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er sich mit den Fingern über sein weißes Oberlippenbärtchen.

      „Damit haben die Hunde nicht gerechnet“, sagte er abschließend. „Wir haben sie, und wir haben auch die anderen in der Hand, die an Bord der Schiffe warten. Ich weiß, was Sie denken, Martier. Sie könnten mit ihren Kanonen das Feuer auf die Festung eröffnen. Aber genau das werden sie nicht tun. Wir haben zwölf Geiseln, und die Kerle werden nicht wagen, sie zu gefährden. Wenn mich nicht alles täuscht, ist der große Schwarzhaarige der Kapitän des Haufens. Er ist unser wichtigstes Faustpfand.“

      „Ja, das leuchtet mir ein“, erklärte Martier geschmeidig. „Im übrigen ist es großartig, wie Sie das hingekriegt haben. Lieutenant, ich spreche auch Ihnen meine Anerkennung aus.“

      „Danke“, sagte der Lieutenant. „Ich schlage vor, daß wir die Gefangenen nach Rennes bringen. Dort werden die Bourbonen entscheiden, was mit ihnen geschehen soll.“

      „Keine schlechte Idee“, sagte Douglas und lachte.

      Auch Martier nickte zustimmend. Je eher man die Gefangenen wieder loswurde, desto besser war das für Concarneau und das Wohlbefinden seiner Bürger.

      „Engländer als Schnapphähne und Schlagetots in der Bretagne“, sagte Douglas. Er ließ diese Worte fast genüßlich auf der Zunge zergehen. „Das ist wirklich die Höhe. Das ist geradezu ungeheuerlich.“

      Ja, dachte Martier, und es ist Wasser auf die Mühlen von Heinrich, der antienglisch und prospanisch eingestellt ist. Er wird dies als eine Bestätigung der Richtigkeit seiner Politik ansehen.

      Ob dies jedoch gut für Frankreich war, vermochte Martier trotz angestrengten Nachdenkens nicht zu ergründen. Vielleicht nahmen die Bourbonen den Vorfall sogar zum Anlaß, um einen Krieg gegen England zu beginnen. Darauf wartete Spanien ja nur. Philipp II. würde die Bretagne und die Normadie als Sprungbrett benutzen, um eine neue Invasion in Elizabeths I. Reich durchzuführen. Dadurch wollte er die Niederlage rächen, die 1588, vor vier Jahren, die glorreiche Armada erlitten hatte.

      Armes Frankreich, dachte Martier.

      Vielleicht war es gut, rechtzeitig dafür zu sorgen, sein Schäflein ins trockene zu bringen. Ja, je länger Jean-Luc Martier gerade darüber nachdachte, desto einleuchtender erschien es ihm, in dieser Richtung etwas zu tun.

      Laut sagte er: „Lieutenant, im Prinzip wären wir mit dieser Regélung schon einverstanden. Nicht wahr, Douglas?“

      „Ich habe nichts dagegen einzuwenden.“

      „Nur würde ich die Gefangenen lieber auf dem Seeweg nach Brest bringen und von dort aus dann nach Rennes. Das ist sicherer. Auf dem Landweg von Concarneau nach Rennes kann eine ganze Menge passieren.“ Martier blickte erst zu Douglas, dann zu dem Lieutenant. Douglas hob die Augenbrauen, der Lieutenant legte seine Stirn in nachdenkliche Falten.

      „Im Landesinneren lauern überall plündernde Horden“, sagte Douglas. „Ist es das, was Sie andeuten wollen, Martier?“

      „Ja. Vorwiegend sind es Hugenotten.“

      „Wie der gefürchtete Le Testu?“

      „Wie der“, sagte Martier.

      „Le Testu ist erledigt“, erklärte der Lieutenant. „Offenbar hat er sogar die Bretagne verlassen. Nach seinem letzten großen Überfall auf einen Waffentransport ist er jedenfalls nicht wieder aufgetaucht, wie ich vernommen habe. Trotzdem haben Sie recht, Monsieur Capitaine: Die Banditen bereiten uns Soldaten einigen Ärger. Der Seeweg wäre auf jeden Fall problemloser. Aber woher wollen wir das erforderliche Schiff dafür nehmen? Eine ihrer Schaluppen würde doch wohl nicht genügen.“

      „Richtig“, sagte Martier. „Dann müssen wir eben zwei Schaluppen nehmen. Irgendwie klappt das schon. Stellen Sie sich einmal vor, irgendwelche Strauchdiebe und Beutelschneider überfallen Ihre Truppe auf dem Weg nach Rennes und befreien die Engländer – gar nicht auszumalen, was für ein Massaker das gäbe! Und Concarneau könnte sich in dem Fall auch noch auf eine böse Überraschung gefaßt machen.“

      „Allerdings“, meinte der Lieutenant. „Übrigens scheinen diese Piraten aber nicht alle aus England zu stammen, wenn ich mich nicht irre. Es ist doch auch ein Franzose dabei, nicht wahr?“

      „Und was für einer“, brummte Martier. „Das ist Jean Ribault, wenn mich nicht alles täuscht. Auch so ein Hugenotten-Hund. Der segelt schon seit Jahren als Korsar über die Weltmeere und hat hundertfach den Strick verdient.“

      „Mit ihm werden die Bourbonen dann wohl auch kurzen Prozeß machen“, sagte der Lieutenant. „Und auch mit diesem Schwarzhaarigen. Könnte das nicht der berüchtigte Killigrew aus Cornwall sein?“

      „Wie kommen Sie darauf?“ fragte Martier.

      „Ich habe mal eine Beschreibung von diesem Kerl gehört. Die paßt in etwa auf den Schwarzhaarigen. Sie nennen Killigrew auch den Seewolf, glaube ich.“

      „Und wer ist dieser bärtige Kerl mit dem Helm?“ fragte Martier. „Der sieht ja aus wie ein Seefahrer aus längst vergangenen Zeiten.“

      „Ich nehme an, er ist ein Nordmann.“

      „Aus Schweden oder Norwegen? Aber – aber die Wikinger gibt es doch gar nicht mehr.“

      „Nun ja“, erwiderte der Lieutenant. „So sicher bin ich mir auch nicht. Ehrlich gesagt, gibt mir dieser Kerl das größte Rätsel von allen auf.“ Er wandte sich zu René Douglas um, der den Blick etwas gehoben hatte und angestrengt auf einen imaginären Punkt an der Wand spähte. „Was halten Sie von dem Kerl, Monsieur Commandant?“

      Douglas antwortete zunächst nicht. Schweigen trat ein, man konnte das Knistern der Flammen in den Öllampen vernehmen. Dann endlich sah Douglas seine beiden Gesprächspartner an, stand auf und deutete aus dem Fenster, das auf den Hafen von Concarneau wies. „Ich habe eben eine großartige Idee gehabt und finde, wir sollten sie sofort in die Tat umsetzen. Hören Sie zu.“

      Kaum merklich hatte der Wind gedreht und blies jetzt aus westlicher Richtung, nicht mehr von Südwesten, gegen die Küste der Bretagne und die Häuser von Concarneau an. Der Wind nahm an Stärke zu, die Wellen der See stiegen höher und ließen die Schiffe und Boote, die auf der Reede vor Anker lagen oder an den Piers vertäut waren, tanzen.

      Auch die „Hornet“, die „Fidelity“ und das schwarze Schiff gerieten in heftigere Bewegung und schwoiten an ihren Ankertrossen. Besorgt schauten die Mannschaften auf und registrierten trotz der Dunkelheit, daß sich tiefhängende schwarze Wolken über der Stadt und der Küste zusammengeballt hatten.

      Das Wetter wurde schlechter. Der Wind jaulte, strich auf dem Weg über den Kai in die Gassen, eilte über die winzigen Plätze, die hier und da das Gewirr der engen Gänge unterbrachen, jagte um die Festung und umwirbelte die Gestalten der Männer und der Frau, die sich heimlich zur hinteren Mauer des Kastells begeben hatten.

      Dies waren Le Marocain und dessen neunköpfige Bande von Galgenstricken, Lucio do Velho, Bonano, Quintaval und Lucille, die Hafenhure von Quimper. Le Marocain hatte den Portugiesen, die beiden Spanier und die Frau zwischen Concarneau und Mordelles aus der See gefischt, nachdem er sich mit einer anderen Bande von Schnapphähnen um die Beute geschlagen hatte – und es war kein Fehler gewesen, die vier an Bord zu nehmen, wie sich inzwischen herausgestellt hatte.

      Lucille hatte die Gunst der Lage erkannt und sich sofort auf Le Marocains Seite geschlagen. Ihr Platz war immer bei dem Stärkeren, und die Situation sprach nun mal eindeutig zugunsten dieses Kerls mit dem krausen schwarzen Haar, den dunklen Augen, den vollen Lippen und den gelblichen Zähnen, die er bei jeder Gelegenheit zu entblößen pflegte.

      Do Velho hingegen war ein geschlagener Mann und vom Regen in die Traufe geraten. Wieder war er – zusammen mit Bonano und Quintaval – ein Gefangener, wieder saß er in der Falle. Zu allem Unheil hatte Lucille auch noch preisgegeben, was auch sie im Lager auf Mordelles erfahren hatte: Do Velho verbarg seine Kriegskasse in Concarneau. Hier mußte man suchen, wenn man reich werden wollte.

      Le Marocain hatte aus Lucio do Velho herausgequetscht, wo sich der Ort

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