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wurde. Er sah schnell zum Ufer hin und schloß eine Sekunde lang die Augen. Dabei lief die „Isabella“ ganz geringfügig aus dem Kurs. Außerdem war hier der Schlauch zu Ende, das Fahrwasser verbreiterte sich, viele Inseln tauchten im Delta auf.

      „Hart Backbord!“ schrie der Seewolf, als er die Gefahr erkannte und die ranke Galeone sich beängstigend rasch einer der Inseln näherte.

      Von links drückte der Strom den Segler immer mehr zur Seite. Durch die Verbreiterung des Fahrwassers schwoll der Fluß beängstigend rasch an.

      Hasard war mit einem Satz am Ruder, um die sich anbahnende Katastrophe zu verhindern, denn dicht vor dem Bug wuchs eine der zahlreichen tückischen Sand- und Schlammbänke aus dem Amazonas, die sie schon mehr als einmal das fürchten gelehrt hatten.

      Hart wirbelte er das Ruder herum, bis es im Ruderlager auf Widerstand stieß. Der Seewolf versuchte, an der Schlammbank vorbeizusteuern, um Kurs auf die weit dahinter liegende Urwaldinsel zu nehmen.

      Dazu war es jetzt zu spät, das erkannte er klar und deutlich. Wäre die „Isabella“ unter voller Besegelung gefahren, hätte das Manöver sicher erfolgreich geendet. Hier reagierte sie zu träge.

      Ein ellenlanger Fluch drang über seine Lippen. Aus den Augenwinkeln sah er die verzerrten Gesichter seiner Leute, die die Hände ballten und Daumen drückten.

      „Fallen Anker!“ schrie er laut.

      Vielleicht gab es noch eine letzte Möglichkeit, überlegte er fieberhaft. Der Heckanker konnte die „Isabella“ aus dem Kurs reißen, wenigstens so weit, daß sie nur leicht mit der Steuerbordseite die Bank schrammte.

      Die Schlammbank war jedoch tükkischer, als er gedacht hatte. Als der Anker ins Wasser klatschte, ging ein winziger Ruck durch das Schiff. Ganz leicht hob sich der Bug aus dem Wasser, dann drückte er nieder, es kratzte und schurrte, und sofort verlor das Schiff ganz rapide seine Fahrt.

      Ein paar Sekunden später saß die „Isabella“ fest. Um den Rumpf herum blubberten Blasen, lehmgelb und schmierig sahen sie aus.

      Pete Ballie raufte sich die Haare.

      „Ich bin schuld daran“, jammerte er. „Ich hätte …“

      „Quatsch“, unterbrach ihn Hasard grob. „Niemand hat schuld daran, wir kennen das Fahrwasser zu wenig. Außerdem verändert es sich täglich. Fiert die Ankertrosse etwas nach!“ befahl er dann.

      Auch das half nicht mehr. Der Anker slippte durch den Schlamm, er hielt nicht. Immer mehr drückte der mächtige Strom das Schiff zur Seite, bis es fast quer zur Fahrtrichtung lag.

      Der Seewolf fluchte nicht oft, aber diesmal tat er es lange und ausgiebig, denn jetzt näherte sich das Unheil in Gestalt des schwarzen Seglers, der rasch heranglitt. Immer größer und mächtiger wurde der Bug des Schiffes. Keine Macht der Welt konnte es jetzt noch aufhalten.

      „Verflucht!“ schimpfte Ed Carberry in ohnmächtiger Wut. „Der Kasten rammt uns genau mittschiffs! Die haben noch gar nicht gemerkt, daß wir festliegen.“

      2.

      „Eiliger Drache über den Wassern“, wie der schwarze Segler hieß, tat seinem Namen alle Ehre an.

      Groß, mächtig und unverwüstlich glitt er eilig über den reißenden Strom, als könne nichts ihn aufhalten. Das pechschwarze Schiff rauschte wie ein Bote des Todes heran. Der schwarze Rumpf, die schwarzen Masten und die aufgegeiten schwarzen Segel ließen ihn unheimlich und fremd erscheinen. Beim bloßen Anblick des Schiffes duckte man sich unwillkürlich.

      Am Kolderstock stand der mächtige Wikinger, in rauchgraue Felle gehüllt. Er trug trotz der brüllenden Hitze seinen glänzenden Kupferhelm. Neben ihm wirkte Siri-Tong zerbrechlich, die jetzt die Augen zusammenkniff und nach vorn zur „Isabella“ blickte, die langsam aus dem Kurs scherte.

      Sie hatten gesehen wie der Affe an Deck gefallen war, und es war ihnen auch nicht entgangen, daß das verängstigte Tier einem Kaiman zum Opfer fiel, der es buchstäblich zerfetzte.

      „Gib acht, Thorfin“, sagte die Rote Korsarin. „Die Seewölfe legen Hartruder!“

      „Ich sehe es“, erwiderte der Wikinger ruhig. „Die weichen einer Sandbank aus. Verdammter Strom!“ setzte er hinzu.

      Danach überschlugen sich die Ereignisse, und jetzt hatte der Wikinger plötzlich alle Hände voll zu tun.

      Die „Isabella“ lief auf, drehte sich, schwoite herum, der Anker fiel. Sie versperrte einen Teil des Fahrwassers, genau an jener Stelle, wo der Fluß wieder zusammenlief.

      Nicht einmal der erfahrene Wikinger reagierte so schnell wie Siri-Tong. Sie erfaßte die Situation auf den ersten Blick, schob ihren schmalen Körper an den seinen und drückte nach, um den Druck auf den Kolderstock zu verstärken.

      „Hartruder, Thorfin!“ schrie sie.

      Thorfin Njal erkannte jetzt ebenfalls, was sich da anbahnte. Die „Isabella“ wurde scheinbar immer länger – und sie fuhren genau auf die Schiffsmitte zu.

      „Bei Odin und seinen Raben“, knurrte der riesige Mann. Seine mächtigen Fäuste drückten den Kolderstock mit einem Ruck herum.

      Gleichzeitig begann der Amazonas an dem Schiff zu schieben und zu zerren, als wolle er es direkt in die Galeone hineinlaufen lassen. Langsam, viel zu langsam fiel „Eiliger Drache über den Wassern“ ab und scherte aus dem Kurs.

      „Die Galeone ist aufgelaufen“, sagte Siri-Tong, „sie sitzt fest, Thorfin!“

      Fieberhaft überlegte sie, wie man den Seewölfen jetzt helfen könnte. Aber es gab nichts zu helfen, sie konnten bei dieser Windstille nicht wenden, und wenn, dann wäre es ein Manöver von mehreren Meilen geworden. Selbst wenn sie Anker warfen, half das nichts mehr. Sie konnten nur von Glück sagen, wenn sie mit der „Isabella“ nicht gleich zusammenstießen.

      Jetzt sah es ganz danach aus, als der Strom das Schiff immer mehr zur Seite versetzte.

      Der Wikinger gab keine Antwort. Die neue Situation war so schnell entstanden, daß es ihm die Sprache verschlug. Außerdem hatte er genug damit zu tun, das Schiff vorsichtig aus dem Kurs zu steuern.

      Auch an Deck des schwarzen Seglers hatte man verfolgt, was da passiert war. Insgeheim betete jeder der rauhen Gesellen darum, daß die beiden Schiffe nicht zusammenstoßen mögen, denn dann gab es hier Kleinholz und vielleicht ein paar Tote.

      Siri-Tong verschwand vom Achterdeck, flankte mit einem Satz in die Kuhl und stand bei dem Boston-Mann, dessen goldener Ohrring wild schlenkerte. Er hatte die Hände in Hüfthöhe geballt und bewegte sie unruhig auf und nieder.

      „Das schaffen wir nicht mehr“, sagte er rauh. „Es ist zu spät, um auszuweichen.“

      Thorfin Njal am Ruder schwitzte Blut und Wasser. Unter seinem Helm juckte und brannte es. Er hatte das ekelhafte Gefühl, als laufe dort ein ganzes Ameisenheer Amok.

      Der schwergebaute Mann sah nur noch einen allerletzten Ausweg, um die mittschiffs drohende Kollision zu verhindern. Er mußte die „Isabella“ hart anlaufen, dann Ruder legen und mit der Breitseite daran vorbeischeren. Daß die Bordwände sich dabei berühren würden, konnte nicht ausbleiben. Aber die Beschädigung würde nicht sehr groß werden.

      Zum Greifen nahe hing das Schiff jetzt vor ihnen, als der Wikinger Ruder legte. Auf der Galeone sahen sie seine mächtige, alles überragende Gestalt, die den Kolderstock bewegte, als sei er ein kleiner Knüppel.

      „Haltet euch fest!“ brüllte er mit Donnerstimme. „Paßt auf, daß keiner über Bord geht.“

      Siri-Tong hatte plötzlich eine Idee. Sie sah den Boston-Mann an, der immer noch die Hände geballt hatte.

      „Schnell, das starke Tau, Boston-Mann! Werft es hinüber, sobald wir an der ‚Isabella‘ vorbeischeren. Los, ihr anderen, willig, beeilt euch! Mit etwas Glück kann es uns gelingen, die Galeone herunterzuziehen. Wartet mit dem Festhalten,

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