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was werden Sie mit mir tun?“ wollte er wissen.

      Hasard zuckte mit den Schultern.

      „Da Sie nicht gut hierbleiben können, werden wir Sie mitnehmen“, sagte er. „Vielleicht begegnen wir der ‚Dona Felipa‘ oder stoßen auf eine portugiesische Niederlassung.“

      „Boote Steuerbord querab!“

      Die Stimme des Ausgucks gellte über die Decks der „Dona Felipa“. Reichlich verspätet, wie Capitan da Carrilho mit einem einzigen Blick feststellte. Die Galeone segelte mit halbem Wind unter Fock und Besan gemächlich an der Küste von Neu-Guinea entlang. Gemächlich deshalb, weil die Crew die gefährlichen Untiefen dieses Gewässers kannte. Für den Ausguck, der in erster Linie auf Schaumstreifen und erst in zweiter Linie auf die Küste zu achten hatte, war das eine hinreichende Entschuldigung. Für die Mannschaft war es ein Anlaß zu Mißmut: da jeden Augenblick blitzschnelle Segelmanöver notwendig werden konnten, waren sämtliche Rumflaschen ins Kombüsen-Schapp geschlossen worden.

      Der Schrei des Ausgucks fuhr wie ein Donnerkeil unter die dösenden Gestalten.

      Der Capitan war auf dem Absatz seines ausgelatschten Seestiefels herumgefahren. Aus schmalen Augen spähte er zur Küste. In seinem Magen schienen plötzlich Ameisen zu kribbeln, als er den Schwarm schneller, wendiger Ausleger-Boote sah, der mit explosiver Plötzlichkeit zwischen den mächtigen Luftwurzeln der Mangroven hervorschoß.

      Papuas! Die Eingeborenen, unter denen die portugiesischen Piraten ein brutales Massaker angerichtet hatten.

      Die Boote waren verschont geblieben. Der Teufel mochte wissen, wie es die Wilden geschafft hatten, sie so schnell über Land zu transportieren. Oder handelte es sich um einen anderen Klan? Waren sie nicht auf Rache aus, sondern einfach nur auf Beute?

      „D-d-das sind ja Hunderte!“ stammelte der Steuermann der „Dona Felipa“ erschrocken.

      Da Carrilho preßte die Lippen zusammen.

      Ja, es waren Hunderte! Und sie näherten sich in einem Höllentempo, bei dem sie nicht lange brauchen würden, um die Galeone zu erreichen. Sicher konnte man sie mit den Bordgeschützen gehörig dezimieren. Aber selbst wenn jede Kugel ein Boot traf und die Männer sich mit Pistolen und Musketen als Wunderschützen entpuppten, was beides unwahrscheinlich war, würden noch genug von den Kriegern übrigbleiben, um zu entern und an Bord der „Dona Felipa“ ein Blutbad anzurichten.

      Da Carrilhos Nackenhaare stellten sich auf.

      Seit er den tollkühnen Sturmangriffen auf Festungen oder feindliche Kriegsgaleonen entsagt hatte, hielt er Vorsicht für den besseren Teil der Tapferkeit. In diesem Fall riet ihm die Vorsicht zur Flucht. Die Vorstellung, jemand könnte ihm seine eigene Medizin zu schlucken geben, ließ ihn erschauern.

      „Heißt Blinde, Großsegel und Marssegel!“ schrie er mit überschnappender Stimme. „Etwas abfallen! Schneller, ihr Hundesöhne!“

      Die Männer rannten, als wären die Planken unter ihren Füßen plötzlich glühend geworden.

      Minuten später hatte die „Dona Felipa“ jeden Fetzen Tuch gesetzt, schwang leicht nach Steuerbord herum und rauschte mit raumem Wind wie ein zorniger Schwan über das Wasser. Auf diese Weise geriet sie zwar etwas dichter unter Land, hängte jedoch um so schneller die Boote ab, die sie verfolgten. Der Pulk der Eingeborenen-Fahrzeuge blieb achteraus. Capitan da Carrilho starrte mit verkniffenem Gesicht nach vorn. In der Nähe der Küste verrieten Brecher die tückischen Sandbänke. Wenn die Galeone auflief, konnten sie alle ihr Testament machen. Der Capitan mahlte so ingrimmig mit den Zähnen, daß seinem Steuermann ob des knirschenden Geräusches ein kalter Schauer über den Rücken rieselte.

      „Anluven!“ brüllte da Carrilho. „Wir gehen höher an den Wind!“

      „Anluven!“ nahm der Bootsmann die Worte auf. „Hurtig, hurtig, ihr lahmen Säcke! Beeilt euch, oder ich nagele eure Ohren an den Großmast!“

      Fluchen gehörte zum Handwerk, auch auf der „Dona Felipa“.

      Bei dem müden Haufen an Bord war das auch notwendig. Meistens jedenfalls. Jetzt allerdings, von gefährlichen Untiefen bedroht und noch gefährlicheren Wilden verfolgt, zeigten die Männer, daß sie sich notfalls mächtig ins Zeug legen konnten.

      Blitzartig wurden die Rahen dichter geholt, die „Dona Felipa“ ging hoch an den Wind und hielt wieder etwas von der Küste ab. Die Auslegerboote hatten jetzt keine Chance mehr, die Galeone einzuholen.

      Da Carrilho starrte zu den braunhäutigen Eingeborenen hinüber, die wütend ihre Speere schüttelten, und fragte sich, was wohl an den Gerüchten dran war, die den Papuas herzhafte kannibalische Gelüste nachsagten.

      Den Portugiesen überlief es kalt trotz der Hitze.

      In dieser Gegend, wurde ihm klar, konnten sie nicht länger bleiben, ohne beträchtliche Gefahren für ihre kostbare Haut heraufzubeschwören. Da Carrilho überlegte einen Augenblick, dann beschloß er, sich so schnell wie möglich nach Süden abzusetzen.

      Die Aussicht auf Beute war weder hier noch dort besonders verlockend. Aber Carrilho und seine Genossen nährten sich ohnehin seit langem nur noch von der Hoffnung, daß ihnen eines Tages der große Glückstreffer begegnen würde.

      „… und dann setzte dieser verdammte Sturm ein. Das Großsegel ging flöten, die Vormarsrah krachte weg und kappte das Manntau, an dem ich mich gerade entlanghangelte. Und schon war’s passiert! Meine Kameraden hatten keine Chance, mich aufzufischen. Ich konnte mich an der Rah festhalten, die mit über Bord gegangen war. Reines Glück, daß ich hier angeschwemmt wurde, bevor mich die Haie erwischten.“

      Hilo Palmeiro erzählte auf spanisch, das er fließend beherrschte.

      Der Seewolf hörte mit halbem Ohr zu, während er aufmerksam in den Himmel spähte. Ein Himmel, dessen intensives Blau ihm nicht recht gefiel, weil es einen Stich ins Metallische hatte. Auch Ed Carberry und Ben Brighton, der Bootsmann, blickten immer häufiger nach oben und sogen die Luft ein, als witterten sie in den Wind.

      An Bord der „Isabella“ hatte Donegal Daniel O’Flynn senior, Dans Vater, bestimmt schon verkündet, daß er den drohenden Wetterumschwung in seinem Beinstumpf spüre.

      Hasard zuckte unwillkürlich mit den Schultern und sah zu seinen Söhnen hinüber, die Steine gesammelt hatten und Zielübungen auf Kokosnüsse veranstalteten.

      Die erbeuteten Früchte betrachteten sie als Privatbesitz. Erstens weil sie immer hungrig waren, zweitens weil sich aus den sorgsam ausgehöhlten Kokosnuß-Schalen alle möglichen Dinge anfertigen ließen, deren Qualitäten und Nutzeffekt den Erwachsenen schleierhaft blieb. Es gab auch noch einen dritten Grund, der in dem Wunsch aller kleinen Jungen dieser Welt wurzelte, die Gewohnheiten echter Männer nachzuahmen. Dieser dritte Grund wurde strikt als Geheimnis gehütet. Bisher hatte noch niemand das Versteck der angebohrten und wieder zugestopften Kokosnüsse entdeckt, deren Milch vor sich hin gärte und in ein, zwei Wochen hoffentlich ein handfestes, hochprozentiges Schnaps-Stadium erreichen würde.

      Die Männer, die nicht mit dem Verladen der gefüllten Wasserfässer beschäftigt waren, hörten Hilo Palmeiro zu.

      Daß sich einzelne spanische und portugiesische Schiffe in dieser Gegend herumtrieben, war an sich nicht verwunderlich: sie suchten ständig neue Quellen für ihren Handel mit kostbaren Gewürzen, seltenen Hölzern, fremdartigen Kunstgegenständen und ähnlichem. Die „Dona Felipa“ schien allerdings schon seit etlichen Jahren hier zu vagabundieren, ohne auf Heimatkurs zu gehen. Nach einem rechtschaffenen portugiesischen Handelsfahrer sah das nicht gerade aus. Eher schon nach einem wilden Haufen gestrandeter Existenzen, nach jenem besonderen Menschenschlag, den man oft in den Tropen traf: Männern, die irgendwann und irgendwo hängengeblieben waren und nicht mehr den Weg zurück in die Zivilisation fanden. Erfahrungsgemäß mußte man solche Typen mit Vorsicht genießen, aber was die „Dona Felipa“ betraf, war das vorerst nur eine Vermutung.

      Auf dem ausgetretenen Pfad jenseits des Palmengürtels entstand Bewegung.

      „Wahrschau!“ ertönte ein rollender Baß,

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