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Finger, du Blödmann!“ entgegnete der Kutscher. „Denn Kaviar vom Hausen ist das Köstlichste vom Köstlichen, und man sagt ihm nach, daß er die Manneskraft fordere und die Geisteskraft steigere. Aber keiner zwingt dich, davon zu essen. Von mir aus friß deine Schuhsohlen und sieh selbst zu, wie du satt wirst. Mir ist das doch piepe, du verdammter Mecker-Philipp!“

      Der Kutscher rannte offene Türen ein. Der Profos hörte schon gar nicht mehr hin – die „Manneskraft“ war das Zauberwort gewesen, und er hatte zugelangt. Von dem Moment an schaufelte er buchstäblich Kaviar in sich hinein und stöhnte vor Behagen. Und als Hasard für jeden Mann ein paar Daumenbreiten Wodka freigab, kannte des Profosen Wonne keine Grenzen.

      „Was geht’s uns wieder gut, Leute!“ tönte er lauthals. „Ich hab’s ja gleich gesagt: das Beste am Stör ist der Kaviar! Dagegen sind lausige Heringseier die reinsten Pickel und schmecken rauf wie runter!“ Und strahlend schob der Profos eine weitere Ladung nach, über daumendick auf die Röstscheibe gepackt, die er krachend zermalmte.

      Der Kutscher konnte nur noch den Kopf schütteln.

      Am Nachmittag dieses Tages umsegelte die Dubas das Kap Emine und stieß mit Südwest-Kurs in den Golf von Burgas vor. Jetzt lag sie platt vorm Wind, das vordere Lateinersegel nach Backbord und das achtere Lateinersegel nach Steuerbord ausgebaumt wie die Schwingen eines Riesenvogels. Sie lief rauschende Fahrt.

      Hasard war gespannt, wohin der Kurs führte. Eine größere Ortschaft an der Küste auf Steuerbord hatten sie noch nicht passiert. Bisher hatte die Küste fast genau einen Nord-Süd-Verlauf gehabt. An dem Kap war sie scharf nach Westen abgebogen, dann nach Südwesten. Es war klar geworden, daß sie in einen Golf segelten. In der Regel – das war eine Erfahrung der Arwenacks – bot sich in der Tiefe eines Golfs immer ein günstiger Platz an, wo man einen Hafen angelegt und eine Siedlung gegründet hatte.

      Es konnte auch sein, daß dort ein Fluß mündete, der im Lauf von Jahrtausenden die Küste in einen Trichter verwandelt hatte. Vielleicht befand sich ganz hinten im Westen des Golfes sogar jene Verbindung zum Mittelmeer, die sie suchten. Das waren natürlich Spekulationen.

      Hasard spähte zum Vorschiff der Dubas. Dort stand am Bug Old Donegal, beschattete mit der Rechten die Augen gegen die im Südwesten stehende Sonne und starrte voraus. Dann schüttelte er den Kopf, zog sein Spektiv aus dem Gürtel und setzte es ans rechte Auge.

      „Jetzt hat er was entdeckt“, sagte Dan O’Flynn neben Hasard. Er hatte seinen Alten ebenfalls beobachtet.

      Hasard seufzte. „Hoffentlich keinen Wassermann.“

      Es war kein Wassermann.

      Old Donegal drehte sich halb um und rief nach achtern: „Voraus Fischerboote!“

      „Na bitte“, sagte Dan, „kein Wassermännchen oder was Hübscheres mit Fischschwanz und rundem Busen.“

      Stenmark, der die Ruderwache ging, fragte: „Kurs beibehalten, Sir?“

      Die Frage war berechtigt, denn Vorsicht war die Mutter der Porzellankiste. Es konnten auch keine Fischerboote sein oder Boote, die sich nur als solche getarnt hatten und dann als was anderes entpuppten, zum Beispiel als die Fahrzeuge von Küstenwölfen.

      „Auf Kurs bleiben, Sten“, sagte Hasard. „Wenn es Fischer sind, dann erfahren wir vielleicht etwas über diesen Golf und den weiteren Verlauf der Küste.“

      „Aye, Sir, auf Kurs bleiben“, sagte Stenmark.

      „Und wenn es keine Fischer sind?“ fragte Dan O’Flynn.

      „Dann haben wir Pech gehabt“, erwiderte Hasard. „Was soll’s! Wir müssen eben jede Gelegenheit wahrnehmen, um etwas über dieses Meer in Erfahrung zu bringen.“

      Dan O’Flynn nickte und brummelte: „Wird auch lausig Zeit.“

      „Nervös?“

      „Das nicht, eher kribbelig. Diese Küstenschleichfahrt geht mir allmählich auf den Geist.“

      „Ist aber die einzige Möglichkeit, den Durchschlupf ins Mittelmeer zu finden“, sagte Hasard.

      „Und wenn’s keinen gibt?“

      „Dann haben wir noch mal Pech gehabt“, entgegnete Hasard lakonisch. „Aber wo Fischerboote sind, da muß es auch eine Ansiedlung geben. Da können wir zumindest unseren Proviant ergänzen und weiterfragen.“

      „Hoffentlich.“ Dan O’Flynn schien skeptisch zu sein, was sonst nicht seine Art war.

      Immerhin wurden die gesichteten Boote jetzt deutlicher. Es waren Fischerboote, sie fischten mit Schleppnetzen, das war klar zu erkennen.

      Soweit, so gut. Die Dubas hielt auf sie zu. Und dann wurden sie gesichtet. Ein Mann in einem der Boote brüllte etwas, gestikulierte und deutete erregt zu dem Zweimaster mit den ausgebaumten Segeln.

      Wieso erregt?

      Auch die anderen Köpfe fuhren herum und starrten zu dem Segler. Was dann folgte, konnte man nur mit hektischer Betriebsamkeit bezeichnen. Auf zwei Booten holten sie wie die Irren die Netze ein, auf einem wurden die Schleppleinen einfach gekappt, drei andere Boote drehten nach Süden ab – sie waren unter Segeln und wurden jetzt zusätzlich gepullt.

      „Sieht nicht so aus, als sei man über uns entzückt“, sagte Dan O’Flynn.

      „Hm.“ Das war alles, was Hasard äußerte.

      „Vielleicht sollten wir zu erkennen geben, daß wir nichts Übles von ihnen wollen“, sagte Dan O’Flynn.

      Hasard grinste. „Und wie willst du ihnen das mitteilen? Vielleicht eine Bibel hochhalten, oder was?“

      „Man könnte freundlich winken.“

      „Dann wink mal freundlich. Vielleicht solltest du auch ‚Ju-hu‘ rufen“, empfahl Hasard. Er grinste immer noch, woraus hervorging, was er von dem freundlichen Winken hielt, nämlich gar nichts.

      Aber Dan trat ans Backbord-Schanzkleid und winkte. Er winkte mit beiden Armen und ließ die Hände flattern. Eine entfernte Ähnlichkeit mit Sir John – wenn der mit den Flügeln schlug – war nicht zu verkennen. Die Mannen grinsten.

      Die Antwort erfolgte prompt, und sie war auch wenig freundlich. Man hielt wohl nichts von einer Anbiederung.

      In einem der drei Boote, wo man die Netze einholte, bückte sich ein Mann und förderte einen Schießprügel zutage, ein ziemliches Ding von Schießprügel, eine Donnerbüchse, die der Kerl auf eine Gabel auflegte.

      „Der wird doch wohl nicht“, sagte Carberry erzürnt.

      Und da krachte auch schon der Schuß. Vielleicht hatte der Kerl auf Dan gezielt, der immer noch winkte. Aber die Kugel zischte über den Schädel von Carberry und hätte ihm einen feinen Scheitel gezogen, wenn er nicht etwas in die Knie gegangen wäre.

      „Du Affenarsch!“ röhrte der Profos zornerfüllt. „Ich habe doch gar nicht gewinkt!“ Das war nun ziemlich unlogisch, aber vielleicht hatte der „Affenarsch“ Dans Winken als Drohgebärde aufgefaßt.

      Immerhin war die Gabel beim Schuß einem anderen auf die Füße geflogen, und der Schütze selbst betastete seine Wange, denn da hatte er vom Kolben eine gewischt gekriegt. Das hielt ihn nicht davon ab, die andere Faust zu schwingen und zu der Dubas etwas hinüberzubrüllen, das nicht so klang, als sei es eine herzliche Begrüßung.

      Philip junior übersetzte sofort. „Scheint ’n Türke zu sein – der Sprache nach. Er verflucht uns in den finstersten Schlund der Hölle und wünscht uns die Pest an den Hals. Außerdem nennt er uns stinkende Ratten, schmutziges Gesindel und Abschaum der Menschheit.“

      Wenn es nach Carberry gegangen wäre, dann hätte es jetzt eine handfeste Keilerei gegeben – längsseits gehen und drauf!

      Aber Hasard ließ das achtere Lateinersegel nach Backbord übergehen und etwas anluven, um sich von den Booten deutlich abzusetzen. Weil von der Dubas keine Reaktion erfolgte, wurden die Fischer offenbar mutiger. Jedenfalls schimpften sie

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