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weiter und orientierte sich am Kurs der „Isabella“.

      Dan, der hoch oben im Großmars zusammen mit dem Schimpansen Arwenack saß, hob hilflos die Hände. Es war eine Gebärde, die dem Seewolf verriet, daß es Dan leid tue, er aber auch nicht wisse, wie das Fahrwasser weiter verlaufe.

      Das war immer eine der Stellen, die auch den müdesten der Seewölfe auf die Beine brachte. Jetzt reckten sie in der Kuhl alle die Köpfe, als das tückische Fahrwasser erreicht wurde.

      Schlagartig schob sich der Urwald zusammen.

      „Hahaha, Affenarsch, hahaha, was-wie!“ Ein wüstes Gezeter hob an. Es ertönte auf der Rahnock des Großmastes, auf der aufgeplustert Sir John, der karmesinrote Papagei, hockte, der dem Profos vor ein paar Wochen auf die Schulter geflogen war. Seitdem hatte er die „Isabella“ nicht mehr verlassen, und die meisten der Seewölfe hatten ihn als letztes Besatzungsmitglied längst integriert.

      Sir John hatte schnell gelernt und in erstaunlicher Eile Carberrys Flüche nachgekrächzt. Die schlimmsten Wörter gingen ihm runter wie Öl, die harmlosen kapierte er nicht, oder er vergaß sie rasch wieder. In dieser Beziehung war der karmesinrote Papagei mit dem vorlauten Schnabel wie ein junger Bengel. Je gröber die Wörter, desto leichter ließen sie sich merken.

      Er flatterte ein paarmal, dann reckte er seinen Hals und erhob sich in die brühwarme Luft. Wild mit den Flügeln schlagend, flog er in das Dikkicht und hockte sich auf einen Ast.

      „Den sind wir los“, meinte Carberry bedauernd. „Schade, und dabei konnte er fluchen wie ein – äh – ein …“

      „… wie ein Profos“, half der Seewolf nach. Er hatte jetzt jedoch keine Zeit, sich um Sir John zu kümmern, der reglos in dem dichten Blättergewirr hockte und der „Isabella“ wüste Flüche nachkrächzte.

      „Affenarsch, Kakerlaken“, tönte es grell aus dem Gewirr des Dschungels. Und dann wieder: „Hahaha, hahaha!“

      „Dieses Mistvieh“, sagte Matt Davies leise. „Jetzt haut es ab und verspottet uns noch!“

      Auch er schüttelte enttäuscht den Kopf, genau wie Dan, der dem großen Vogel mit Bedauern nachblickte und ihn lockte.

      Sir John wäre kein vollwertiges Besatzungsmitglied gewesen, wenn er sich so einfach empfohlen hätte. Die Seewölfe hatten es ihm nun einmal angetan, und nach einer knappen Minute flatterte er reumütig auf die Rahnock zurück. Von dort äugte er mit schiefgelegtem Kopf auf das Deck hinunter, ohne zu fluchen.

      Die Männer grinsten erleichtert, als sich Sir John seelenruhig sein Gefieder vornahm und es mit dem Schnabel durchkämmte.

      Die „Isabella“ gewann rasch an Fahrt, als sie auf das immer enger werdende Fahrwasser zuschoß. Es war wie ein Schlauch, rechts und links von geheimnisvoller Wildnis umgeben, die fast bis ans Schiff reichte. Prächtige Orchideen leuchteten aus dem Dschungel, riesige Aasblüten und Aufsitzerpflanzen verströmten einen betäubenden Geruch. Über allem aber hing brühwarm und dick wie eine Mauer die drückende Luft, die das Atmen zur Qual werden ließ.

      Vor der Bugwelle flohen Wasservögel, farbenprächtige flinke Tiere, die übers Wasser flitzten und sich krächzend in die Luft erhoben.

      Im Uferschlamm lagen Kaimane mit weit aufgerissenem Rachen und dösten vor sich hin.

      „Genau Strommitte halten“, sagte der Seewolf zu dem Rudergänger, der angespannt voraus blickte. Dort, wo der Schlauch breiter wurde, zeigten sich wieder Inseln, und für Pete Ballie sah es so aus, als würde der Urwald dort zusammenwachsen und die „Isabella“ genau hineinfahren.

      Er schwitzte noch stärker. Ganze Sturzbäche liefen ihm über den nackten Rücken, es biß und juckte, aber Pete getraute sich nicht, eine Hand vom Ruder zu lösen und sich ausgiebig zu kratzen. Er mußte höllisch aufpassen.

      Zu allem Überfluß irritierte ihn der Kutscher, der die Kombüse verlassen hatte, nun an Deck stand und aufgeregt mit den Armen fuchtelte. Er schien Smoky, dem Deckältesten, etwas zu erklären, aber der hob nur ratlos die Schultern.

      Ben Brighton sah dem Treiben eine Weile zu. Noch ein paar Männer gesellten sich zu dem Kutscher-Batuti, Luke Morgan und der alte Segelmacher Will Thorne. Immer wieder hieb der Kutscher wütend durch die Luft, dann ging er entschlossen zum Achterkastell.

      Der Seewolf konzentrierte sich so auf den Flußverlauf, daß er den Kutscher nur aus den Augenwinkeln bemerkte. Daher wandte sich der fluchende Mann an Ben Brighton.

      „In Zukunft wird das Essen etwas fader schmecken“, teilte er Ben mit. „Das wollte ich nur bemerken, falls später einer über mein Essen mekkert.“

      „Sind dir die Kakerlaken ausgegangen?“ fragte Brighton, ohne das Gesicht zu verziehen.

      „Die Ka … das ist ja wohl die Höhe“, schnaufte der Kutscher empört, der bei Sir Freemont gedient hatte und eine Menge von der Medizin verstand. „Das Salz ist es, Ben. Durch die hohe Luftfeuchtigkeit ist es zu einem häßlichen Brei zerlaufen. Den Mist kann ich wegschmeißen.“

      „Dann nimm Seewasser zum Würzen“, schlug Ben ungerührt vor. „Wenn du keine anderen Probleme hast, dann …“

      Der Kutscher sah aus, als wolle er Gift und Galle spucken.

      „Das Brot, das ich auf Vorrat gebacken habe, ist total verschimmelt und vergammelt. Wenn wir noch lange hier herumkrebsen, verfault mir selbst das Salzfleisch, die Bohnen quellen auf, und die Dörrpflaumen nehmen wieder ihre ursprüngliche Gestalt an. Was, zum Teufel, soll ich denn nur tun?“

      „Vor allem nicht fluchen“, sagte Ben Brighton. „Davon wird es auch nicht besser. Wirf das vergammelte Zeug über Bord. Salz kannst du selbst gewinnen, indem du Meerwasser verdunsten läßt.“

      Brightons Stimme war lauter geworden, denn jetzt zeterte, keifte und schrie es von beiden Ufern. Ein Höllenspektakel begann, und das alles krönte Sir John, der mit gesträubtem Gefieder auf der Rahnock hockte und wie verrückt kreischte.

      Den Seewölfen taten die Ohren weh von dem Konzert der Hölle.

      Als der Kutscher sauer zum Vordeck zurückging, streiften weit ausladende Äste die Mastspitzen der „Isabella“. Riesige Tausendfüßler fielen an Deck, die der Kutscher angewidert mit dem Fuß fortschleuderte.

      Selbst Arwenack stimmte noch in das Gezeter ein, das kein Ende zu nehmen schien. Gemeinsam mit dem Aracangapapagei kreischte er um die Wette.

      „Dieser Höllenspektakel geht mir allmählich auf die Nerven“, sagte Ben. „Ich bin froh, wenn …“

      Er konnte seinen Satz nicht beenden. Das Geschehnis am rechten Ufer lenkte ihn ab.

      Dort kreischte eine Affenhorde los, die sich wild prügelte. Sie flitzten die Baumstämme hoch, bissen sich gegenseitig, zeterten und schrien wie am Spieß. Einer, der auf einem dünnen Ast entlangturnte und von einem anderen verfolgt wurde, verlor das Gleichgewicht, schrie grell und landete sofort darauf auf dem Quarterdeck.

      Zeternd raste er los, als er die vielen Männer sah. Er flitzte in die Kuhl, rannte weiter und war, noch bevor jemand eingreifen konnte, mit einem wilden Satz über Bord gesprungen.

      Der Affe schwamm und schlug um sich, dabei kreischte er in höchster Angst. Er wußte, was hier im Fluß auf ihn lauerte, und deshalb wollte er die Strecke so schnell wie möglich hinter sich bringen.

      Auch die Seewölfe bedauerten den armen kleinen Kerl, den die nackte Angst weitertrieb, der die Zähne fletschte und dessen Augen angstvoll aufgerissen waren. Mit den Blicken folgten sie ihm, bis er sich kurz vor dem Ufer befand.

      Aus dem Gewirr von Schlamm, toten abgestorbenen Baumstämmen, modernden Pflanzen und faulen Ästen erhob sich träge ein Kaiman, als sich der Affe näherte. Seine Trägheit verschwand, der Körper wurde schnell und geschmeidig und glitt mit einem Satz ins schlammige Ufer.

      Bis der Affe die Gefahr erkannte, war es zu spät.

      Er stand noch auf allen vieren, als der große Kaiman zuschnappte. Starke Kiefer

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