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Überfälle von Piraten auf Engländer, sondern vermutete hinter alldem ein Komplott?

      Wie auch immer – er würde sich an diesem schwarzhaarigen Hund, der der Führer der beiden Schiffe zu sein schien, rächen!

      Hasard und Easton Terry verzichteten darauf, die flüchtenden Piraten zu verfolgen. Sie nahmen sich lieber die Schiffbrüchigen vor, deren einzige Rettung jetzt darin bestand, direkt zum Ufer zu schwimmen und sich in der Umgebung der Bucht zu verstecken.

      „Wir müssen versuchen, einige der Kerle zu schnappen“, sagte der Seewolf zu Ben Brighton. „Wie sieht es bei uns aus? Haben wir Verletzte?“

      „Nur leichte Verwundungen, nichts Ernstes“, antwortete Ben. „Der Kutscher ist dabei, die Blessuren zu verarzten.“

      „Gut. Lecks?“

      „Ferris hat eins abgedichtet, weitere scheint es nicht zu geben, jedenfalls nicht unter der Wasserlinie.“

      „In Ordnung, dann können wir also weitermachen. Wir müssen aus den Piraten herauskriegen, wo sich ihr Schlupfwinkel befindet. Dorthin sind die ‚Louise‘ und die Karavelle geflohen, dort müssen wir sie erneut stellen.“

      „Ja. Laufen wir die Bucht wieder an?“

      „Sofort, und dann fieren wir die Beiboote ab“, entgegnete Hasard. Er legte den Kopf in den Nacken und schrie zu Batuti hinauf: „Batuti, gib Terry ein Zeichen! Er soll anluven, wir segeln zurück in die Bucht!“

      „Aye, Sir!“ rief der Gambia-Mann, dann vertauschte er Pfeil und Bogen wieder mit den Signalfahnen.

      So kehrten die „Hornet“ und die „Fidelity“ in die Bucht von Sillon de Talbert zurück, gingen vor Anker und ließen ihre Beiboote zu Wasser. Der Sturm tobte über die Nordküste der Bretagne und behinderte sie in ihrem Unternehmen, doch sie waren fest entschlossen, einige von den Kerlen zu fangen.

      Ihr Auftrag endete hier nicht, er hatte eben erst angefangen und mußte weitergeführt werden. Wer war der Anführer der Bande, den Hasard auf dem Achterdeck der „Louise“ hatte stehen sehen – dieser vollbärtige Kerl mit der Augenbinde? In wessen Auftrag handelte er? Steckten wirklich die Spanier dahinter? Sollte Lord Gerald Cliveden recht behalten?

      Es gab viel zu tun. Hasard mußte sich beeilen, wenn er die schiffbrüchigen Piraten noch erreichen wollte, sie waren jetzt bereits an Land. Gelang es ihm nicht, sie zu stellen, stand er wieder vor dem Nichts und konnte von vorn beginnen.

      Die „Petite Fleur“ und die „Antoine“ waren gesunken, der Kanonendonner war verstummt. Nichts schien mehr von dem erbitterten Gefecht zu zeugen, das eben stattgefunden hatte. Nur der Sturmwind heulte weiterhin sein klagendes Lied über dem unwirtlichen Küstenland, das den Seewölfen jetzt noch menschenabweisender als vorher erschien …

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      1.

      Der Mann, der neben dem Kutscher auf dem ersten Frachtwagen saß, hatte ein südländisches Aussehen. Im Gegensatz zu dem bretonischen Kutscher mit seinem blonden Kraushaar und den blauen Augen sah er fast aus wie ein Nordafrikaner. Seine schwarzen Jettaugen versuchten, die Dunkelheit vor sich auf dem schmalen Waldweg auf größere Entfernung zu durchdringen, aber mehr als fünfzig Schritte weit konnte er nicht blicken.

      Der bretonische Kutscher fluchte, wie seit Stunden, leise vor sich hin. Er hielt es für vollendeten Schwachsinn, bei Nacht über die unsicheren Straßen von Saint Brieuc zu fahren.

      Wenn die Schnapphähne und Wegelagerer bisher nicht gewußt hatten, daß sich ein Überfall auf die drei Wagen lohnte, dann mußte ihnen die nächtliche Fahrt und die Tatsache, daß die Wagen auf kaum befahrenen Nebenstrecken nach Rennes gelenkt wurden, deutlich kundtun, daß hier etwas besonders Wertvolles transportiert wurde.

      Der Bretone fuhr nicht zum erstenmal Waffen nach Rennes, wo sie den Männern Heinrich von Bourbons übergeben werden sollten, von dem es hieß, er werde der zukünftige König Frankreichs. Der Bretone mochte das zwar nicht glauben, denn Heinrich von Bourbon war Hugenotte, und Papst Clemens VIII. hatte einen Bann über ihn verhängt, aber er verstand auch nichts von der nohen Politik und wollte sich auch nicht einmischen in etwas, das ihm nächstens ein Loch im Kopf, sonst aber nichts einbringen konnte.

      Das rechte Vorderrad des Frachtwagens rumpelte durch ein Loch, daß der dunkelhäutige Beifahrer mit dem Kopf gegen den ersten Spriegel stieß, der den Fahrerbock überschirmte.

      Der kleine Mann stieß einen Fluch aus, den der Bretone nicht verstand, und mit hartem Akzent fügte er böse hinzu: „Paß doch auf, du Tölpel!“

      Der Bretone nahm die Zügel auf und brachte die sechs schweren Percherons zum Stehen. Fast gelassen wandte er sich an den dunklen Mann neben sich.

      „Hör mal zu, du lausiger Spanier“, sagte er in seiner schwerfälligen und gemächlichen Aussprache. „Erst schickst du uns mitten in der Nacht auf unbekannte Nebenstraßen, und dann hast du noch die Frechheit, mir vorzuwerfen, daß ich im Dunkeln ein Loch in der Straße übersehe. Hier, nimm die Zügel und sieh zu, wie du selbst nach Rennes gelangst. Ich hab die Schnauze voll von deinem Gemeckere.“

      Von den beiden hinteren Wagen drangen leise Rufe zu ihm vor. Er kümmerte sich nicht darum. Ohne auf das plötzliche Gejammere des Spaniers zu hören, schwang er sich vom Bock des Wagens und ging an ihm vorbei zu den Männern, die hinter ihm hatten anhalten müssen. Er erklärte ihnen mit kurzen Worten, daß er keine Lust mehr habe, für ein paar Sous seinen Kopf hinzuhalten.

      Die beiden anderen Kutscher hoben nur die Schultern. Sie brauchten das Geld, das sie mit der Fahrt verdienten, für ihre Familien.

      Der Bretone verschwand in der Nacht.

      Der Spanier tauchte bei ihnen auf.

      „Wo ist der sture Kerl geblieben?“ fragte er.

      Der Kutscher des zweiten Wagens zuckte mit den Schultern und wies mit dem Daumen hinter sich in die Nacht.

      „Der ist weg“, sagte er. „Sie müssen den Wagen schon selber lenken.“

      Wieder fluchte der Spanier.

      „Wie weit ist es noch bis zur Mühle von Frigus?“ fragte er wütend.

      „Etwa zwei Stunden, wenn wir das bisherige Tempo durchhalten.“

      Der Spanier nickte.

      „Ich werde den ersten Wagen fahren“, sagte er. „Paßt auf, die Straße ist voller Löcher. Die zwei Stunden müssen wir noch hinter uns bringen, dann werden wir von einem Trupp Soldaten begleitet.“

      Der Kutscher nickte. Er wartete, bis der Spanier den ersten Wagen wieder in Bewegung gesetzt hatte, dann schwang er die Peitsche über die Rücken der Zugpferde und gab ihnen die Zügel frei.

      Polternd setzten sich die drei Wagen wieder in Bewegung und übertönten alle anderen Nachtgeräusche des Waldes.

      Zwei Stunden noch, dachte der Kutscher. Beljac ist ganz schön blöd, daß er auf seinen Lohn verzichtet, nur weil der Spanier ihn angemekkert hat.

      Er hörte neben sich aus dem Wald scharrende Geräusche und dann ein helles, metallisches Klirren. Als er sich umdrehte, die dunklen Gestalten erkannte, die zwischen den Bäumen auf die Wagen zuhuschten, und einen Schrei ausstoßen wollte, traf ihn ein Pfeil im Hals und tötete ihn auf der Stelle. Mit einem Röcheln ließ er die Zügel fahren und kippte zur Seite. Reglos blieb er mit dem linken Arm am Bremshebel hängen.

      Er hörte nicht mehr das Brüllen der Angreifer, die sich auf die Wagen stürzten und auch den Spanier und den Fahrer des letzten Wagens von den Böcken zerrten.

      Der Spanier schrie wie am Spieß. Er löste bei den wüsten Gestalten, die ihn umringten, nur grölendes Gelächter aus. Zwei bärenstarke Halunken hatten ihn an den Armen gepackt.

      Er hörte auf zu schreien und

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