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nicht bremsen – im Gegenteil.

      „Jetzt fliegst du in die Themse, du rothaarige Hexe“, zischte er, „aber ohne Besen und Zauberspruch.“

      Er schnellte vor, um die stämmige Lady zu packen. Das brachte jedoch ungeahnte Schwierigkeiten mit sich. Zu spät fiel ihm ein, daß so ein Frauenzimmer in bezug auf Männerhände zahlreiche Tabu-Zonen hatte und dadurch weit weniger Angriffsfläche bot als ein Männerkörper.

      McNeil zögerte einen Augenblick, und das war ein Fehler, denn Jenny-Rose teilte seine Berührungsängste in keiner Weise.

      „Das ist für die Hexe“, verkündete sie und verpaßte dem schmächtigen Burschen eine schallende Ohrfeige, die ihn beinahe von den Beinen fegte. „Schade, daß ich keinen Besen zur Hand habe, du Strolch“, fügte sie keifend hinzu, „sonst hätte ich dir gezeigt, wie man damit umgeht.“

      „Verdammtes Luder!“ schrie McNeil, während er mühsam danach trachtete, das Gleichgewicht zu bewahren.

      Eine Sekunde später klatschte die zweite Ohrfeige in sein Gesicht und brannte wie Feuer.

      Von Bord der Schebecke ertönte erneut Gelächter. Ein bulliger Kerl mit einem gewaltigen Rammkinn war an das Schanzkleid getreten und hatte die muskelbepackten Arme über der Brust verschränkt.

      „Nur zu, Lady!“ rief er. „Bring dem Rübenschwein ruhig einige christliche Tugenden bei. Wenn du Hilfe brauchst, laß es mich wissen.“

      Die Hilfe wurde nicht nötig, denn als sich McNeil der Aufmerksamkeit der Schebeckenbesatzung bewußt wurde, hatte er es plötzlich sehr eilig, vom Schauplatz zu verschwinden.

      „Wir sprechen uns noch, du Miststück!“ rief er drohend, dann wandte er sich um und eilte mit langen Schritten davon – begleitet von einigen deftigen Abschiedsworten der strahlenden Siegerin.

      „Vielen Dank für die angebotene Hilfe, Mister!“ rief sie zu der Schebecke hinüber. „Aber wie du siehst, ist der Strolch bereits versorgt.“

      „Alle Achtung, Lady“, sagte der gewaltige Edwin Carberry. „Du erinnerst mich an meine Großmutter, die war auch so eine wehrhafte Jungfrau …“

      „Aber Ed“, unterbrach ihn der Seewolf, „man vergleicht eine junge Lady doch nicht mit seiner Großmutter!“

      Carberry zuckte zusammen.

      „Oh, verdammt, Sir“, sagte er mit gedämpfter Stimme. „Da habe ich mal wieder zu schnell die Wahrheit gesagt. Aber schau sie dir genau an, und dann sag mir, ob ich nicht doch recht hatte.“

      Hasard grinste sich eins. Jetzt sollte Ed nur sehen, wie er die holde Blume wieder los wurde.

      Jenny-Rose hingegen näherte sich der Schebecke mit betont langsamen Schritten und bemühte sich dabei um ein aufreizendes Wiegen ihrer runden Hüften.

      „Ich heiße Jenny-Rose!“ rief sie. „Und ich sage nicht nein, wenn mich echte Gentlemen zu einem Umtrunk einladen!“

      Während einer der Arwenacks im Hintergrund leise „Ogottogott“, murmelte, kratzte sich der Profos verlegen am Hinterkopf.

      „Gegen einen Umtrunk haben wir ebenfalls nichts einzuwenden, Lady“, erwiderte er. „Nur haben wir leider noch keinen Landgang. So leid es uns tut – wir müssen das auf später verschieben.“

      Das sah Jenny-Rose – wenn auch mit großem Bedauern – ein und wies graziös darauf hin, daß ihr Angebot auch am Abend noch seine Gültigkeit habe. Außerdem, so betonte sie, sei es ihr ein besonderes Vergnügen, mit solch „kernigen Mannsleuten“ den einen oder anderen Humpen Brandy oder Dünnbier zu leeren. Danach warf sie einige Handküsse zu den Seewölfen hinüber, und entschwebte hüftwippend stadteinwärts.

      „Nun, Ed, hoffentlich hast du nicht zu große Erwartungen in dieser zarten Jungfrau geweckt“, sagte der Seewolf grinsend. „Ich wette, daß sie irgendwo dort drüben auf Station geht und sehnsüchtig auf deinen Landgang wartet.“

      Der Profos erschrak.

      „Jage mir bloß keine Angst ein, Sir.“

       2.

      Gegen Abend erinnerte nichts mehr an die wärmende Sonne des frühen Nachmittags. Es war merklich kühler geworden, und über der Themse hing ein dunstiger Schleier.

      Auf dem Kopfsteinpflaster einer schmalen Gasse in Ufernähe waren Schritte zu hören. Eine kleine Gruppe von Seewölfen näherte sich „Huntly’s Corner“, einer Eckkneipe, durch deren Fensteröffnungen der süßliche Duft von Brandy und der verführerische Geruch von gebratenem Fleisch nach draußen drang.

      „Da könnte man sich direkt mal von der eigenen Kombüse erholen“, meinte der blonde, etwas hagere Kutscher. „Vielleicht ist das die richtige Adresse für uns.“

      In diesem Moment wurde die Tür der Schenke aufgestoßen. Eine menschliche Gestalt flog wie ein Bündel Lumpen nach draußen und landete ungefähr drei Yards vom Eingang entfernt auf dem Pflaster. Eine zweite Gestalt segelte auf dem gleichen Kurs und gesellte sich unsanft zu seinem Vorgänger.

      Dann schlug die Tür krachend zu.

      „Du hast recht, Kutscher“, sagte Edwin Carberry, „da kann man getrost einkehren.“

      Der Kutscher bedachte den Profos mit einem mißtrauischen Blick.

      „Dich juckt’s wohl schon wieder in den Pranken, he?“

      Carberrys Gesicht verwandelte sich in ein Spiegelbild reinster Unschuld.

      „Ein solches Gefühl ist mir völlig unbekannt“, erwiderte er mit scheinbarer Entrüstung. „Doch hast du nicht bemerkt, daß in der Kneipe soeben ein paar Plätze frei geworden sind?“

      „Das ist natürlich ein unwiderlegbares Argument“, sagte der Kutscher und hob schnuppernd die Nase in den Wind. „Ich tippe auf Lammfleisch mit Knoblauch“, fuhr er fort. „Du hast recht, Ed, man sollte nicht warten, bis die frei gewordenen Plätze wieder besetzt sind.“

      Während sich die beiden verludert aussehenden Kerle, die man an die frische Abendluft befördert hatte, laut fluchend aus der Gosse hochstemmten, riß Edwin Carberry die schwere Tür auf und vollführte eine einladende Geste.

      „Immer hereinspaziert, Gentlemen“, sagte er, „das Schott ist offen. Nur Rübenschweine und plattfüßige Heringe müssen draußenbleiben.“

      Sam Roskill, Luke Morgan, Nils Larsen, Bill und der Kutscher ließen sich nicht zweimal bitten. Sie alle hatten am Nachmittag auf der Schebecke kräftig zugepackt, als es galt, noch anstehende Reparaturarbeiten ein Stück voranzutreiben. Jetzt wollten sie die Freiwache so richtig in heimatlicher Atmosphäre genießen.

      „Huntly’s Corner“ schien dazu in der Tat alle Voraussetzungen zu bieten. Die langgestreckte, saalartige Schankstube war gut besetzt. Die Gehilfen des Wirts drängten sich mit ihren Krügen und Kannen durch die Bank- und Tischreihen, um die Becher nachzufüllen. Lautes Stimmengewirr und Gegröle erfüllte den Raum. Tranlampen, die an der Decke baumelten oder in Wandnischen aufgestellt waren, verbreiteten schummriges Licht.

      Ein Durchgang hinter dem wuchtigen Schanktisch führte direkt in die Küche, in der die Wirtin Fett über einen Spieß mit riesigen Fleischstücken goß und ihn langsam über dem Feuer drehte.

      Der Wirt, ein hochgewachsener, kräftiger Mann namens Cyrus Huntly, sorgte dafür, daß das Geschäft florierte und niemand hungrig oder gar durstig seine Kneipe verlassen mußte. Er griff gerade nach einem wuchtigen Holzhammer und trieb den Zapfhahn in ein Dünnbierfaß, als die neuen Gäste ihre Blicke durch die Schankstube wandern ließen.

      „Willkommen in meinem bescheidenen Gemäuer“, sagte er grinsend. „Freut mich, daß mich auch mal einige Männer Sir Hasards beehren.“

      Die Arwenacks sammelten wieder einmal die Erfahrung, daß sie seit dem Besuch der Königin bei ihnen und der spektakulären Übergabe

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