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von zwei Glasen würde man de Mendoza wecken, soviel hatte er in Erfahrung gebracht.

      Dann aber würde er längst fertig sein mit seinen Vorbereitungen, um von Bord der „Gran Grin“ zu gehen. Er hatte die seiner Meinung nach sehr gesunde Absicht, dieses Totenschiff zu verlassen. Wann genau er „von der Fahne“ ging, wußte er noch nicht. Es hing in erster. Linie davon ab, ob der Kapitän ihm mit seinen unbequemen Fragen zu Leibe rükken würde oder nicht.

      Vielleicht wurde de Mendoza wieder abgelenkt, vielleicht legte er in den frühen Morgenstunden auch größeren Wert darauf, das Land zu erkunden, vor dem sie lagen, als seinen Zahlmeister zur Rede zu stellen.

      De Bobadilla seufzte tief.

      Hoffen wir’s, dachte er.

      Für sein Vorhaben wäre es sehr vorteilhaft, wenn der Kapitän zunächst einen Spähtrupp an Land schickte und erforschte, in welcher Gegend Irlands man sich befand. Das machte vieles leichter, de Bobadilla konnte dann mit ziemlich sicherer Orientierung von Bord gehen und seinen Weg über Land sicher wählen.

      Mit den Goldmünzen, die er mitgehen ließ, würde er sich den Weg zurück nach Spanien nach und nach freikaufen. Die Iren waren arme Hunde, wie er schon bei der Besprechung in der Kapitänskammer bemerkt hatte, für Geld und Gold taten sie sicherlich alles. Dafür begingen sie auch einen Mord und anderes mehr.

      De Bobadilla vertraute auf die Macht seines unrechtmäßig zusammengerafften Reichtums – auf sonst nichts.

      Als er mit dem Einnähen der Goldmünzen fertig war, stahl er sich aus seiner Kammer und schlich durch das Schiff. Er mied das Oberdeck, wo der erste Offizier de la Torre und der Bootsmann Vallone bei seinem Erscheinen sicherlich argwöhnisch geworden wären.

      Ihr Mißtrauen ihm gegenüber wuchs. Auch deswegen mußte er schleunigst zusehen, seinen Plan in die Tat umzusetzen.

      De Bobadilla mied aber auch das Mannschaftslogis, in dem die Kranken stöhnten und keuchten. Angewidert verzog er den Mund, preßte sich ein weißes Taschentuch vors Gesicht und sah zu, daß er weiterkam. Der Hauch des Todes ging von diesem elenden Logis aus, der Raum war eine Brutstätte der Seuchen, man hätte ihn in Brand stecken sollen.

      De Bobadilla pirschte sich zur Kombüse – zum Stelldichein mit dem Proviantmeister. Seit den letzten zwei Wochen handhabten sie es so, jeden Tag, entweder abends oder morgens, und das Ganze hatte sich prächtig eingespielt.

      Immer, wenn der Koch Sampedro Freiwache hatte, päppelte Alvarez den Zahlmeister durch – gegen klingende Münze, versteht sich. Dies war die „hervorragende körperliche Kondition“ des Luis de Bobadilla, das Geheimnis seines gesunden, rosigen Aussehens.

      Wenn Sampedro Freiwache hatte, löste Alvarez ihn ab und wog – seit Beginn der Bordrationierung – die Rationen für den nächsten Tag ab. Alvarez deponierte sie in der Kombüse und schloß dann ab. In den letzten Tagen waren die Zuteilungen für Offiziere und Mannschaft immer sparsamer geworden, und abends gab es seit Tagen sowieso nur noch Wassersuppe.

      De Bobadilla traf im achteren Bereich des Vordecks-Mittelganges auf Alvarez. Fast schrak er zusammen, als er die Nähe des Proviantmeisters spürte. Er glaubte, Alvarez in der Dunkelheit des Ganges grinsen zu sehen.

      Die Stimme des Mannes klang denn auch tatsächlich ein wenig spöttisch. „Angst, mein lieber Luis? Das liegt am schlechten Gewissen, glaub es mir.“

      „Das mußt du gerade sagen!“

      „Vergiß nicht, daß du mich zu diesem krummen Handel angestiftet hast – ohne dich wäre ich auf so was nie verfallen.“

      „Still“, zischte de Bobadilla. „Schweig doch. Wie leicht könnte man dich hören! Hast du die Ware mitgebracht?“

      „Natürlich“, raunte Alvarez. „Sag bloß, du hast daran gezweifelt. Auf mich ist Verlaß, das weißt du doch. Alvarez läßt keinen im Stich.“

      „Schon gut. Was hast du also mitgebracht?“

      „Eine halbe Speckseite, zwei Salchichas, Würste, und Schiffszwieback, der noch nicht von den Würmern angegriffen ist. Ich kann dir sagen, es ist gar nicht so einfach, noch etwas aufzutreiben, das von diesem Ungeziefer unberührt geblieben ist und …“

      „Hör auf“, zischte der Zahlmeister ihm zu. „Ich kann das nicht hören, mir dreht sich der Magen um.“

      „Empfindlich? Na, da staune ich aber“, sagte Alvarez höhnisch.

      „Dir wird das Lachen auch noch vergehen. Ich habe es satt und die Nase gestrichen woll von diesem gräßlichen Leben.“

      „Du hättest an Land bleiben sollen, Luis“, murmelte der Proviantmeister. „Du bist für das harte Leben auf See nicht geschaffen. Entbehrungen, immer wieder Entbehrungen – und Krankheiten, damit muß man sich abfinden. Sei froh, daß sie dir bei Calais keine Kugel in den Bauch geschossen haben.“

      „Hör jetzt endlich auf“, raunte de Bobadilla. „Hast du nichts zu trinken besorgen können?“

      „Schon. Eine kleine Flasche Rioja, von den allerletzten Beständen. Ein Juwel ist dieses Fläschchen, das sage ich dir.“

      „Gib schon her!“

      „Hast du das Geld mitgebracht?“

      „Das ist doch selbstverständlich. Zehn Reales, wie üblich …“

      Alvarez schüttelte den Kopf. De Bobadilla konnte es jetzt, da sich seine Augen besser auf die Dunkelheit eingestellt hatten, deutlich wahrnehmen.

      „Tut mir leid“, wisperte der korrupte Proviantmeister. „Aber diesmal mußt du schon drauflegen – wegen des Weins. Den gebe ich sonst nicht her.“

      „Müssen wir jetzt feilschen?“

      „Ja, das müssen wir. Ich verlange zwei Piaster für alles, was ich hier im Segeltuchsack mitgebracht habe.“

      De Bobadilla wollte aufbrausen. Zwei Piaster – das waren sechzehn Reales! Ein glatter Wucherpreis, wenn man bedachte, daß allein sechs Reales für den Wein bestimmt waren. Schon wollte er ablehnen, da besann er sich darauf, daß Alvarez ihn ja auch an den Kaptän verraten konnte. Gewiß, Alvarez konnte seine Hände dabei nicht in Unschuld waschen, denn de Bobadilla würde sich nicht zurückhalten und ihn seinerseits belasten. Aber letztlich würde Alvarez geringer bestraft werden und besser dastehen als der Zahlmeister, denn ein Mann wie de Mendoza würde das, was de Bobadilla getan hatte, schlimmer bewerten. De Bobadilla war für ihn bislang der Vertrauensmann gewesen, der mehr als alle anderen an Bord seine Integrität zu wahren hatte.

      Nein, de Bobadilla durfte Alvarez nicht verärgern. Geiz war nicht angebracht, nicht jetzt.

      So leise wie möglich entgegnete de Bobadilla auf die Forderung des Proviantmeisters: „Ich biete dir zwölf Reales, das sind anderthalb Piaster.“

      „Zu wenig.“

      „Dreizehn.“

      „Fünfzehn“, raunte Alvarez.

      Sie einigten sich auf vierzehn Reales. De Babadilla zahlte, Alvarez händigte ihm die Ware im Segeltuchsack aus.

      De Bobadilla wollte zu dem Verbindungsgang zurückschleichen, der ihn durch die Frachträume zum Achterschiff zurückführte, aber Alvarez hielt ihn plötzlich am Arm fest.

      „Stehenbleiben“, flüsterte er dem Zahlmeister ins Ohr. „Da war was. Ein Geräusch. Es wäre schlecht, wenn einer der Narren aus dem Logis dich mit dem Sack vorbeischleichen sehen würde. Wir steigen beide nach oben. Ich haue mich auf der Back aufs Ohr, das ist mir lieber, als hier unten zu schlafen.“

      „Und ich?“

      „Du kannst mir ja Gesellschaft leisten, wenn du willst“, erwiderte Alvarez, ein rauher, zynischer Bursche, grinsend.

      „Ich will in meine Kammer zurück“, raunte de Bobadilla. „Aber de la Torre und Vallone entdecken mich, wenn ich über die Kuhl schleiche. Bis zur Back können sie vom Achterdeck aus wohl nicht sehen,

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