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erwartet hatte. Er, seine jüngeren Brüder, die erwachsenen Söhne und die vier Knechte, die es außer dem alten Bjarni noch auf dem Hof gab, schafften es nicht mehr, die Vorräte und die wertvollsten Teile ihrer Habe oder sogar die Tiere, die sich teils in den Stallungen und teils auf der Weide befanden, in Sicherheit zu bringen.

      Kaum hatten sie die notwendigsten Waffen zusammengetragen und die Musketen und Pistolen aufgeladen, tauchten auch schon die ersten Gestalten aus westlicher Richtung zwischen den mächtigen Steinblöcken auf.

      „In Deckung – sie kommen!“ brüllte Gunnarsson, riß seine Muskete an sich und lief auf die wuchtigen Holzbauten der Stallungen zu.

      Die „Schwarzen Raben“ quittierten das mit höhnischem Gelächter. Sie waren es offenkundig gewohnt, daß ihr Auftauchen für die nötige Aufregung sorgte. Und in der Tat – diesen wilden Haufen schien die Hölle ausgespuckt zu haben.

      Die wüsten, bärtigen Gesellen, die haßerfüllt und voller Habgier den christlichen Isländern den Kampf angesagt hatten, nannten sich in Anlehnung an die legendären, gefiederten Begleiter ihres Gottes Odin „Schwarze Raben“ und boten überall, wo sie auftauchten, einen furchterregenden Anblick.

      Dafür sorgten allein schon die halblangen, leuchtendroten Umhänge, die sie über der üblichen Kleidung trugen. Auf den Rückseiten der Gewänder waren auf Veranlassung ihres Anführers, der Egill genannt wurde, riesige schwarze Raben eingestickt worden.

      Egill hatte es vor Jahren verstanden, die wilde Horde von entlaufenen Sträflingen, die sich ständig auf der Flucht vor den Häschern des dänischen Königs befunden hatte, fest in den Griff zu kriegen.

      Egills bärtiges Gesicht drückte Spott und Verachtung aus.

      „Verkriecht euch nur in eure Rattenlöcher!“ dröhnte seine tiefe Stimme über den Hof der Gunnarssons. „Gleich werden euch die Raben fressen!“

      Unmittelbar darauf zerrissen die ersten Musketenschüsse die Stille der nordischen Landschaft.

      Die bis an die Zähne bewaffneten „Schwarzen Raben“ nutzten die Deckung des Gesteins, um die Schußwaffen sofort nachzuladen. Die Schwerter, Speere, Messer und Äxte, die sie mit sich schleppten, waren für die eigentliche Offensive bestimmt.

      Einige Hofbewohner erwiderten das Feuer. Noch boten ihnen die Gebäude ausreichenden Schutz. Die Kugeln ihrer Musketen prallten jedoch wirkungslos gegen die Felsen und sirrten dann als Querschläger durch die Gegend.

      „Hört sofort auf zu schießen!“ befahl Gunnarsson. „Wir brauchen die Schußwaffen, wenn die Kerle versuchen, den Hof zu stürmen. Solange sie sich in der Deckung der Felsen aufhalten, ist es schade um jede Kugel.“

      Das leuchtete den Männern ein. Diejenigen, die ihre Musketen bereits abgefeuert hatten, begannen sie eiligst nachzuladen.

      Aus den Reihen der „Schwarzen Raben“ dröhnte abermals ein nervenaufreibendes Gelächter herüber. Offenbar gehörte es zur Einschüchterungstaktik dieser Bande.

      „Was ist los?“ ließ sich die tiefe Stimme ihres Anführers vernehmen. „Ist euch das Blei ausgegangen, oder habt ihr schon die Hosen voll?“

      „Du kannst ja mal rüberkommen und nachsehen!“ brüllte Leifur Gunnarsson zurück. Zu seinen Leuten sagte er: „Laßt euch nicht provozieren. Wir schießen erst, wenn sie die Deckung verlassen.“

      Die Gunnarssons hielten sich daran – auch als die Schnapphähne eine weitere Salve abfeuerten, und die Kugeln in die Holzwände der Gebäude schlugen.

      Für kurze Zeit blieb nun alles still.

      „Weiß der Teufel, was die Kerle jetzt aushecken“, bemerkte einer der Söhne Gunnarssons. „Man müßte eine Kanone haben, damit könnte man das Gesindel aus den Felsen schießen.“

      „Wir haben aber keine“, sagte Gunnarsson. „Außerdem werden sie uns bestimmt nicht lange über ihre weiteren Pläne im unklaren lassen.“

      Kaum hatte der Hofbesitzer diese Worte ausgesprochen, zischten zwei Brandpfeile in sanftem Bogen über die Hoffläche und bohrten sich mit einem dumpfen Geräusch in das Holz eines Schuppens.

      „Oh, verdammt, das hat uns gerade noch gefehlt!“ stieß Gisi, einer der Brüder Gunnarssons hervor. „Wir müssen die Pfeile aus der Wand reißen, sonst haben wir im Handumdrehen den schlimmsten Brand.“ Er lehnte seine Muskete gegen die Rückseite des Gebäudes, das ihnen als Deckung diente, und lugte vorsichtig um die Ecke.

      „Laß das“, herrschte ihn Leifur Gunnarsson an, „es ist zu gefährlich!“

      Aber der etwas hitzköpfige Gisi stürmte bereits zu dem nahegelegenen Schuppen hinüber und griff blitzschnell nach einem der Pfeilschäfte. In diesem Moment blitzte es in den Felsen zweimal auf. Gisis Körper wurde wie von einer unsichtbaren Faust geschüttelt. Während ein qualvolles Stöhnen über seine Lippen drang, brach er zusammen. Den aus der Holzwand gerissenen Pfeil, dessen Spitze immer noch brannte, hielt er in der rechte Hand. Gisi war tot.

      Leifur Gunnarsson biß in ohnmächtiger Wut die Zähne zusammen. Zum erstenmal wurde ihm bewußt, daß es sehr schwer werden würde, den Überfall dieser Mordbuben abzuwehren. Zugleich aber bestärkte ihn gerade dieser Vorfall in seinem Entschluß, den Hof und seine Bewohner bis zum letzten Blutstropfen zu verteidigen.

      Ähnlich dachten auch die übrigen Gunnarssons. Lediglich die Knechte zuckten nervös zusammen, als die bereits bekannte Baßstimme abermals zu ihnen herüberdröhnte.

      „Da steckt noch ein zweiter Pfeil in der Wand!“ brüllte Egill. „Will den niemand herausziehen?“

      Gunnarsson wurde bleich vor Wut. „Schert euch zum Teufel, ihr Bastarde!“

      Mit höhnischem Lachen verdeutlichten die „Schwarzen Raben“ den Hofbewohnern, daß sie solche Aufforderungen nicht im geringsten beeindruckten.

      Einer der Söhne Gunnarssons deutete stumm zum Schuppen hinüber. Unter dem Rand des Daches züngelten Flammen hervor. Beißender Qualm hob sich in einer grauen Wolke in den Himmel. Doch den Männern waren die Hände gebunden.

      Zum gegenwärtigen Zeitpunkt war es unmöglich, etwas gegen den beginnenden Brand zu unternehmen, das hatte das sinnlose Sterben Gisis nur allzu deutlich gezeigt. Es blieb ihnen nichts anderes übrig, als das im Schuppen gelagerte Holz, die Fischernetze, Karren und Werkzeuge abzuschreiben.

      Während die Gunnarssons mit schußbereiten Musketen und Pistolen auf den offenen Angriff der Odinanbeter warteten, breitete sich das Feuer rasch aus. Schon in erstaunlich kurzer Zeit stand der gesamte Schuppen in hellen Flammen. Die sich betreten anblickenden Männer verspürten die sengende Hitze am eigenen Leib.

      „Wir müssen endlich etwas unternehmen“, sagte einer der Gunnarssonbrüder. „Wenn es den Burschen einfällt, schießen sie den ganzen Hof in Brand.“

      „Das glaube ich nicht“, erwiderte Leif ur. „Bei diesen Heiden handelt es sich um Schnapphähne, die Beute schlagen wollen. Wenn der Hof jedoch abbrennt, gibt es für sie nichts mehr zu holen.“

      Damit sollte er sich nicht getäuscht haben, denn während er noch redete, setzte der Sturm der „Schwarzen Raben“ auf seinen Hof ein.

      Urplötzlich, wohl mit einer gewissen Ablenkung durch das brennende Gebäude rechnend, brach die wilde Schar aus ihrer Deckung hervor. Die leuchtendroten Umhänge verliehen den Angreifern ein beinahe gespenstisches Aussehen.

      „Musketen und Pistolen abfeuern!“ brüllte Leifur Gunnarsson. Gleich darauf krachte ein gutes Dutzend Schüsse hinter den Gebäuden hervor.

      Aber die Gunnarssons zählten nicht gerade zu den besten und geübtesten Schützen. Nur zwei der Angreifer brachen von Musketenkugeln getroffen zusammen. Da zum Nachladen der Schußwaffen keine Zeit blieb, war damit ein mörderischer Kampf Mann gegen Mann nicht mehr zu umgehen.

      Im Handumdrehen war auf dem Platz vor den Häusern der Teufel los. Das blanke Metall von Schwertern, Äxten, Speeren und Messern blitzte im hellen Licht der Mittagssonne.

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