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Dafür zahlte er die Silberlinge gern, denn sie sorgten ja dafür, daß er im Amt blieb und seine Pfründe nicht versiegten.

      Die Investition lohnte sich. Täglich schleppten die Soldaten neue Gefangene nach Arica, und aus diesem Grund hatten sie Silberlinge in den Taschen, die sie wiederum in den Kneipen und Kaschemmen und den Hurenhäusern auf ihre Weise umsetzten.

      Der erfolgreichste Kerl von allen war der Sargento Zeno Manteca. Margarita betrachtete ihn, wie er über die Plaza spazierte. Ein übler Halunke, skrupellos und gewalttätig. Am liebsten hätte sie ihm in sein hakennasiges Gesicht gespuckt. Auch das konnte sie sich nicht erlauben. Manteca konnte außerordentlich gefährlich werden, auch Frauen gegenüber. Er war unberechenbar, und von einem Augenblick auf den anderen konnte seine Stimmung umschlagen.

      Er war ein Großmaul, dieser Manteca. Er hatte eine Hakennase, ein spitzes, vorspringendes Kinn und eng zusammenstehende Augen. Ein Galgenstrick, dachte sie. Sie haßte ihn so innig wie den Bürgermeister, und sie wünschte es ihnen, daß irgend jemand ihnen früher oder später das schmutzige Handwerk legte.

      Während sie sich ankleidete und für den Tag zurechtmachte, wanderten ihre Gedanken wieder zu der Hacienda in Andalusien ab. Mit der Erfüllung dieses Traumes würde es noch einige Zeit dauern, das wußte sie selbst. Daß aber ihre frommen Wünsche, die den Señor Bürgermeister Diego de Xamete und den Sargento Zeno Manteca betrafen, schon bald Wirklichkeit werden sollten, konnte sie beim besten Willen nicht ahnen.

      Am Mittag dieses Tages herrschte etliche Meilen von Arica entfernt in einer Felsenbucht bei Tacna einiger Betrieb. Zwei Schiffe lagen vor Anker, eine Dreimastkaravelle namens „Estrella de Málaga“ und eine Dreimastgaleone namens „San Lorenzo“. Jollen bewegten sich zwischen dem Ufer und den Schiffen hin und her. Der letzte „Aufräumtrupp“, den Ben Brighton und Jan Ranse, die Kommandanten der Segler, in das Tal von Tacna hinauf geschickt hatten, kehrte an Bord zurück. Unter den Männern befand sich auch Roger Lutz, der von seinen Kameraden am Ufer und an Bord mit grinsenden Gesichtern empfangen wurde.

      Dicker Qualm stieg vom Ufer auf. Mac Pellew und die Zwillinge hatten die Idee, eine Räucherei für die reichlich aus dem Wasser der Bucht gefischten Anchovetas zu bauen, in die Tat umgesetzt. Fast unablässig nahmen sie die Fische aus und hängten sie in den aus Steinen errichteten Räucherofen, der nach anfänglichen Schwierigkeiten und einigen Experimenten hervorragend zog.

      Mac Pellew heizte die Glut an. Albert, der vermeintliche Bucklige von Quimper, leistete ihnen Gesellschaft und verdrückte still und friedlich „Kostproben“ – den vierten Anchoveta an diesem Mittag. Als er jedoch Roger Lutz entdeckte, der gerade an ihnen vorbei auf eine der Jollen zuschritt, ließ er die gerade abgeknabberte Gräte sinken und setzte sein breitestes Grinsen auf.

      „Na, wen haben wir denn da?“ rief er. „Der verlorene Sohn kehrt zurück! Wir dachten schon, du musterst ganz ab, mein Freund!“

      Roger blieb stehen und blickte ihn an. „Spar dir deine dämlichen Kommentare. Ein Mann wie ich mustert nie ab.“

      „Hast du denn schön aufgeklart bei den Padres da oben?“ fragte Albert und kicherte.

      „Das weißt du doch“, entgegnete Roger. „Es ist nicht eine einzige Spur mehr von den Zerstörungen zu sehen. Ferris hat ja sogar das zerschlagene Kruzifix repariert.“

      „Klar“, sagte Philip junior. „Er hat es in pingeliger Kleinarbeit restauriert, das hat er uns erzählt.“

      „Und er hat auch berichtet, wie sehr Roger geschuftet hat“, sagte sein Bruder mit strahlendem Lächeln.

      „Ach, das ist nicht der Rede wert“, sagte der Franzose. Fast wurde er verlegen.

      Albert konnte seinen Mund nicht halten. „Na ja, er ist für die Plackerei ja auch reichlich entlohnt worden, nicht wahr? In Naturalien! Oder wie?“

      Roger trat auf ihn zu. „Jetzt ist aber Schluß, du Giftmorchel! Halt die Klappe, oder ich steck’ dich mit dem Hintern in den Ofen!“

      Albert wich zurück. „Aber, aber! Kannst du keinen Spaß mehr verstehen?“

      „Nicht in dem Punkt.“

      „Hört auf“, sagte Mac Pellew. Er hustete, weil er etwas Rauch eingeatmet hatte. „Ihr seid doch schließlich Landsleute.“

      „Landsmann oder nicht“, sagte Roger. „Wer noch eine dumme Bemerkung über meine Privatangelegenheiten von sich gibt, kriegt was an die Ohren.“ Damit wandte er sich ab und ging zu der Jolle, wo die anderen bereits auf ihn warteten.

      Es hatte sich herumgesprochen, daß Roger Lutz im Tacna-Tal zarte Bande zu einer jungen Indiofrau geknüpft hatte, die Witwe war. Ihr Mann war nachweislich in den Minen von Potosi umgekommen. Roger hatte tatsächlich hart im Klostergelände geschuftet, und aus diesem Grund hatte Pater Franciscus beide Augen zugedrückt, als er bemerkte, was sich da tat.

      Roger hatte die ganze Zeit über – während die Trupps sich ablösten – oben im Tal bleiben dürfen. Es war eine schöne Zeit für ihn gewesen, er würde sie nicht vergessen. Anacoana – so hieß die junge Witwe – war eine hübsche, zärtliche und kluge Frau. Sie konnte gut Spanisch, und er hatte sich ausgezeichnet mit ihr verständigen können, in allen Bereichen.

      Die Jollen brachten die Männer an Bord der „Estrella de Málaga“. Auch die, die sich noch auf der „San Lorenzo“ befanden, setzten zu der Karavelle über. Ben Brighton hatte eine Besprechung anberaumt. Sie enterten an der Jakobsleiter auf und versammelten sich auf der Kuhl.

      Roger hieb seinem Freund Grand Couteau, den er jetzt wiedertraf, kräftig auf die Schulter. Wie Roger hatte auch Grand Couteau zu dem ersten Trupp gehört, der sich in das Tal hinaufbegeben hatte, doch er war dann, bei der ersten Ablösung, zur Ankerbucht zurückgekehrt.

      „Wie ist es dir denn so ergangen?“ fragte Grand Couteau, als sie sich zum Backbordniedergang zurückzogen, der die Kuhl mit der Back verband. „Man hört ja die tollsten Geschichten von dir.“

      „Das ist eine Frau“, schwärmte Roger. „Von der könnte sich so manche Französin eine Scheibe abschneiden.“

      „Na, nun übertreibe mal nicht.“

      „Es ist die reine Wahrheit.“

      „Gut für dich“, brummte Grand Couteau. „Aber alles hat ja mal ein Ende, leider. Es geht nach Arica, wir wollen den Dons ein bißchen ans Leder.“

      „Das trifft sich gut“, sagte Roger, und plötzlich war er sehr ernst. Er nestelte etwas aus seinem Wams hervor, ein zusammengefaltetes Stück Pergament. Er öffnete es und zeigte dem erstaunten Grand Couteau die Zeichnung eines häßlichen Spaniers, der einen Helm trug.

      „Hölle und Teufel!“ entfuhr es Grand Couteau. „Wer ist denn das? Und wer hat das gemalt?“

      „Anacoana.“

      „Deine Indio-Frau?“

      „Ja. Dieser Kerl hier, ein spanischer Sargento, hat vor zwei Jahren ihren Mann aus dem Tal von Tacna verschleppt. Damals hat sie sich das Gesicht des Hundes sehr genau eingeprägt, unauslöschlich, verstehst du?“

      „Ja. Es will mir aber nicht in den Kopf, wie man aus dem Gedächtnis so ein Gesicht zeichnen kann.“

      „Sie hat eben ein Talent in dieser Richtung“, sagte Roger. „Ich habe auch Pater Franciscus nach diesem Kerl befragt, und er hat mir bestätigt, daß es sich um einen Sargento gehandelt hat. Aus Arica.“

      Grand Couteau stieß einen leisen Pfiff aus. „Das wird ja immer interessanter. Nun sieh dir diesen Hurensohn an. Ein übler Typ, nicht wahr?“

      „Ja. Damals tauchte er mit einem Trupp von acht Soldaten auf und requirierte zehn Indios für die Minen von Potosi.“

      „Diese Schweine“, sagte Grand Couteau. „Man sollte sie alle rauswerfen aus diesem Land.“

      „Unter den Requirierten befand sich auch Anacoanas Mann“, fuhr Roger fort. „Der Sargento schlug ihn vor Anacoanas Augen zusammen.“

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