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gab.

      „Man könnte wirklich meinen, wir seien quergestreift oder blaukariert“, murmelte der Profos. „Oder an was erkennen die uns sonst, was, wie?“

      Die Arwenacks fanden einen passenden Tisch und ließen sich auf den klobigen Holzbänken nieder. Cyrus Huntly sorgte dafür, daß sie mit gebührender Aufmerksamkeit bewirtet wurden.

      „Mit Dünnbier allein kriegt man das Sägemehl gar nicht so richtig aus der Kehle“, sagte der blonde Nils Larsen. „Da bleibt einem gar nichts anderes übrig, als einen Humpen Brandy als Rachenputzer zu benutzen.“

      Damit fand er allgemein Zustimmung.

      Der Kutscher interessierte sich naturgemäß für die Vorgänge in der Küche. Er hob immer wieder genüßlich schnuppernd die Nase.

      Edwin Carberry begann zu grinsen.

      „Weißt du, an wen du mich erinnerst, Kutscherlein?“ fragte er und setzte seinen Humpen ab.

      Der Koch und Feldscher der Arwenacks kniff die Augen zusammen.

      „Nein“, erwiderte er, „aber du wirst es mir sicher gleich sagen.“

      „Klar, mein Guter. Du erinnerst mich mit deinem Geschnüffel nämlich an Plymmie. Es fehlt nur noch das Schwanzwedeln.“

      Der Kutscher lächelte dünn, während allgemeines Gelächter aufklang.

      „So etwas Ähnliches habe ich erwartet“, entgegnete er. „Verführerische Düfte veranlassen in der Tat auch kultivierte Menschen, wie Hunde zu schnuppern. Andererseits habe ich aber auch schon Kerle kennengelernt, die wie unsere gute Plymmie knurren, wenn’s ihnen stinkt. Da gibt es zum Beispiel an Bord einer gewissen Schebecke einen Mister …“

      „Schon gut!“ unterbrach der Profos. „Ich weiß bereits, wie das weitergeht, Kutscher. Gegen deine gelehrsamen Erklärungen kommt ein demütiger Christenmensch sowieso nicht an. Aber wenn du’s genau wissen willst: Ich habe mächtigen Kohldampf. Und da es in diesem ehrbaren Haus im Gegensatz zu gewissen Schebeckenkombüsen gar lieblich duftet, werde ich dich ausnahmsweise beim Schnuppern unterstützen. Nur sollten wir es dabei nicht bewenden lassen. Der Wirt soll uns den gebratenen Ochsen, oder was es sonst auch ist, ruhig auf die Tischplatte wuchten.“

      Auch dagegen hatte keiner der Arwenacks etwas einzuwenden.

      So saßen sie denn auch bald tief über ihre vollbeladenen Kummen gebeugt und langten ordentlich zu.

      „Köstlich, wirklich köstlich“, lobte der Kutscher. „Besser als dieses zarte Lammfleisch kann selbst ein Truthahn aus Norfolk oder eine der berühmten Enten aus Aylesbury nicht schmecken. Wenn man ein solches Mahl zum Dessert noch mit einem echten Stiltonkäse abrundet, dann dürfte man den Gipfel der Genüsse erreicht haben.“

      Die Mannen begannen zu grinsen, obwohl sie dem Kutscher innerlich durchaus recht gaben.

      „Man merkt, daß du neuerdings am Königshof ein und aus gehst“, warf Luke Morgan ein. „Kaum hat dir unsere alte Lissy ein Küßchen geschenkt, schmeckt dir nur noch Stilton zum Dessert.“

      „Und statt Erbsen gibt es demnächst Perlen und kleingehackte Kronjuwelen in die Suppe“, fügte Edwin Carberry kauend hinzu.

      Die Stimmung unter den Arwenacks war hervorragend. Dennoch blieb ihnen einen Augenblick später beinahe der Bissen im Halse stecken.

      Die Eingangstür von „Huntly’s Corner“ flog auf, und eine illustre Gestalt, die sofort alle Blicke auf sich zog, betrat den Schankraum.

      Cyrus Huntly eilte hinter dem Tresen hervor, um den neuen Gast samt den hinter ihm auftauchenden Begleitern mit einigen Verbeugungen zu begrüßen.

      Der Mann war etwa um die dreißig. Er hatte ein schmales Gesicht mit angenehmem Profil, einen dünnen Oberlippenbart und langes, kastanienbraunes Haar. Man sah auf den ersten Blick, daß er zu den Reichen und Vornehmen des Landes gehörte.

      Auf den zweiten Blick fiel auf, daß er wie ein Höfling gekleidet war – mit Federhut, Rüschenkragen, kostbarem, reichverziertem Wams und enganliegenden Beinkleidern. Der Degen baumelte an seiner linken Hüfte.

      „Seht ihr auch, was ich sehe?“ fragte Sam Roskill mit gedämpfter Stimme. „Oder träume ich?“ Um es auszuprobieren kniff er die Augen zusammen und riß sie dann weit auf.

      „Du bist genauso wach wie wir“, entgegnete der Kutscher und legte das butterzarte Stück Lammbraten auf die Kumme zurück. „Das ist er tatsächlich – Robert Devereux, der Graf von Essex.“

      „Jetzt sag nur noch, daß dieser eingebildete Affe hier, mitten unter dem gemeinen Volk, einen Humpen Dünnbier trinken will“, stieß Bill verblüfft hervor.

      Der Kutscher lächelte vielsagend.

      „Mit einem einzigen Humpen wird es wohl nicht abgetan sein“, entgegnete er. „Wenn er seine Kratzfüße bei der Königin hinter sich gebracht hat, pflegt er – meist zusammen mit recht zwielichtigen Saufkumpanen – sogar die übelsten Kneipen heimzusuchen.“

      Die Seewölfe hatten den Earl of Essex im Zusammenhang mit jenem höllischen Wettsegeln auf der Themse bereits ausgiebig kennengelernt. Und sie wußten, daß er trotz des Wirbels, für den er ständig sorgte, in der Gunst der Königin stand. Diese Gunst aber wollte er um keinen Preis verlieren. Deshalb wachte er immer wieder eifersüchtig darüber, daß ihm kein Rivale den Rang ablief.

      Alles in allem war Robert Devereux, der von seinem edlen Stammbaum her mit den Plantagenets, Tudors und den Stuarts eng verwandt war, ein Mann, den man mit größter Vorsicht genießen mußte. Daran gab es bei den Seewölfen nicht den geringsten Zweifel.

      „Da sind wir ja genau in die richtige Spelunke geraten“, sagte Carberry nüchtern und griff sich ein neues Stück Spießbraten. „Aber was soll’s! Den Appetit darf man sich auch von einem herausgeputzten Pfingstochsen nicht verderben lassen.“

      Mit dieser Meinung fand er die Zustimmung seiner Kameraden, und keiner von ihnen dachte im Ernst daran, das köstliche Mahl zu unterbrechen.

      Grinsend registrierten sie noch, auf welche einfache, aber praktische Art der Wirt einen freien Tisch für seinen hohen Gast besorgte. Er ließ einfach einige Zecher, die ohnehin schon zu tief in den Becher geschaut hatten, durch seine Schankknechte hinausbefördern. Und schon konnte sich der Earl of Essex samt seinem mehr oder minder erlauchten Anhang an dem freien Tisch niederlassen.

      Der Wirt und seine Helfer überboten sich gegenseitig mit Ehrbezeigungen und einer kriecherischen Dienstbereitschaft.

      Wer jedoch auf seiten der neuen Gäste einen distinguierten Umgangston oder gar höfisches Gehabe erwartete, wurde enttäuscht, denn Seine Lordschaft und die kleine Schar der Zechgenossen fraßen, soffen und grölten wie ein Haufen Radaubrüder aus dem Hafenviertel.

      Die Arwenacks kümmerten sich nicht darum, und Edwin Carberry ließ sich einen weiteren Krug Brandy bringen, als die Fleischplatte leergefegt war.

      „Ich fühle mich so satt und rund wie ein wohlgenährter Säugling“, erklärte er. „Du hattest recht, Kutscher. Das Mahl war köstlich. Du solltest dir das Rezept hinter die Ohren schreiben. Mit einem solchen Braten lassen wir uns auch gern draußen auf See mal verwöhnen.“

      Bill nickte zustimmend. „Das ist was anderes als Speckpfannkuchen.“

      Bevor der Kutscher etwas darauf erwidern konnte, betrat ein weiterer Gast die Schankstube, der den Seewölfen sehr bekannt war.

      „Na so was“, ließ sich Carberry vernehmen. „Ist das nicht das Rübenschwein, das den halben Nachmittag an der Towerpier hockte, um unsere Schebecke zu belauern, was, wie?“

      Die anderen nickten.

      „Vielleicht will er uns hier auch bespitzeln“, meinte Sam Roskill. „Es würde mich interessieren, für wen der Kerl arbeitet.“

      Der Profos grinste unternehmungslustig.

      „Soll ich ihn ein bißchen unter der

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