen Fäuste vor. Er packte den anderen am Kragen und schüttelte ihn durch. Wäre der Stör ein dürrer Baum gewesen, hätte er in diesem Augenblick jegliches Laub verloren.

      „Ein für allemal!“ brüllte Thorfin Njal und schüttelte weiter. „Du hast Gotlinde nicht zuzuwinken. Du hast sie nicht anzuglotzen. Du hast ihr keine schönen Augen zuzuwerfen. Du hast nicht hinter ihr herzuschielen wie ein Dorftrottel. Du hast sie überhaupt nicht zu beachten.“ Er hielt inne, um Luft zu holen. „So! Das wirst du jetzt nachquatschen. Wort für Wort, damit ich weiß, ob dein Hirnwurm es gefressen hat.“ Er beendete das Schütteln, lockerte seinen Griff jedoch kein bißchen.

      Das Gesicht des Störs war grau geworden.

      „Aye, aye, Sir, nachquatschen“, erwiderte er ächzend. „Du hast Gotlinde nicht zuzuwinken. Du hast …“

      „Ich nicht!“ donnerte der Wikinger entnervt. „Du! Los, noch mal von vorne!“

      „Ich habe Gotlinde nicht zuzuwinken?“

      „Ja, zum Teufel. Weiter!“

      Der Stör ließ ein gequältes Stöhnen hören. Dann haspelte er die Anweisungen Thorfins Wort für Wort in der Ich-Form herunter.

      „Na also“, brummte der Wikinger und entließ ihn aus seinem eisenharten Griff. „Schreib dir das jetzt hinter die Löffel. Und laß dich bloß nicht noch mal beim Winken erwischen.“

      Erleichtert wandte sich der Stör ab. Er sah die grinsende Meute auf der Kuhl und tippte sich an die Stirn.

      „… bloß nicht noch mal beim Winken erwischen“, murmelte er, während er über den Niedergang abenterte.

      Aber zu seinem Glück hörte es der Wikinger diesmal nicht. Denn Thorfin hatte sich wieder an der Achterdecksverschanzung aufgebaut und schwenkte beide Arme hoch über dem Kupferhelm. Als Gotlinde sein zweifaches Winken erwiderte, war der Stör schon aus seinem Gedächtnis entschwunden.

      Bereits eine Stunde später fand eine Lagebesprechung auf dem Ratsfelsen statt. Hier war vor nicht allzu langer Zeit der Bund der Korsaren gegründet worden, der das Leben auf der Schlangen-Insel und auf Coral Island in geordnete und gesicherte Bahnen lenken sollte.

      Diesmal hatte der Seewolf die Versammlung einberufen. Daß die Zeit drängte, war zumindest denen klar, die die letzten Begegnungen mit der Black Queen vor Gran Cayman und Tortuga miterlebt hatten. Aber auch Arne von Manteuffel und die anderen, die auf der Schlangen-Insel geblieben waren, begriffen im Verlauf des Gesprächs sehr schnell, daß eilige Entscheidungen unumgänglich waren.

      Zur Teilnehmerrunde auf dem Ratsfelsen gehörten Arkana und ihre Tochter Araua, deren Schönheit mit jedem neuen Tag ihres Lebens vollendeter zu werden schien. Außer Hasard und seinem blonden Vetter Arne waren Jean Ribault, Siri-Tong, Thorfin Njal, Carlos Rivero, Karl von Hutten und Jerry Reeves, der Kapitän der Galeone „Tortuga“ anwesend.

      „Es gibt nur einen Punkt auf unserer Tagesordnung“, sagte der Seewolf und blickte in die Runde. „Maßnahmen gegen die Black Queen. Oder hat jemand noch etwas zu ergänzen?“

      Die

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