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am Gangspill. Halt, warte mal, mir ist eben etwas eingefallen!“ Und schon fegte er auf die Kuhl hinunter, überquerte sie und enterte auf die Back.

      Carberry folgte ihm. Ben Brighton schaute überrascht drein.

      Hasard beugte sich vorn an Backbord über das Schanzkleid und schaute auf die Ankertrosse. Für einen Moment erschien ein grimmiger Ausdruck in seinen Augen. Dann trat er zurück und sagte zu Carberry: „Laß die Trosse einholen, Ed.“

      „Trosse einholen?“ fragte Carberry irritiert. „Das geht doch nicht, Sir.“

      „Wetten, daß es geht? Um die halbe Buddel Rum?“

      „Nee! Wenn du so sicher bist, wette ich lieber nicht, Sir“, sagte der Profos, schob sich ans Schanzkleid und starrte ebenfalls hinunter auf die Trosse. „Wie steht sie denn?“ murmelte er verblüfft. „Überhaupt kein Zug mehr drauf.“

      „Kann auch nicht“, sagte Hasard, „weil die Kerle sie heute nacht gekappt haben. Und warum haben sie die Trosse gekappt, mein lieber Ed?“

      Der Profos fluchte. „Um uns hier festzunageln, Sir.“

      „So ist es. Hätte dir auch früher einfallen können. Aber wenigstens hast du deine halbe Buddel Rum gerettet. Ich könnte jetzt einen Schluck vertragen. Wie sagt man? Morgenstunde hat Gold im Munde.“

      Carberry fand, daß sein Kapitän trotz dieser beschissenen Situation immer noch einen prächtigen Humor hatte. Und dann gluckerten sie einen, der Kapitän und sein Profos.

      Ben Brighton kreuzte auch auf, von der Neugier geplagt.

      „Kann man nach dem Grund dieser Sauforgie fragen?“ erkundigte er sich.

      „Kann man“, sagte Hasard. „Die Kerle haben heute nacht unsere Ankertrosse gekappt.“

      „Du meine Güte“, sagte Ben Brighton. „Das heißt, daß wir …“

      „… jetzt endgültig festsitzen“, ergänzte Hasard, „das hat Ed auch sehr richtig erkannt. Er nannte es festnageln. Gib Ben auch einen Schluck, Ed. Er sieht so verdrossen aus.“

      Der Profos grinste und reichte Ben die Flasche. Der verschluckte sich beinahe.

      „Nicht so hastig“, warnte Carberry, „auch wenn Morgenstunde Rum im Munde hat.“

      „Gold“, verbesserte Hasard.

      „Rum ist Gold“, erklärte der Profos.

      „Da hast du auch wieder recht“, meinte Hasard, dachte nach, kratzte sich hinter dem Ohr und setzte hinzu: „Diese schlauen Hunde! Kappen die Trosse und wissen genau, daß wir das erst heute morgen bei Tageslicht entdecken. Jetzt – beim Hochwasserstand. Aber wir können nichts tun, solange die Verbindung zwischen Anker und Schiff unterbrochen ist. Und um diese Verbindung wiederherzustellen, müssen wir erst mal nach dem Anker suchen – was bei Niedrigwasserstand kein Problem ist. Aber den haben wir erst heute abend. Das heißt, daß diese Halunken bis zum Abend Zeit haben, uns ans Leder zu gehen – so sie das beabsichtigen.“

      Fast alle Mann hatten sich auf und an der Back versammelt und hörten aufmerksam zu.

      „Und uns“, fuhr Hasard fort, „bleibt jetzt nur eine ganz knappe Zeit, nach dem anderen Ende der Ankertrosse zu fischen, die Enden wieder zu verbinden und erneut zu versuchen, die ‚Santa Barbara‘ von der Sandbank zu ziehen. Oder wir lassen den gekappten Anker sausen und bringen sofort den Reserveanker aus. Was geht schneller? Alte Trosse suchen und verbinden oder neuen Anker ausbringen?“

      „Reserveanker ausbringen“, sagte Ben Brigthon entschlossen. „Die Fummelei, das andere Ende zu fischen, braucht zuviel Zeit.“

      „Glaube ich auch“, sagte Hasard, und die Männer nickten zustimmend.

      Sie verloren keine Zeit. Der Reserveanker wurde an Deck gewuchtet, während gleichzeitig ein paar andere Mannen die Jolle an Steuerbord zu Wasser ließen. Carberry besetzte sie mit sechs Arwenacks, verholte nach vorn und übernahm den Reserveanker, dessen Trosse durch die Steuerbordklüse ins Vorschiff und über die Beting zum Gangspill verlaufen würde.

      Der Anker wurde außenbords am Heck der Jolle beigefangen. Dort ragten die Enden von zwei Spülspaken über den Spiegel hinaus. Die Spillspaken lagen in Längsschiffsrichtung und waren an den Duchten festgelascht, so daß sie nicht hochkippen konnten, wenn sie das Gewicht des Ankers aufnahmen. Der Anker wurde von der Back aus so abgefiert, daß er auf und nieder zwischen den beiden Spillhaken schwebte, bis der Ankerstock quer auf den beiden Spülspaken auflag. Jetzt ruhte der Anker auf und nieder zwischen den beiden Spaken, abgefangen von dem Ankerstock. Der Ankerschaft wurde an Augbolzen am Heck beigebändselt, so daß ein Verrutschen nicht möglich war. Die Ankertrosse, oben am Roring bereits angeschlagen, lag in Buchten aufgeschossen in der Plicht, klar zum Auslaufen.

      „Laßt den Anker etwa dort fallen, wo der andere liegt, Ed!“ rief Hasard von der Back hinunter.

      Carberry zeigte klar und gab den Befehl, anzupullen.

      Der Profos und seine sechs Mannen hatten die ungefähre Ankerstelle noch nicht erreicht, als Bills Alarmruf aus dem Hauptmars ertönte.

      „Segler! Backbords bei den Inseln!“

      Hasard fuhr herum, sah die Ein- und Zweimaster auf den Prielen und zwischen den Inseln und brüllte: „Klar Schiff zum Gefecht! Sofort Feuer frei! Ed – zurück!“

      Die Männer spritzten auseinander und fegten zu den Kanonen und Drehbassen. Carberrys Jolle drehte auf der Stelle mit Anrudern und Streichen der Riemen, Carberry selbst bückte sich und nahm eine Muskete auf. Ein Blick nach Backbord hatte ihm genügt: Das würde verdammt knapp werden, denn zwei Einmaster versuchten bereits, der Jolle den Weg zurück abzuschneiden.

      „Holt durch, Kerls“, sagte er zwischen zusammengebissenen Zähnen, „oder wir versammeln uns in Bälde bei unseren Ahnen!“

      In Bälde! Das hieß soviel wie: demnächst, in sehr absehbarer Zeit, die rapide kürzer wurde.

      Carberry verfluchte seine Nachlässigkeit, keine Flaschenbomben mitgenommen zu haben. Aber die Jolle war eh vollgepackt. Für einen kurzen Moment erwog er, den Anker von den Spillspaken rutschen zu lassen, um das Boot zu leichtern. Aber dann überwog der Geiz! So viele Anker hatten sie nun auch wieder nicht, um sie in diesem verdammten Gewässer verplempern zu können.

      Als er die Bogenschützen an Bord der beiden Einmaster sah, zog er instinktiv den Kopf ein.

      Da krachte auf der Back eine Drehbasse.

      Ah! Meister Conroy war am Werk – wie immer schnell und kaltblütig und treffsicher.

      Jawohl! Die gehackte Ladung jaulte mit Höllenmusik übers Wasser und fegte wie eine Sense die Kerle von dem vordersten Einmaster über Bord.

      Und schon feuerte die andere Drehbasse auf der Back. Smoky, der Glatzkopf, bediente sie. Braver Smoky. Hatte er auch mit gehackter Ladung geschossen? Nein, Kugel.

      Treffer Wasserlinie. Ein prächtiges Loch – und weg war die Kugel. Das Wasser gurgelte hinter ihr her in den Rumpf.

      Carberry atmete auf. Das „in Bälde“ verlängerte sich wieder. Wenn es einen seidenen Faden ausdrückte, an dem das Leben hing, dann verstärkte sich der Faden zum kräftigen Tau und bot gute Chancen zur Dauerhaftigkeit.

      Denn auch Batuti und Big Old Shane traten in Aktion. Die Prozedur des Ladens entfiel bei ihnen. Pfeil auflegen, den Langbogen spannen, zielen, schießen.

      Ihre Pfeile zischten hinüber zu dem ersten Einmaster, dessen Mannschaft von der gehackten Ladung dezimiert worden war, aber eben nur das, und sie hatte vor allem die aufrechtstehenden Bogenschützen erwischt. Doch der Rest der Crew hatte noch nicht genug – oder sah immer noch eine Chance, über die Jolle herzufallen.

      Diese Chance schwand, als die Pfeile einschlugen – Brand- und Pulverpfeile. Das schöne trapezförmige Lateinersegel fing Feuer, als ein paar Brandpfeile mit ihren Haken im Tuch hängenblieben und nicht schnell genug entfernt werden konnten.

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