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soeben halb ausgeschlafen hatte.

      „He!“ brüllte er und: „Halt!“

      Aber das nutzte nichts. Das Faß rumpelte über die Katzenköpfe und war am Rand der Kaimauer angelangt. Es kullerte darüber weg, schwebte für einen Moment in der Luft und sauste, den Naturgesetzen entsprechend, im freien Fall abwärts.

      „Himmel, Arsch“, tönte es aus dem Faß. „Ja, was, zum Teufel, ist denn hier eigentlich los? Ich …“

      Mehr kriegte der gute Eric nicht heraus, denn sein Nachtlager klatschte ins Hafenwasser und riß ihn mit in die Tiefe. Eric sah, wie’s dunkel wurde, er sah auch mit weit aufgerissenen Augen noch, wie das Wasser eindrang – dann schluckte er einen tüchtigen Schwall davon.

      Die Verzweiflung vollbringt oft Wunder. Erics verklemmte Beine kamen plötzlich frei, er strampelte und boxte, glitt aus dem verdammten Ding heraus, arbeitete wie ein Wilder, gewann Abstand zu dem Faß, das ihm paradoxerweise zu folgen schien – und dann nahm ihn die Auftriebskraft des Wassers mit an die Oberfläche.

      Japsend tauchte er auf. Er trat Wasser, spuckte einen Schwall von dem salzigen Naß aus, blickte sich um und sah zwei Dückdalben und eine Pier, auf die er zuhielt.

      Er versuchte an einem der Pfähle hochzuklimmen, rutschte aber immer wieder wegen des dichten Algenbewuchses ab. Er fluchte entsetzlich, probierte es noch einmal, schaute dabei auf – und entdeckte ein wüstes, narbiges Gesicht, das sich über den Rand der Pier ihm entgegenschob.

      „Himmel, nein“, ächzte Jean Ribaults Schiffskoch. Er rutschte wieder ab, landete klatschend im Hafenbecken und schluckte um ein Haar erneut Wasser. „Ein Ungeheuer“, keuchte er. „Ein Monstrum. O Gott, ich bin schon in der Hölle gelandet.“

      „Bist du noch ganz dicht?“ sagte eine Stimme von oben.

      Irgendwie kam Eric diese Stimme bekannt vor. Er hielt sich an den Dalben fest, verengte die Augen und blickte noch einmal nach oben.

      Diesmal glaubte er Luke Morgan über sich zu erkennen, den kleinen dunkelblonden Mann aus der Seewolf-Crew.

      „Luke, bist du’s?“ fragte er vorsichtig.

      „Sicher. Bist du blind, oder hast du Schlick auf den Augen? Mann, was ist denn mit dir passiert?“

      Eric hatte das Faß rechts neben sich erspäht. Er hob einen Fuß aus dem Wasser, verpaßte dem verfluchten Ding einen Tritt und antwortete: „Nichts ist passiert. Wie ist es, hilfst du mir hier jetzt ’raus oder nicht?“

      „Das wollte ich ja tun“, sagte Luke.

      Eric unternahm eine neue Turnübung, streckte die Hand nach Lukes Rechter aus und hievte sich auf die Pier. In der Endphase dieses Manövers sah es beinah so aus, als müsse Luke die Balance verlieren und zu dem Glatzkopf ins Hafenwasser stürzen, aber dann ging erstaunlicherweise doch alles gut. Eric Winlow richtete sich neben Luke auf und stieß einen grunzenden Laut der Erleichterung aus.

      Triefend naß stand er da in der rauhen irischen Septemberluft. Einem anderen an seiner Stelle wäre es sicher eisig kalt geworden.

      Nicht so Eric: Er kochte sozusagen vor Wut über das erlittene Mißgeschick. Sein Schädel schien zu glühen, jedenfalls hatte er dieses Gefühl.

      Luke sah an der Miene des glatzköpfigen Kochs, wie es in dessen Innerem arbeitete. Eine Weile standen sie so da. Luke beobachtete Eric von der Seite, der Sturmwind zerzauste Lukes Haare und pfiff über Erics Glatze hinweg, als wolle er sie glattpolieren wie einen Brocken Marmor.

      Schließlich sagte Luke: „Tief Luft holen, Eric. Ist ja noch mal gut gegangen. Nimm’s nicht so schwer. Kann doch jedem mal passieren. Schlimmer wär’s gewesen, wenn du abgesoffen wärst.“

      „Tja. Was hätte ich dann wohl gemacht?“ brummelte Eric.

      „Gutes Fischfutter hättest du abgegeben.“

      „He?“

      „Vielleicht hätten sich Aale durch deine Leiche gefressen“, meinte Luke unbekümmert. „Hier in der Nähe mündet ein Fluß in die Bucht, und ich hab mir sagen lassen, die Aale wimmeln auch im Hafen von Westport ’rum und …“

      „Hör auf“, sagte Eric. Seine Stirn furchte sich drohend. „Hör bloß auf, mir kommt’s gleich hoch.“

      „Wieso bist du eigentlich in den Teich gefallen?“ erkundigte sich Luke. „Willst du das nicht endlich mal erzählen?“

      „Wie, das hast du nicht mitgekriegt?“

      „Nein, habe ich nicht.“

      „Und die anderen?“

      „Die auch nicht. Merkst du nicht, daß es immer noch regnet? Daß Nebelschleier über der Bucht und der Stadt hängen?“

      Eric schaute sich um. „Richtig. Mann, ich mit meinem Kater habe das gar nicht bemerkt. Ist das eine Milchsuppe heute früh! Man kann weiter spucken als gucken …“

      „Fein hast du das gesagt, und es reimt sich sogar“ erwiderte Luke Morgan.

      Eric musterte sein Gegenüber argwöhnisch. „Willst du mich auf den Arm nehmen?“

      „Nein, will ich nicht. Ich will wissen, wie dir das passiert ist. Bist du ausgerutscht?“

      Eric überlegte. Die Angelegenheit war ihm peinlich, aber keiner schien gesehen zu haben, wie das Faß von der Kneipe ins Hafenbecken rollte. Also konnte er ruhig ein wenig flunkern.

      „Das war so“, erklärte er. „Ich hatte mich zum Pennen in irgendeinen Keller verkrochen, aber dann wurde es hell. Ich wachte auf und kriegte einen Mordsschreck. Um bis zum Wecken rechtzeitig an Bord der ‚Vengeur‘ zu sein, lief ich los, geriet wohl zu nah ans Wasser und wurde von einer Bö vom Kai gerissen. Dann …“

      „Dann hörten wir alle jemanden fluchen, und ich rannte los, um nachzusehen, was los ist“, sagte Luke.

      „Sehr richtig“, ertönte eine Stimme hinter seinem Rücken. „Und wenn du noch lange ’rumstehst und mit Winlow herumpalaverst wie ein Waschweib, statt uns bei der Arbeit zu helfen, Morgan, du Rübenschwein, ziehe ich dir deine Hammelbeine lang und die Haut in Streifen von deinem verdammten Affenarsch, kapiert?“

      „Aye, Sir“, sagte Luke.

      Er brauchte sich nicht umzudrehen, um zu wissen, wer da hinter ihnen auf der Pier erschienen war, um nach dem Rechten zu sehen. Nur einer verfügte über eine so blumige Ausdrucksweise und einen so wunderbaren Wortschatz – Edwin Carberry, der Profos der „Isabella“.

      4.

      Obwohl Eric Winlow nicht zu seiner Crew gehörte, ließ Carberry auch ihn nicht ungeschoren.

      „Winlow!“ brüllte er. Brüllen war bei ihm gleichbedeutend mit ganz normalem Sprechen. „Winlow, konntest du dir keinen besseren Augenblick aussuchen, um in die stinkende Brühe hier zu fallen? Bist du total besoffen?“

      „Nicht mehr“, entgegnete der Glatzkopf.

      Carberry blickte angestrengt durch die Dunstschleier ins Hafenwasser und sah das Heringsfaß auf den Wellen schaukeln. „Ausgerutscht und ’reingekippt, was, wie? Und was ist das da?“

      „Was denn?“ fragte Luke scheinheilig.

      „Das da – das ist ja ein Faß“, polterte der Profos.

      „Was für ein Faß?“ erkundigte sich Eric, der seine ganze schöne Geschichte schon in die Brüche gehen sah.

      Luke, der längst begriffen hatte, was das Faß mit Eric zu tun hatte, leistete dem Glatzkopf Schützenhilfe: „Also, es ist so verdammt neblig hier, ich kann einfach kein Faß erkennen.“

      „Ich auch nicht“, fügte Jean Ribaults Koch sofort hinzu.

      Carberry wandte sich ab. „Ihr könnt mir kreuzweise den Buckel ’runterrutschen“, sagte er. „Und jetzt folgt

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