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ja, wir brauchen dich nicht mehr.“

      „Gut, Grammont. Ich hoffe, wir sehen uns bald wieder.“

      „Ja, das hoffe ich auch.“

      „Adieu, Vangard“, sagte Pierre Servan lächelnd. Er war der Kapitän der „Antoine“ – groß, grauhaarig, schnauzbärtig und selten barhäuptig. Auch jetzt trug er seinen breitkrempigen Hut. „Oder soll ich lieber auf Wiedersehen sagen?“ fragte er.

      „Auf Wiedersehen, das ist mir lieber“, erwiderte Vangard grinsend. Dabei schob er die Hand in die Hosentasche und klimperte mit den Dukaten. Dann wandte er sich ab, verließ das Steinhaus, kletterte im Schutze des Daches in den Sattel des Falben und ritt davon.

      9.

      Der Hufschlag war noch nicht verklungen, da verließen die Piraten das Haus bereits durch die andere Tür, die sich zur See hin öffnete. Grammont trieb seine Männer zur Eile an. Arzot hatte das Feuer im Kamin löschen müssen, Ferret hatte rasch die Waffen zusammengesammelt, die in einer Ecke des Raumes gelehnt hatten, Musketen und Tromblons, die er jetzt im Dahinschreiten verteilte.

      Diese „Hornet“ und die zweite Galeone, die in der Bucht von Sillon de Talbert ankerten und fast auf sie zu warten schienen, waren für Yves Grammont und seine Kerle ein gefundenes Fressen. Für jedes Schiff, das er versenkte, kassierte der bärtige Anführer eine erkleckliche Summe Geld, egal, ob dieses Schiff nun Reichtümer an Bord hatte oder nicht.

      Die Waffen, die er seinen Prisen außerdem zu entnehmen pflegte, ließen sich hervorragend verkaufen. Er hatte seine festen Abnehmer dafür: Sie gingen durch die Hände der Spanier und wurden von diesen nach Rennes verkauft, an die Bourbonen. Somit unterstützte man nach Kräften Heinrich von Bourbon, der demnächst der neue König werden sollte, wenn alles nach Plan verlief.

      Nur etwa fünfhundert Yards weit brauchten die Piraten zu laufen, dann hatten sie die Bucht erreicht, in der ihre Schiffe vor Anker lagen. Sie hatten Glück, es regnete im Augenblick nicht mehr, ihre Waffen wurden nicht naß. Trocken brachten sie sie an Bord der Schiffe und verstauten sie hier sofort in den Lasten, so daß sie jederzeit einsatzfähig waren.

      Grammont hatte als erster eins der bereitliegenden Beiboote geentert. Jetzt ließ er sich von seinen Männern zu seinem Flaggschiff, der Dreimast-Galeone „Louise“ bringen.

      Auch die anderen Kerle machten ihre Boote flott, stiegen hinein und pullten zu den anderen Schiffen – zur „Petite Fleur“, der zweiten Galeone des Verbandes, und zu den beiden Karavellen „Antoine“ und „Coquille“. Sie wurden von den Ankerwachen erwartet und begrüßt, die Jakobsleitern waren bereits ausgebracht. Sie brauchten nur erstiegen und eingeholt zu werden.

      Grammont suchte unverzüglich das Achterdeck der „Louise“ auf, gab die erforderlichen Befehle und sah dann seinen Leuten zu – Arzot, Ferret und den anderen –, die sich hastig auf ihre Posten begaben, das Gangspill zu drehen begannen und die Segel aus dem Gei lösten.

      Auf den drei anderen Schiffen wurden die gleichen Vorkehrungen getroffen, und bald darauf lagen alle vier Schiffe zum Auslaufen bereit. Knatternd bauschte sich ihr Zeug vor dem rauhen, vom öden Küstenland herüberpfeifenden Südwind.

      Die „Louise“ setzte sich an die Spitze und geleitete ihr Gefolge aus der Einfahrt auf die offene See hinaus, wo sie die schwarzen, schäumenden Wogen empfingen. Der Tanz begann, die Schiffe stiegen die Wellen hoch und tauchten in Täler hinunter, als wollten sie darin untergehen, und oft holten sie so weit nach Backbord über, daß sie querzuschlagen drohten.

      Doch sie hielten sich in der schweren See und gingen mit schneller, rauschender Fahrt auf Ostkurs, in Richtung Sillon de Talbert.

      Die „Louise“ war etwas mehr als zweihundertfünfzig Tonnen groß und mit vierzehn Kanonen des 17-Pfünder-Kalibers bestückt. Die „Petite Fleur“, ebenfalls ein Dreimaster, war um ungefähr fünfzig Tonnen kleiner als Grammonts Schiff und verfügte nur über zwölf Geschütze.

      Die „Antoine“ und die „Coquille“ waren lateinergetakelte Zweimaster mit je acht Kanonen.

      Pierre Servan hatte wie üblich das Kommando über die „Antoine“ übernommen, Jean Bauduc führte die „Petite Fleur“. Der Kapitän der „Coquille“ war ein Mann namens Saint-Jacques. Dieser Saint-Jacques war einer der härtesten und unberechenbarsten Kerle aus Grammonts Meute. Seine Physiognomie war geprägt durch eine große, leicht gekrümmte Nase, tiefliegende Augen und einen verkniffenen Mund. Er hatte lichtes brünettes Haar und einen Bartansatz, der Vergleiche mit einem Stoppelacker zuließ.

      Jedes Schiff war mit über einem Dutzend Piraten bemannt, so daß sich eine Übermacht von fünfzig und mehr Kerlen der Ankerbucht der „Hornet“ und der „Fidelity“ näherte. Zwar hatten sie mit insgesamt zweiundvierzig Kanonen keine bessere Armierung als Hasard und Easton Terry, doch sie hatten die doppelte Anzahl an Schiffen und damit die besseren Angriffsmöglichkeiten und die größere Beweglichkeit.

      Und noch etwas hatte Grammont: das Überraschungsmoment war, wie er fest annahm, auf seiner Seite. Im Schutze der Felsen, die die Einfahrt der Bucht säumten, würde er sich anpirschen. Die Sicht war denkbar schlecht, es war so dunkel wie am Abend. Die Wetterverhältnisse waren seine Verbündeten – die Engländer würden ihn und seine Leute erst bemerken, wenn sie bereits mitten unter ihnen waren.

      Die Engländer saßen in der Falle.

      Rasch näherten sich die vier Piratensegler der Bucht, die Distanz betrug nur noch drei Meilen und schrumpfte schnell zusammen. Das Unheil bahnte sich an, der große Überfall würde noch am Vormittag stattfinden. Die Dinge nahmen ihren Lauf und ließen sich nicht mehr aufhalten. Wie würde das Gefecht enden?

      Der Regen peitschte wieder ihre Gestalten, doch sie hatten entsprechend vorgesorgt und sich dick vermummt. Dan O’Flynn und Bill kauerten auf der einen Seite der Einfahrt zwischen den Felsen und hielten zur See hin die Augen offen.

      Drüben, an der Ostseite, hatten sich Mulligan und Bingham versteckt. Alle vier sollten sie dem Seewolf und Easton Terry sofort melden, wenn sich auch nur ein harmlos wirkender Fischerkahn auf der See zeigte.

      „Glaubst du, daß die Hunde heute noch aufkreuzen?“ fragte Bill.

      „Darauf läßt sich schwer antworten“, erwiderte Dan. „Bislang haben wir ja keinen Menschen gesehen. Falls die Franzmänner hier irgendwo ihre Posten sitzen haben, sind diese schon sehr auf der Hut. Wir haben das Gebüsch am Ufer der Bucht abgekämmt und niemanden gefunden. Das will aber nichts heißen. Man kann sich dort sehr gut verstecken, und wir kennen uns schließlich hier nicht so aus wie daheim in Cornwall.“

      „Ja. Wie wär’s, wenn wir eine Wette abschließen würden?“

      „Ob die Bastarde sich zeigen oder nicht?“

      „Genau das. Ich setze einen Copper darauf, daß sie auftauchen, ehe die Mittagsstunde vorbei ist“, sagte Bill.

      „Das glaubst du wirklich?“ stieß Dan überrascht aus. „Du bist aber ein Optimist!“

      „Sag so was nicht. Es ist eher Pech, wenn wir Besuch von den Bretonen kriegen. Schließlich müssen wir uns dann mit ihnen herumschlagen.“

      Dan grinste. „Ja, aber sie erleben ihr blaues Wunder. Die denken nämlich, sie haben leichtes Spiel mit uns. Ruhig Blut, Bill, wir heizen denen schon tüchtig ein.“

      „So, wie wir es im Mittelmeer Uluch Alis Bande gezeigt haben?“

      „Genauso.“

      „Also los, ich lasse ein Achterstück springen“, sagte Bill grinsend.

      „Und ich halte zwei Piaster dagegen“, entgegnete Dan, der in seinen Taschen herumgekramt hatte. „Vor heute abend läßt sich hier keiner blicken, es sieht jedenfalls nicht danach aus.“

      Wenig später aber glaubte er auf See eine Bewegung zu bemerken und ließ sich von Bill das Spektiv geben. Er zog es auseinander, spähte eine Zeitlang hindurch, dann ließ er es wieder sinken, griff wortlos

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