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wahrscheinlich nur auf den Schultern trug, damit es ihm nicht in den Hals regnete.

      Ganz wohl schien er sich in seiner Rolle nicht zu fühlen, aber die Seewölfe beachteten ihn nicht weiter, obwohl sie ihn alle längst registriert hatten.

      „Der Nullinger hat ’ne Nase wie ’n Scheißhaus für Spatzen“, stellte Philip fachmännisch fest, darauf anspielend, daß der „Nullinger“ seine Nase ziemlich hochgereckt im Gesicht trug und die Nasenlöcher etwas reichlich himmelwärts wiesen.

      Die Zwillinge marschierten zum Kutscher, stopften sich ein paar knochentrockene, harte Erbsen in die Tasche und holten ihre aus Holunderstöcken gefertigten Blasrohre. Mit diesen handgefertigten Dingern hatten sie schon so manchen zur Raserei getrieben.

      Hasard junior ging hinter dem Schanzkleid in Deckung und placierte sich dicht am Speigatt auf den Planken. Dann füllte er sein Blasrohr mit Erbsen, blähte kräftig die Wangen auf und blies dem Nullinger eine Ladung knallhart ans rechte Ohr.

      Der Rest war ein zuckender Reflex, wie die Zwillinge zufrieden feststellten. Der Nullinger zuckte wild zusammen. Seine Hand fuhr hoch und klatschte aufs Ohr, als wollte er sich selbst kasteien. Dann feuchtete er Daumen und Zeigefinger mit Speichel an und hielt krampfhaft sein Ohrläppchen fest in der Annahme, von einer Wespe gestochen worden zu sein.

      „Jetzt eins auf seinen Gewürzprüfer“, sagte Jung Hasard.

      Philip nahm Maß, es geschah nur selten, daß er vorbeischoß, und setzte dem Nullinger die nächste Ladung prompt auf die Nase.

      Die Hand zuckte vom Ohr zurück und landete platschend auf der Nase.

      „Wenn das so weitergeht, schlägt er sich selbst tot“, sagte Hasard junior grinsend. „Jetzt ballern wir ihm noch eins auf die Klüsen, aber beide zusammen.“

      „Klar, wie ’ne Breitseite“, versicherte Philip freudig.

      Der Nullinger vollführte indessen recht seltsame Verrenkungen und hatte das enervierende Gefühl, in die Nahe eines Wespennestes geraten zu sein.

      Da stand dieser Tolpatsch an der Pier, schlug sich aufs Ohr, klopfte sich eins auf die Nase und fuchtelte mit der anderen Hand sinnlos in der Luft herum, um die vermeintliche Hornisseninvasion abzuwehren.

      Dann ging die lautlose Breitseite ab. „Auf die Klüsen“, wie Hasard gesagt hatte.

      Wäre dies ein Gefecht gewesen, so hätten die Zwillinge zweifellos mit ihrer Breitseite fachmännisch ein Schiff versenkt.

      Der Nullinger jaulte auf, als hätte ihn was gebissen. Voller Schmerz schlug er sich auf die Backbordklüse, dann erfolgte der Schlag auf die Steuerbordklüse, und dann hüpfte er jaulend von einem Bein auf das andere.

      Noch immer kam er nicht auf den Gedanken, daß hinter diesen Angriffen ganz ordinäre Erbsen steckten, er hatte nicht den geringsten Verdacht, zumal die Zwillinge unauffällig auftauchten und ebenfalls durch die Luft hieben, damit der Nullinger seinerseits nicht auf die Idee verfiel, es stecke jemand dahinter.

      Aber in seiner Panik sah er die Zwillinge gar nicht zusammen, sondern jeweils nur einen von ihnen.

      Die hatten jetzt ihre erfolgreichen Breitseiten abgefeuert und lachten Tränen. Auch die Arwenacks amüsierten sich köstlich, denn das englische Hafentänzchen, das der Kerl dort aufführte, wirkte mehr als komisch.

      „Jetzt müssen wir ihm eine Verschnaufpause lassen“, sagte Philip zu seinem Bruder.

      „Klar, er soll sich ja erholen.“

      Der Kerl auf der Pier rieb sich immer noch die Augen, bis das Brennen endlich nachließ. Mittlerweile hatte er seine Augen allerdings kräftig rot gerieben. Zwei Hände in Lauerstellung, stand er da, bereit, weitere Wespenangriffe sofort abzuwehren.

      Philip schickte eine weitere Wespe auf die Reise, während Hasard scheinbar desinteressiert am Schanzkleid lümmelte.

      Peng! Der Kerl schrie leise auf. Seine Hand klatschte vehement aufs rechte Ohr, und er verzog schmerzhaft das Gesicht. Gekrümmt ging er ein paar Schritte weiter und warf einen schnellen Blick auf die Galeone. Da sah er einen halbwüchsigen Knaben am Schanzkleid lümmeln und im Hintergrund mehrere Männer.

      Als er wieder hochblickte, staunte er nicht schlecht. Da stand dieser Lümmel doch ganz vorn auf dem Schiff und grinste ein bißchen. Der mußte ja mit Sturmgeschwindigkeit von vorn nach achtern gerannt sein, und zwar so schnell, daß man es gar nicht sah.

      Dieses merkwürdige Phänomen interessierte ihn trotz aller Schmerzen doch, und so glotzte er sich die Augen aus.

      Tatsächlich! Der Lümmel verschwand und war in der nächsten Sekunde schon wieder achtern, wo er ausgiebig gähnte.

      Teufel, hier ging etwas nicht mit rechten Dingen zu, daher wuchs seine Verblüffung von Sekunde zu Sekunde. Er riß das Maul auf und stierte das Schiff an. Dann fixierte er den Halbwüchsigen. Im selben Augenblick schloß sich sein Mund, und er schluckte im ersten Schmerz, denn in sein Eßzimmer war doch tatsächlich eine Wespe geflogen, und die hatte er auch noch verschluckt! Gleichzeitig stand der Bengel aber schon wieder vorn!

      Der Nullinger bekreuzigte sich angstvoll und blickte dem Bengel in die eisblauen Augen, die ihn besorgt musterten.

      „Passen Sie auf, Mister, hier gibt’s Wespen“, sagte er. „Hier muß ganz in der Nähe ein Nest sein.“

      „He! Wie machst du das?“ fragte der Kerl entsetzt. „Einmal bist du vorn und dann gleich wieder achtern.“

      „Ich kann zaubern“, versicherte der Bengel ernsthaft. „Meinen Vater haben sie deswegen auf dem Scheiterhaufen verbrannt, aber mich haben sie nicht gekriegt, hihi! Ich bin zu schnell, Mister. Paß mal auf!“

      Philip duckte sich hinters Schanzkleid und gab seinem Bruder Hasard mit der Hand ein Zeichen. Hasard richtete sich augenblicklich auf, während Philip sich faul auf die Planken legte, was der Kerl natürlich nicht sehen konnte.

      Der war jetzt so perplex und genervt, daß er zu zittern anfing.

      „Geht schnell, was?“ hörte er die Stimme des Bengels von weit achtern. „Paß auf die Wespen auf, Mister!“

      Philip feuerte grinsend durchs Speigatt die nächste Breitseite ab, die den Kerl wiederum am Ohr traf.

      Auf dem Achterdeck schüttelte der Bengel vorwurfsvoll den Kopf. Trotz der neuerlichen Schmerzen fixierte der Nullinger den Bengel und sah, daß der wieder hinter dem Schanzkleid verschwand. Sein schwarzhaariger Schädel war gerade verschwunden, da tauchte er schon im selben Augenblick wieder grinsend direkt vor ihm auf.

      „Zauberer!“ kreischte der Kerl angstvoll.

      Philip grinste hinterhältig.

      „Pscht“, sagte er und legte den Finger auf die Lippen. „Ich werde dir mal ein Zauberkunststückchen zeigen, Mister, da wackeln dir aber glatt die Ohren. Ich kann mich sogar verdoppeln, aber das geht nur für ganz kurze Zeit. Ich werde vorn und achtern gleichzeitig sein, und damit du nicht denkst, das sei ein fauler Trick, stecke ich mir einen Finger ins linke Ohr und reiße das Maul auf. Willst du das mal sehen, Mister?“

      „Das gibt es nicht“, ächzte der Mann fassungslos, den Burton zum Spionieren hergeschickt hatte.

      „Doch, das gibt es“, versicherte Philip. „Paß genau auf!“

      Der Kerl ging bibbernd ein paar Schritte zurück und glotzte. Dann sah er, wie der schwarzhaarige Kopf verschwand. Hastig bekreuzigte er sich schnell noch einmal. Dann geschah das Wunder. Nein, kein Wunder, das war Schwarze Magie, Zauberei, der Satan persönlich hatte hier seine Hand im Spiel.

      Vorn und achtern tauchten gleichzeitig Köpfe auf. Zwei völlig identische Köpfe, die gleichen Haare, die gleichen Augen, die gleiche schmale Nase. Jede der Gestalten hatte den Finger im linken Ohr und den Mund weit aufgerissen. Ihre eisblauen Augen starrten den entnervten Kerl ausdruckslos an.

      Dann nahmen sie den Finger aus dem Ohr, und als der Kerl vor Schreck laut aufstöhnte und eine Sekunde

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