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wagst du?“ Ebel Schachnam begann vor Zorn zu beben. Er wollte Güner anblicken, hielt es aber für besser, das Mädchen nicht aus den Augen zu lassen. Schon wieder unternahm sie den Versuch, zur Seite wegzukriechen. Er verbaute ihr den Weg.

      „Ich will die Hälfte von dem Wein haben“, erklärte der Kurde. „Und wenn du das Frauenzimmer gehabt hast, kriege ich es.“

      „Das könnte dir so passen!“

      „Was willst du noch mit ihr, wenn du nachher schläfst?“ fragte Güner herausfordernd.

      Ebel Schachnam bezwang seinen Zorn. „Meinetwegen, einverstanden. Aber beeil dich. Ich will dieser Hure den Teufel austreiben.“

      Güner verschwand mit den Worten: „Einen guten Rat gebe ich dir. Feßle sie, sonst haut sie doch noch ab.“

      Dann war er draußen und hastete durch den Dattelwald zu der Stelle, an der Ebel und er einen großen Krug Wein vergraben hatten. Die Horde durfte davon nichts wissen.

      Erstens verbot der Koran den Genuß von Alkohol. Ebel Schachnam war das egal, aber es gab einige Kerle, die gläubige Moslems waren und in ihrem Anführer in jeder Hinsicht ein Vorbild haben wollten. Zweitens würden diejenigen, die nicht an Allah und den Propheten glaubten, Güner den Krug entreißen, sobald er sich damit zeigte. Und hätten sie etwas von dem Versteck gewußt, dann wäre der Krug längst von ihnen ausgegraben worden.

      Ebel wandte sich dem Mädchen zu. Aber er dachte: dieser Güner, dieser dumme Hund, wird auch immer frecher. Bei nächster Gelegenheit werde ich ihm einen Denkzettel verpassen, den er so schnell nicht wieder vergißt.

      Das Mädchen rückte von Ebel Schachnam weg, bis es mit dem Rücken gegen die Hüttenwand gepreßt dahockte. Wieder schrie sie und schleuderte ihm Worte in ihrer Sprache entgegen, die alles andere als Liebkosungen und Schmeicheleien zu sein schienen.

      „Du Kröte“, sagte der Bärtige. „Dir werde ich beibringen, wie man sich vor Ebel Schachnam benimmt.“

      Sie spuckte und kratzte, als er sich ihr näherte.

      Ebel gab ihr noch eine Ohrfeige, dann brüllte er: „Auf die Knie! Verneige dich vor mir, du Giaurhure!“

      Güner schlich mit dem Weinkrug in den Händen von hinten, im Schutz des Dattelwaldes, auf die Häuptlingshütte zu. Als er hörte, was Ebel schrie, mußte er leise lachen. Was für ein Narr der Kerl doch war. Das Mädchen verstand ihn nicht. Im übrigen hätte sie sich nie und nimmer vor ihm auf den Bauch geworfen.

      Am Feuer standen die Kerle mit erhobenen Köpfen zusammen und blickten zur Hütte ihres Anführers. Wie würde es weitergehen? Auf was wartete Ebel Schachnam noch? Warum ließ er das Weibsbild nicht einen Veitstanz aufführen, indem er sie mit seiner Peitsche züchtigte?

      Kurzum, alle waren so beschäftigt und neugierig, daß sie das Nahen der beiden Männer nicht bemerkten, die schon eine Weile das Piratenlager beobachteten.

      Diese Männer waren ein merkwürdiges Duo. Der eine saß auf einem klapprigen Gaul, der jeden Moment zusammenzubrechen drohte. Der Mann steckte in einer Ritterrüstung aus vergangenen Zeiten, und er führte Schild und Schwert als Waffen bei sich.

      Der andere war ein Riese, so groß wie breit. Nur wenig weißes Haar wuchs auf seinem flachen Schädel, seine Augen verbargen sich unter dicken Wülsten. Seine Unterlippe war etwas vorgeschoben, seine Nase erinnerte an eine kurze, verformte Gurke. Seine Kleidung bestand aus einem zottigen Tierfell.

      Die Schachnamkerle waren wie hypnotisiert. Sie starrten nur noch auf die Häuptlingshütte. Jeden Moment, so erwarteten sie, würde das Teufelsweib herausspringen, nackt und kreischend. Ebel würde sie mit seiner Peitsche vor sich hertreiben. Ein Bild, das man genießen würde!

      Wieder schrie das Mädchen in der Hütte.

      Dann geschah es. Der Reiter war plötzlich mitten unter den Kerlen und hieb mit seinem Schwert um sich. Der Riese lief geduckt auf die Anführerhütte zu.

      „Hol sie heraus!“ schrie der Ritter. „Rette sie!“

      Aber nur der Riese verstand seine Worte, denn er bediente sich der holländischen Sprache, die in diesen Breiten sonst niemand kannte.

      Die Flußräuber sprangen fluchend auseinander. Nur allmählich griffen sie zu ihren Waffen. Sie waren benommen und wie aus einer tiefen Trance erwacht. Und nun noch dieser Schreck!

      „Ein Dämon!“ schrie einer von ihnen.

      „Das sind Höllenteufel!“ brüllte ein anderer.

      Haschira versuchte immer noch zu grinsen, aber es gelang ihm nicht. Die Kerle rannten hin und her und versuchten, den wilden Schwerthieben des Ritters zu entgehen. Die Pferde der Piraten wieherten wie verrückt und stiegen mit den Vorderläufen auf.

      Der Riese, der aus dem Dunkel aufgetaucht war, stürmte in die Häuptlingshütte. Ebel Schachnam heulte wie ein Wolf, aber es nutzte ihm nichts. Der Riese fegte ihn mit einer einzigen Bewegung um. Seine Faust traf Ebels Brust, Ebel landete in einer Ecke.

      „Komm“, sagte der Riese. Er half dem Mädchen auf, und sie verließen die Hütte.

      Ebel Schachnam hörte seine sämtlichen Knochen knacken. Er stöhnte. Dann verlieh ihm die Wut neue Kräfte. Er sprang auf und raste den Fliehenden nach.

      Güner, der Kurde, ließ vor Schreck den Weinkrug fallen, als er das Trio flüchten sah. Tatsächlich wirkten die drei wie Wesen der Finsternis, des Jenseits, wie sie sich in die Büsche schlugen und im Dattelwald untertauchten. Einen solchen Spuk hatte auch der Kurde nie zuvor erlebt. Er begann, an seinem Verstand zu zweifeln.

      Alles war blitzschnell gegangen. Die Flußräuber glaubten noch das Schwert pfeifen zu hören und duckten sich, damit sie nicht getroffen wurden. Aber schon waren die beiden Gespenster mit dem Mädchen auf und davon.

      „Dämonen!“ krächzte ein Kerl. „Sie haben ihre Teufelin befreit!“

      „Haltet eure Schnauzen!“ brüllte Ebel Schachnam. „Packt sie! Laßt sie nicht entwischen!“

      Die Kerle griffen nach Pfeil und Bogen und schauten sich nach allen Seiten um. Aber es gab niemanden mehr, auf den sie schießen konnten. Sie waren weg – schienen sich in Luft aufgelöst zu haben.

      „Hinterher!“ brüllte Ebel, der Bärtige.

      „Wohin?“ keuchte Haschira.

      Ebel Schachnam trat ihm mit voller Wucht in den Hintern. „Da lang, du Dummkopf!“ Ebel wies zum Dattelwald. Als der Riese und die Blonde dort wie Schemen untergeschlüpft waren, hatte er gerade noch ihre Gestalten erkennen können.

      Die Meute setzte sich in Bewegung und nahm die Verfolgung der Ungeheuer, wie sie die drei Fremden nannten, auf.

      „Wir kriegen sie noch!“ stieß Haschira hervor. „Weit können sie nicht sein! Und der Gaul bricht jeden Moment zusammen!“

      Güner stieß zu Ebel. Sie liefen hinter der Horde her.

      „Das kann nicht sein!“ zürnte der Anführer. „Das ist ja wie verhext!“

      „Es ist eine schlechte Nacht“, sagte Güner im Laufen.

      „Ach, sei still! Wo ist der Wein?“

      „Ich habe den Krug fallen lassen.“

      „Und?“

      „Der Wein ist ausgelaufen“, erwiderte der Kurde.

      Ebel Schachnam stieß einen pfeifenden Laut aus, der so ähnlich klang, als habe jemand einen Dolch in einen luftgefüllten Ziegenbalg gestoßen. „Das wirst du noch bereuen!“

      „Es ist nicht meine Schuld“, beteuerte der Kurde.

      Sie rannten und rannten und holten die Meute ein. Ebel Schachnam setzte sich an die Spitze, wie es sich für einen Häuptling gehörte. Aber das führte auch zu nichts. Es war immer noch so dunkel, daß sich einige Kerle glatt die Köpfe an den Dattelbäumen stießen. Sie fluchten und stöhnten,

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