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sich aus dieser Begegnung noch ergab, bestimmt war es besser, sich von vornherein nicht als Feind zu erkennen zu geben. Irland, auch ein erbitterter Gegner Englands, unterhielt beste Beziehungen zu dem Vereinigten Königreich Spanien-Portugal.

      „Ich habe Angst vor dir“, sagte der Jüngling mit erstaunlich heller Stimme. Er sprach jetzt ein nicht akzentfreies Spanisch.“

      „Warum hast du mich angegriffen?“ wollte Dan wissen.

      „Ich dachte, du würdest auf mich schießen.“

      „Du hättest dich von Anfang an anders verhalten können“, erwiderte Dan. „Warum hast du mich bespitzelt? Warum bist du davongelaufen? Ich mußte ja mißtrauisch werden. Was hast du hier überhaupt verloren, noch dazu bei einem solchen Wetter?“

      „Es ist Zufall, daß ich hier bin.“

      Dan lächelte spöttisch. „Hör mal, das mußt du jemandem erzählen, der sich die Hose mit der Kneifzange anzieht. Junge, ich glaube, ich nehme dich mit auf unser Schiff. Da kannst du unserem Kapitän deine Lügen auftischen.“

      „Ich bin kein Junge …“

      Was dann? wollte Dan O’Flynn aufgebracht fragen, aber er verkniff es sich, denn plötzlich war es ja offensichtlich. Mit einemmal fiel ihm auf, daß sich die Brustpartie des „Knaben“ erstaunlich hervorwölbte und daß „der Portugiese“ erheblich mehr Haar unter seiner Mütze tragen mußte, als es auf den ersten Blick den Anschein hatte.

      Sie standen sich im Regen gegenüber, zwei triefend nasse Gestalten, und ihre Blicke verfingen sich ineinander.

      Dan räusperte sich, dann meinte er: „Das wird ja immer schöner. Was hat denn ein Mädchen in einer Sturmnacht wie dieser auf den Klippfelsen zu suchen?“

      „Ich werde es dir sagen, ganz bestimmt.“

      „Weißt du was? Du scheinst ein hübsch ausgekochter Satansbraten zu sein, Querida.“

      „Ich heiße Segura.“

      „Also schön, Segura. Mein Name ist Dan. Wollen wir jetzt mit offenen Karten spielen oder nicht?“

      „Du bist kein Pirat?“ fragte sie zaghaft.

      „Nein. Soll ich es dir schwören?“

      „Nicht nötig“, erwiderte sie in kindlich wirkender Weise. „Laß mich jetzt meine Schwester rufen. Ich glaube, sie kommt um vor Angst.“

      „Was? Deine Schwester?“

      „Franca – sie hat sich zwischen den Felsen versteckt.“

      „Meinetwegen“, sagte Dan O’Flynn, der plötzlich doch daran glaubte, zuviel von dem von Hasard spendierten Whisky in sich hineingegossen zu haben. „Ich hoffe, dein Schwesterlein schießt mich nicht über den Haufen und sticht mir auch kein Messer in den Leib“, fügte er hinzu.

      Segura steckte zwei Finger in den Mund und stieß einen grellen Pfiff aus. Keine halbe Minute verstrich, und eine noch zierlichere Gestalt löste sich aus der Dunkelheit und aus dem Grauschwarz der häßlichen Felsen.

      Eine kindliche Schönheit, die Segura stark ähnelte, aber noch nicht ihre weiblichen Reize hatte. Franca trat neben ihre Schwester, richtete ihren feindseligen Blick auf den jungen Mann und hielt sich an Seguras Arm fest.

      „Das wird ja immer besser“, stammelte Dan O’Flynn. Verdammt, warum stammelst du eigentlich? fragte er sich ärgerlich. Er leckte sich die Lippen, um das trockene Gefühl loszuwerden, das plötzlich in seinem Mund spürbar wurde. Er suchte nach Worten, aber Segura und Franca wichen jetzt einen Schritt zurück. Sie hatten sein hastiges Zungenspiel völlig falsch ausgelegt.

      „Du gieriger Hund“, stieß die halbwüchsige Franca aus. „Bilde dir ja nicht ein, du könntest uns mißbrauchen. Zu zweit sind wir stark, verstanden?“

      Sie sprach reines Protugiesisch, aber Dan hatte trotzdem keine Schwierigkeiten, sie zu verstehen. Er holte tief Luft, fuhr sich mit der Hand übers Kinn und rief dann: „Ihr habt sie wohl nicht mehr alle! Glaubt ihr, ich sei derart heruntergekommen und verwildert, daß ich mich an – an zwei Bohnenstangen wie euch vergreife?“

      Bohnenstangen, das Wort beleidigte die hübsche schwarzhaarige Segura zutiefst. Sie blickte zu Boden, während ihre kleine Schwester den Fremdling weiterhin zornig anfunkelte.

      „Wie alt seid ihr eigentlich?“ erkundigte sich Dan.

      „Dreizehn und siebzehn“, gab Franca zurück. „Aber das geht dich einen Dreck an.“

      „Warum verrätst du es mir dann?“ Dans Mundwinkel zuckten amüsiert.

      „Ich könnte mir auf die Zunge beißen, daß ich es getan habe“, zischte die kleine Amazone. „Aber mehr erfährst du nicht, du Hundesohn. Komm her und kämpfe, wenn du Mut hast. Wir verteidigen unsere Ehre, nicht wahr, Segura, unsere Ehre …“

      „Hör auf“, sagte Segura.

      Dan wollte energisch werden, aber in diesem Moment ertönte hinter ihm Matt Davies’ Stimme.

      „Dan, wo steckst du Himmelhund denn bloß? Bist du von allen guten Geistern verlassen? Hölle und Teufel, wie kannst du so ganz allein durch den Sturm krauchen und dich so weit von unserem Stützpunkt entfernen? Weißt du, was ich glaube, Dan O’Flynn?“

      Dan drehte sich um und sagte: „Sag’s mir, Matt.“

      Matt Davies blieb wie vom Donner gerührt zwischen zwei Felsblöcken stehen. Er hatte jetzt die Sicht frei auf Dan und die beiden Mädchen. „Ich, äh – ich bin der Meinung, du hast zuviel Whisky gesoffen“, stieß er verblüfft hervor.

      „Ja, ich fühle mich auch so richtig betrunken, Matt.“

      „Das da – ist das eine Hallu … eine Hallu …“

      „Nein, es ist keine Halluzination“, entgegnete Dan. Er sah sich wieder zu den Mädchen um und stellte fest, daß Segura sich jetzt ihrer Mütze entledigt hatte – trotz des Regens. Langes schwarzes Haar fiel in lockiger Pracht auf ihre Schultern hinab.

      „Ich verstehe nicht, was ihr auf englisch redet“, sagte sie mit verkniffener Miene. „Aber ich bin bereit, dir zu zeigen, was die ‚Bohnenstange‘ zu bieten hat, Fremder. Ich lasse mich von dir nicht beleidigen.“

      „Allmächtiger“, stotterte Matt, der wie jeder Seewolf des Spanischen mächtig war. „Himmel, nein, bei allem, äh – Wohlwollen, laß deine Bluse auf dem Leib, Senorita.“

      „Also, das wird ja immer verzwickter“, sagte Dan. „Segura und Franca, wollt ihr jetzt endlich mit der Wahrheit rausrücken, was ihr hier tut, oder müssen wir tatsächlich zu drastischeren Mitteln greifen?“

      Segura sah zu Matt. „Ihr seid keine Piraten, Ire?“

      Matt schaute Dan an, verstand dessen Zeichen und schüttelte den Kopf. „Kauffahrer aus Dublin, die zwar dem Teufel ein Ohr absegeln, sonst aber nichts Arges tun.“

      „Bringt uns zu eurem Kapitän“, sagte das Mädchen.

      Alvaro Monforte hatte wieder das Bewußtsein verloren. Innerlich hatte er mit seinem Dasein abgeschlossen, als er sich der neuen Situation bewußt wurde, in der er sich befand.

      Die Nässe umgab ihn, hüllte ihn ein, ließ ihn zittern. Irgendwo weiter unten war das Donnergrollen der Brandung. Als der Kapitän den Kopf hob und Augen und Mund öffnete, stob Gischt in seinen Mund. Er spuckte aus, schüttelte sich, klammerte sich dann aber entsetzt fest, weil er abzurutschen drohte.

      Verzweifelt schaute er sich um.

      Er lag bäuchlings auf einem gewaltigen Felsen, einem Brocken mitten in der Sturmbrandung unweit des eigentlichen Ufers. Mächtig und drohend ragten die Klippen in die Nacht auf. Sie waren stumme Riesen, die sich jeden Augenblick auf den Schiffbrüchigen stürzen konnten.

      Trugbilder gaukelten an Monfortes geistigem Auge vorbei. Sie zehrten an den Nerven des zerschundenen Mannes und ließen ihn

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