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riß er beide Fäuste hoch und knallte sie dem Seewolf unters Kinn.

      Hasard stand halb aufgerichtet. Er zuckte zurück und taumelte im hüfthohen Wasser. Wild flutete der Schmerz durch seinen Kopf, dann durch den Oberkörper. Er hatte Mühe, sich zu halten. Es kostete ihn seine ganze Kraft, gegen dieses Dröhnen in seinem Schädel anzukämpfen und die Hände nach do Velho auszustrecken, um ihn niederzuringen.

      Der Portugiese robbte rückwärts. Die Schnelligkeit war in diesem Augenblick sein Trumpf. Er entging den Händen des Seewolfes, erhob sich und zog den Degen.

      Hasard sah die Degenklinge durch milchige Schleier, die vor seinen Augen wogten. Er reagierte und zog seine Arme zurück, bevor die Spitze der Waffe seine Hände ritzen konnte. Der Kratzer, den der jetzt tote erste Offizier Ernesto Malcores ihm durch einen Pistolenschuß am linken Arm verpaßt hatte, machte sich kaum noch bemerkbar, aber Hasard verspürte nicht das geringste Verlangen, wieder verletzt zu werden. Er drehte sich nach rechts, ließ sich fallen und überschlug sich im Wasser.

      Do Velho stach ins Leere.

      Hasard tauchte an einer Stelle, an der er noch stehen konnte, wieder auf. Er war sehr leicht bekleidet und trug nur eine kurze Hose und einen Gurt mit einem Messer darin – wie auch seine fünf Männer ohne lästigen Ballast in diesen Kampf gezogen waren. Nur Dan und Ferris hatten nicht auf lange Hosen und Stiefel verzichten wollen, inzwischen aber einsehen müssen, daß ein Bad im Fluß unvermeidlich war. Dort wurden die Stiefel zu Gewichten an ihren Füßen. Sie mußten sie abstreifen.

      Do Velho tänzelte am Ufer auf Hasard zu und ließ den Degen in der kühlen Nachtluft sirren.

      „Lobo del Mar“, keuchte er. „Zieh blank. Du mußt früher, viel früher aufstehen, wenn du mich vernichten willst.“

      „Ich habe keine Lust, mich mit dir zu duellieren, do Velho“, sagte Hasard verächtlich.

      „Du willst kneifen? Ist das dein ganzer Mut, diese Tapferkeit, über die die tollsten Gerüchte verbreitet werden?“ Der Portugiese lachte auf. „Legenden! Ammenmärchen! Nur im Zweikampf wird die Wahrheit aufgedeckt …“

      Hasard hatte do Velho nähertreten lassen. Jetzt zog er mit einem Ruck die rechte Hand hoch, die er bislang unter Wasser verborgen hatten. Er hielt die Handspake, die auch er von Bord seiner Galeone mitgenommen hatte – für alle Fälle. Eigentlich hatte er sie nicht einsetzen wollen, daher hatte er sie im Gurt stecken lassen. Aber jetzt war es unumgänglich, diesem arroganten, eitlen Portugiesen eine Lektion zu erteilen.

      Hasard hatte sich weitgehend gefangen, er war wieder Herr seiner Sinne. Ehe do Velho zurückweichen konnte, hieb er ihm die Spake auf die Finger. Hasard mißachtete die Degenklinge, die dicht vor seinem Unterleib pendelte, und es war ihm klar, daß er hoch setzte. Wenn er do Velhos Armnerven nicht lähmen konnte, stach dieser zu, und dieses Mal blieb keine Zeit, dem Degen durch eine Drehung oder durch einen Sprung zu entgehen.

      Aber es glückte. Do Velho stieß einen Wehlaut aus, seine Finger öffneten sich und verharrten dann in starrer, verkrampfter Haltung. Der Degen löste sich aus der Hand und fiel ins Wasser. Hasard watete los und hob wieder die Spake, um sie do Velho über den Hinterkopf zu schmettern.

      Aber noch einmal handelte der Portugiese verblüffend schnell. Er fuhr herum und lief durch das Dikkicht in die tiefe Finsternis des Pinenwaldes, der auch dieses Ufer bewuchs.

      Hasard verlor keine Zeit damit, sich nach dem Degen des Kommandanten zu bücken und ihn aus dem Wasser zu fischen. Er stürmte an Land und eilte dem Flüchtigen nach.

      Nur ein wenig Distanz wollte Lucio do Velho zwischen sich und den Erzfeind legen. Er hatte immer noch das Messer, brauchte aber etwas Abstand, um sich umdrehen und damit auf den schwarzhaarigen Korsaren zielen zu können.

      Dies alles geschah, während sich Dan, Ferris, Shane, Carberry und Smoky mit den Spaniern und Portugiesen im Boot balgten und keine Sekunde Zeit dazu hatten, einen Blick auf das gegenüberliegende Ufer zu werfen.

      Als das Beiboot der „Santa Monica“ kenterte und seine Insassen in den Fluß kippten, blieb do Velho unter haushohen Schirmpinien stehen, fuhr herum und wartete in leicht geduckter Haltung das Nahen des Seewolfes ab.

      Zu verstecken brauchte der Portugiese sich nicht, die Finsternis schluckte ohnehin die Konturen seiner Gestalt. Langsam hob er das Messer, dessen Klingenspitze er zwischen Daumen und Zeigefinger hielt. Er führte die Waffe leicht über die rechte Schulter zurück und nahm die Position ein, die er brauchte, um das Messer kraftvoll und sicher ins Ziel zu befördern.

      Plötzlich sah er den Seewolf.

      Die Figur des heranhetzenden Mannes nahm sich für do Velho ausgesprochen klar aus. Im Hintergrund des Seewolfes lag die unter dem Mondlicht silbrig glitzernde Fläche des Flusses.

      Do Velho zählte in Gedanken bis fünf, dann warf er sein Messer.

      Hasard erkannte eine schwache, nicht genauer zu erklärende Bewegung zwischen den wuchtigen Baumstämmen. In derselben Sekunde konstatierte er auch ein Aufblinken. Es verriet ihm alles, die tödliche Gefahr, die auf ihn zuraste – er knickte in den Knien ein, stürzte auf den weichen Untergrund und spürte das Messer des Feindes über seine Schulter zischen.

      Keinen Yard hinter dem Seewolf blieb das Messer in dem Stamm einer uralten Pinie stecken. Das Heft bebte ein wenig. Hasard hätte sich der Waffe bemächtigen können und sie gegen Lucio do Velho verwenden können, und er hatte mittlerweile auch genügend Wut in sich aufgestaut, um einer solchen Tat fähig zu sein.

      Und doch, er kümmerte sich nicht weiter um das Messer. Nur mit der Spake in der Faust, nahm er erneut die Verfolgung des Kommandanten auf. Do Velho verfügte nach seinem heimtückischen Angriff über keine Waffe mehr. Er war Hasard ausgeliefert.

      Trotzdem gab er sich nicht geschlagen. Wenn er vor dem Seewolf ausriß, so bedeutete das bei einem Mann seiner Art, daß er sich etwas davon versprach.

      Was es war, lag für Hasard auf der Hand. Selbstverständlich konnte sich auch do Velho ausrechnen, daß es vom Fluß bis zum Ufer der Tafelbucht nicht weit war. Der Fluß, der sich von Westen her auf die Bucht zuwand, knickte keine halbe Meile vor seinem Ende scharf nach Südwesten ab, grub noch gut eine Meile weiter sein Bett und floß dann endgültig in die See. An dem Knick jedoch gab es noch einen zweiten Mündungsarm, der ebenfalls gut verborgen zwischen Pinien und Gebüsch nach Nord-Nord-West verlief.

      Dieser sehr viel kürzere Arm fiel breiter aus und war in sich ein sonderbares Werk der Natur, eine Laune, denn die See drückte mit ihrem Gezeitenstrom gegen die Strömung des Flusses an, stärker als an der südwestlichen Mündung. So war das Wasser dieser für die „Isabella“ durchaus benutzbaren Passage halb mit Salz- und halb mit Süßwasser gefüllt. Hasard war nach einer kurzen Besichtigung des Laufes überzeugt gewesen, daß bei Flut sämtliches Süßwasser ganz in den eigentlichen Fluß zurückgepreßt wurde und auf diese Weise tückische Strudel entstanden.

      Wie auch immer, die beiden Mündungsarme schnitten einen schmalen Streifen Land von der Küste ab – und über diese Insel hetzte jetzt Lucio do Velho in dem Bestreben, das Ufer der Tafelbucht zu erreichen, sich ins Wasser zu retten und zu seinen Schiffen hinüberzuschwimmen.

      Niemals, dachte der Seewolf, ich will verrecken, wenn du das schaffst, elender Hund!

      Etwas heller wurde es vor Hasard, und kurz darauf öffnete sich der Pinienwald zur Bucht hin. Auf der spanischen Kriegsgaleone und auf den beiden Karavellen mit der Lateinertakelung waren keine Laternen angezündet worden. Man wollte den Feind nicht unnötig auf sich aufmerksam machen. Hasard konnte die Umrisse der drei Schiffe aber dennoch sehen. Behäbig ankerten sie unter dem fahlen Mondlicht, keine drei Kabellängen vom Ufer entfernt.

      Do Velho war drauf und dran, von dem schmalen Strand in die Brandung zu laufen. Hasard rechnete sich aus, daß er ihn im flachen Wasser kaum noch packen konnte, und anschließend war es dann eben die Frage, ob er den Portugiesen durch Schwimmen einholen konnte. Zumindest theoretisch mußte er einräumen, daß do Velho sich in den Fluten wahrscheinlich mindestens genauso schnell voranzubewegen wußte wie er.

      Hasard riß

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