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gar nichts an, vor sich hin starrte, war Mac Pellew. Er kramte mühselig in seinen Erinnerungen, und damit bewies sich zum zweiten Male, daß sie in ihm einen unentbehrlichen Helfer an Bord hatten.

      Mac richtete sich auf und blickte Ramsgate an.

      „Der Kerl mit dem grauen Bart“, sagte er, hellhörig geworden, „was trug der für Kleidung?“

      Ramsgate schabte sein Stoppelkinn und überlegte.

      „Einen hohen Hut, Kniehosen, weiße Strümpfe und ganz weiche Schuhe. Dann eine Lederweste mit einem Wams darüber. Dadurch wirkte er noch fülliger.“

      „Und sein Blick war stechend?“ vergewisserte sich Mac.

      „Ein, scharfer, durchdringender Blick. Beim Sprechen verzog er leicht den Mund.“

      Mac schlug sich mit der flachen Hand vor die Stirn.

      „Der Beschreibung nach“, sagte er überlegend, „kann das eigentlich nur Burton sein, der Halunke, von dem ich das Geld geliehen habe, das mir seine Kerle später wieder abnahmen. Das ist der verdammte Drecksack, der mich in den Schuldturm brachte. Klar, alles paßt haargenau zusammen.“

      „Und wer, bei allen guten Geistern, ist Burton?“ fragte Hasard.

      „Ein Wucherer und Halsabschneider, ein übler Gauner“, sagte Mac mit griesgrämigem Gesicht.

      „Das sagt mir auch nichts, verdammt noch mal. Burton, Burton“, wiederholte Hasard ungeduldig.

      Mac Pellew schien ihn gar nicht zu hören, er murmelte weiter vor sich hin, bis Carberry ihn bat, etwas lauter zu sprechen und nicht ständig zu brummeln.

      „Der andere müßte dann Bromley sein“, meinte Mac. „Die beiden Halunken stecken ja immer zusammen, wenn es etwas auszuhecken gibt. Bromley ist aber nicht aus Plymouth, der ist aus eurer Ecke, wo die Killigrews und die O’Flynns herstammen, aus Falmouth nämlich.“

      „Kennst du einen Bromley aus Falmouth?“ fragte Hasard den alten O’Flynn, der in Cornwalls Zipfel Gott und die Welt kannte.

      Old O’Flynn zog mindest ein ebenso grämliches Gesicht wie Mac Pellew.

      „Nie gehört, Sir, bei meiner Seele nicht. Wenn dieser Bromley aus Falmouth stammt, dann laß ich mein Holzbein mit Rosenblättern garnieren und freß es als Nachtisch.“

      „Ich habe ja nicht gesagt, daß er da herstammt“, meinte Mac grämlich, „ich habe nur gesagt, daß er von dort ist. Wie lange er da schon haust, weiß ich doch nicht. Vielleicht ist er irgendwann mal dahin gezogen.“

      „Jetzt sind wir genauso schlau wie am Anfang“, sagte Smoky. „Das wird ja immer geheimnisvoller.“

      In das allgemeine Schweigen platzte wiederum Mac.

      „Von Burton habt ihr sicher schon mal irgendwann gehört“, versicherte er. „Der war doch ganz früher mal Friedensrichter von Plymouth. Samuel Taylor Burton heißt er mit vollem Namen.“

      „Jetzt weiß ich, wo ich den Kerl schon mal gesehen habe!“ schrie Ramsgate. „Klar, der alte korrupte Burton! Jetzt fällt mir alles wieder ein, es ist aber schon lange her.“

      Hasard stand da, als hätte ihn der Blitz getroffen. Ben Brighton sah kopfschüttelnd in die Gegend und lachte stoßartig auf.

      „Das gibt’s gar nicht“, sagte er, „wenn du denselben Burton meinst wie wir, nein, der ist schon verdammt lange tot. Seit mindestens zehn oder zwölf Jahren, wenn nicht noch länger.“

      „Ich meine Samuel Taylor Burton, den ehemaligen Friedensrichter aus diesem lausigen Kaff“, beharrte Mac.

      „Den meine ich auch“, sagte Ben.

      „Na also, der ist es. Aber tot ist er nicht.“

      Wieder sahen sich alle eine Weile schweigend an. Hier standen anscheinend die Toten wieder auf, oder hier gingen Geister um.

      Doch auch das wußte Mac Pellew besser, und selbst Ramsgate bekräftigte ihn jetzt in seiner Aussage und nickte immer wieder, wenn Mac etwas sagte.

      „Ich kenne die Geschichte“, sagte Mac, und als er jetzt sprach, erinnerte er die anderen nur allzu deutlich an das alte Essigfaß aus alten Zeiten.

      „Burton sollte bestraft werden für das, was er damals getan hatte, ich weiß nicht genau, was das war, aber alle redeten davon. Doch er erlitt einen Schlaganfall und war jahrelang gelähmt. Er konnte nicht mehr laufen und nicht mehr sprechen. Dann genas er wieder und kehrte nach Plymouth zurück. Er wurde nicht weiter verfolgt, vielleicht konnte man ihm auch nichts beweisen, jedenfalls lebt er seither unbehelligt hier und geht irgendwelchen üblen Geschäften nach, unter anderem verleiht er Geld zu Wucherpreisen. Und der andere Kerl ist Mark Bromley; der war früher bei der Armee in London, wie man hörte. Der hat auch wegen irgendwelcher miesen Sachen im Tower gesessen, und zwar auf den Tag genau zehn Jahre lang. Dann wurde er entlassen und ging nach Falmouth. Aber seit knapp zwei Jahren sind die beiden Halunken wieder zusammen und besuchen sich gegenseitig.“

      Hasard fiel es jetzt wie Schuppen von den Augen.

      „Bromley“, sagte er leise, „Mark Bromley, der Tower-Hauptmann, der sich an unseren Schätzen bereichern wollte. Wir brachten damals den goldenen Anker nach London, und in der Nähe des Towers gab es eine fürchterliche Schlägerei. Entsinnt ihr euch nicht mehr?“

      Und ob sie sich entsannen! Die Vergangenheit wurde schlagartig wieder lebendig und stand auf. Jedem fiel das wieder ein, was vor etlichen Jahren geschehen war. Man hatte sie, als sie mit einer Schiffsladung voller Gold, Silber und Perlen nach London segelten, gedemütigt, schmählich behandelt und sich an den Schätzen vergriffen, die der englischen Krone zugedacht waren. Es war eine entwürdigende Ankunft in London gewesen, und es hatte Radau gegeben, daß die ganze Stadt wakkelte.

      „Jetzt werden mir die Zusammenhänge klarer“, sagte der Seewolf. „Bromley hat seine Strafe abgesessen und will sich rächen. Und dieser Burton will das ebenfalls und vermutet wieder riesige Schätze bei uns an Bord. So einfach ist das alles, man muß es nur wissen.“

      Ja, man mußte es nur wissen.

      5.

      Inzwischen hatten sie den alten Ramsgate nach Rame Head gebracht und dort in die Obhut verläßlicher Leute gegeben. Der Baumeister war durch nichts davon abzubringen gewesen, daß er zurückmüsse. Allerdings würden sie jetzt aufpassen, damit sich so etwas nicht wiederholte.

      Jetzt standen die Seewölfe an Deck und beratschlagten. Wenn man den Gegner erst einmal kannte, dann konnte man Vorsorge treffen und hatte einen größeren Vorteil, als wenn der Feind aus dem Hinterhalt agierte.

      „Weißt du, wo dieser Burton wohnt?“ fragte Hasard.

      „Nein, keine Ahnung, Sir“, sagte Mac.

      „Aber du hast doch Geld von ihm geliehen.“

      „Das war in einer Kneipe, in seiner Wohnung bin ich nie gewesen.“

      „Das herauszufinden dürfte nicht schwierig sein“, meinte Blacky. „Wir können ja beim dicken Plymson mal anklopfen.“

      Hasard schüttelte den Kopf.

      „Dann sind die Kerle gewarnt oder erfahren etwas, denn bei Plymson spricht sich ja alles schnell herum. Aber ich will die beiden Halunken haben, um …“

      Er sprach nicht weiter, als er Carberrys grinsendes Gesicht sah.

      „Was hast du denn wieder ausgeheckt, Mister Profos?“

      „Ramsgate sagte doch, daß immer ein Wächter nach ihm gesehen hat“, erwiderte Ed. „Meistens abends, was, wie? Jetzt ist es bald Abend, und wenn der Kerl dort antanzt, wird er keinen mehr vorfinden. Damit sind die Halunken aber gewarnt, wenn sie ein wenig Spuren lesen können.“

      „Sprich nur weiter, Ed“, sagte Hasard lächelnd. „Obwohl ich mir schon denken kann, was du vorhast.“

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