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wandte sich zu ihm um und lachte.

      „Halte mich nicht für zu anhänglich! So ein hilfloses Huhn bin ich nun auch wieder nicht. Ich habe dein Schiff in den letzten Tagen nur von Bord aus gesehen. Ich möchte mich wenigstens daran erinnern können, wie es außen herum aussieht. Das ist alles. Kein Schmerz, keine Wehleidigkeit.“

      Don Juan lächelte. Alle an Bord hatten die intelligente junge Frau in den zurückliegenden Tagen schätzen gelernt.

      Hasard legte den Arm um Günels Schulter, und sie gingen stadtwärts. Der Trubel des Hafens und des Bazars nahm sie auf, und Günel war vollauf damit beschäftigt, den beiden Männern von der „Santa Barbara“ alles über die Stadt zu erklären, in der sie beschlossen hatte, zu leben.

      Das Kontorhaus ihrer Freunde befand sich in unmittelbarer Nähe des Bazars. Ein Kaufmannsgeschäft, das nach Maßstäben geführt wurde, wie sie auch in Europa gang und gäbe waren. Der Einfluß holländischer und portugiesischer Handelsleute, die sich auch in diesem Teil der Welt immer häufiger niederließen, war unverkennbar.

      Nachdem sich die Wiedersehensfreude gelegt hatte, kamen Hasard und Don Juan nicht daran vorbei, sich von Günels Freunden bewirten zu lassen. Bei dieser Gelegenheit erfuhren die beiden Männer auch, wo sie Informationen über Handelswege und Schiffahrtsrouten erhalten konnten.

      Ein alter Mann namens Abdul Mazin war es, der in einer der Seitengassen lebte, die vom Bazar abzweigten.

      Hasard war froh, daß der Abschied von Günel so einfach und problemlos abgelaufen war.

      „Das hätte anders ausgehen können“, sagte er erleichtert, während sie sich durch das schnatternde Gewühl des Bazars ihren Weg bahnten. „Ich kann von Glück reden, daß Günel so viel Verständnis für einen hat, der nur auf Seebeinen stehen kann.“

      Don Juan lachte.

      „Nimm es als einen Akt auf Gegenseitigkeit“, sagte er. „Vergiß nicht: Du hast ihr letzten Endes auch ermöglicht, nach Kuweit zurückzukehren. Allein hätte sie das doch niemals geschafft. Nicht ohne deine, nicht ohne unsere Hilfe. Aus Üzürgüls Klauen wäre sie nie im Leben entwischt.“

      „Ich weiß“, entgegnete Hasard und nickte. „Aber es ging eben nicht nur um die Frage der Befreiung. Es war mehr im Spiel, Juan.“

      „Das verstehe ich gut“, sagte der Spanier ernst. „Günel ist eine Frau, die man auf ein Ehrenpodest stellen und von morgens bis abends bewundern könnte.“

      „Das würde ihr kaum gefallen. Von Schmeichelei hält sie nämlich gar nichts.“

      „Nein“, erwiderte Don Juan und lachte. „Das kann ich mir vorstellen. Außerdem hat sie diese Art von Humor, die es einem erleichtert, über sonst schwierige Fragen mit ihr zu sprechen. Stimmt’s?“

      „Haargenau erkannt.“

      „Es ist ein Jammer“, sagte der Spanier seufzend, „daß man solche Frauen sich selbst überlassen muß.“

      Der Seewolf stieß die Luft durch die Nase.

      „Es gibt ja immer noch die Möglichkeit, daß man sich wiedersieht. Schließlich ist die Welt klein geworden, oder etwa nicht? Seit es beispielsweise die Handelsrouten nach Ostindien gibt, sind Länder und Kontinente enger zusammengerückt.“

      „Nicht zuletzt, weil die Schiffe immer besser und immer schneller werden.“

      Sie blieben vor der Einmündung der Gassen stehen, die Günels Freunde beschrieben hatten. An der Ecke hatte ein Händler seinen Stand, der getrocknete Früchte verkaufte.

      „Und weil es Burschen wie uns gibt“, sagte der Seewolf lächelnd. „Burschen, die verrückten Hinweisen nachgehen und dabei auf bessere Schiffahrtswege stoßen.“

      „Zum Segen für die Allgemeinheit“, sagte Don Juan weihevoll.

      „In Ordnung, dann laß uns zusehen, daß auch in unserem Fall aus dem Segen etwas wird.“

      Sie drangen in das Halbdunkel der Gasse vor, bis sie vor einer fensterlosen Hauswand standen. Einziges Unterscheidungsmerkmal waren geschnitzte Ornamente aus Holz, die sich rosettenartig über die Eingangstür verteilten. Hasard betätigte den gußeisernen Klopfer.

      Keine Minute verging, und schlurfende Schritte waren auf der anderen Seite zu hören. Mit leisem Knarren schwang die Tür auf. Die beiden Männer sahen einen faltengesichtigen Araber vor sich, der die typische Kleidung der Dienstboten trug. Mißtrauisch musterte er erst den Seewolf und dann dessen schlanken Begleiter.

      „Abdul Mazin“, sagte Hasard. „Wir möchten Abdul Mazin sprechen.“ Wie zufällig drehte er die linke Hand, und ebenfalls wie zufällig lag: darin eine Silbermünze.

      Mit einem geschickten Griff, der wie ein Zuschnappen war, ließ der Araber die Münze unter seinem weißen Leinenhemd verschwinden.

      „Warten Sie“, sagte er nuschelnd und schlug den beiden Männern die Tür vor der Nase zu.

      Diesmal mußten sie länger warten. Dabei wußten sie, daß dies alles nur zur Prozedur gehörte, mit der sich Abdul Mazin womöglich interessant zu machen versuchte.

      Nach etwa drei Minuten erschien der schlurfende Diener wieder und gab mit einer Verbeugung und einer einladenden Handbewegung zu verstehen, daß sein Herr geruhe, die Besucher zu empfangen. Hasard und Don Juan wurden durch einen schattigen Innenhof geführt und dann in das Halbdunkel eines Hauses, in dem es angenehm kühl war.

      Abdul Mazin hockte in einem mit Teppichen ausgelegten Raum, der ebenso düster war wie alles andere in diesem Haus. Er war ein weißhaariger alter Mann mit gebeugtem Rücken. Nur die dunklen Augen, mit denen er die Männer musterte, schienen zu leben.

      Hasard stellte seinen Begleiter und sich selbst vor.

      „Sie wurden uns von Freunden empfohlen“, fügte der Seewolf hinzu. „Wir sind Seeleute und brauchen Ihren Rat bezüglich unseres weiteren Kurses.“

      Mazin forderte seine Besucher auf, sich auf Sitzkissen niederzulassen.

      „Ich war früher Seefahrer“, sagte er mit erstaunlich klarer Stimme. Sein Englisch war bis auf einen harten arabischen Akzent einwandfrei. „Dann habe ich mich an Land zurückgezogen und bin Kaufmann geworden. Ich habe gelernt, daß man den richtigen Preis kennen muß, um eine Ware zu erhalten, die man unbedingt haben möchte.“

      Hasard und Don Juan wechselten einen Blick.

      „Eine Erkenntnis, die sicher nicht nur für Kaufleute gilt“, sagte der Spanier lächelnd.

      Hasard nahm ein Goldstück aus seiner Hosentasche und legte es vor dem Alten auf den Teppich.

      Mazin beugte sich vor, hob das Goldstück auf und biß prüfend mit den Zähnen darauf.

      „Angenehme Geschäftspartner weiß ich stets zu schätzen“, sagte er und nickte anerkennend. „Was möchten Sie von mir erfahren?“ Er begann, mit dem Goldstück zu spielen. Seine Finger waren lang und knorrig wie trockene Zweige.

      „Wir sind im Besitz von rätselhaften Seekarten“, sagte Hasard.

      „Lassen Sie sehen.“

      „Wir haben Sie nicht bei uns.“

      „Wie soll ich Ihnen dann helfen?“

      „Wenn Sie sich wirklich auskennen, werden Sie unsere Fragen auch so beantworten können.“ Hasard räusperte sich. „Nach unserem Kartenmaterial muß es einen Schiffahrtsweg geben, auf dem man durch den Golf von Persien das Mittelmeer erreichen kann. Was wissen Sie darüber?“

      Der alte Mann zog die weißen Brauen hoch und sah den Seewolf überrascht an. Eine Überraschung, die gut gespielt war, wie Hasard und Don Juan gleich darauf erkannten.

      „Oh, Sie verlangen das Teuerste vom Teuren“, sagte Mazin und wiegte den Kopf. „Kein Ungläubiger dürfte jemals etwas über diesen Weg erfahren haben. Denn wenn es so wäre, würden die Handelsmänner aus dem Okzident

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