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„Wo liegen eure Schätze?“ fragte er wild. „Ich werde sie heben. Ich bringe euch zum Sprechen, ich habe schon ganz andere Kerle weichgeklopft. Oder soll ich euch lieber Okachobee überlassen?“

      „Du kannst dich von mir aus selbst weichklopfen“, entgegnete Ferris, nachdem er sich auf den Rücken gedreht hatte. „Wir haben keine Schätze, dabei bleibt es. Sonst noch Fragen?“

      „Dich schlitze ich auf“, drohte Mardengo.

      „Tu, was du nicht lassen kannst“, sagte Roger gelassen. „An uns hast du keinen Spaß.“

      Mardengos Züge hatten sich zu einer Fratze verzerrt. „Ich habe eine bessere Idee, Killigrew. Ich bringe zwei deiner liebsten Kumpane zum Schreien – den Kerl mit den Narben und den rothaarigen Hurensohn, der vor St. Augustine an Bord eures Kahnes das Katapult bedient hat. Warte, diesen Bastard schnappe ich mir als ersten. Wo steckt er?“

      „Keine Ahnung“, erwiderte Ferris.

      Aber er biß sich doch auf die Unterlippe, als sich Mardengo umdrehte und zurück zu den Gefangenen lief. Plötzlich drohte der ganze schöne Plan doch aufzufliegen, denn nach Ferris Tucker konnte der Pirat lange suchen.

       5.

      Gato hatte das Kommando über die Schiffe der Piraten übernommen. Vom Riff aus hatte er alles verfolgen können – die Kapitulation des Gegners, das Abrücken des kompletten Zuges von Piraten und Gefangenen und das An-Bord-Gehen der Kumpane, die im Dickicht am Fluß gewartet hatten.

      Er schob sein Spektiv zusammen und steckte es weg. Die Kerle an Bord der „Isabella“ lachten und winkten ihm zu. Er zögerte nicht mehr.

      „Wir verlassen das Riff und segeln in die Mündung“, sagte er.

      Die Männer an Bord der „San Carmelo“ atmeten auf. Sie waren heilfroh, daß der Kampf vorbei war. Sie waren zum Umfallen müde, ihre Energiereserven waren aufgebraucht. Sie hatten lange, schlaflose Tage hinter sich. Zuletzt hatten sie in der Bucht Ponce de León gegen die Seewölfe und die Seminolen kämpfen müssen. Anschließend waren sie geflohen und hatten das Schiff nur mit Mühe vor dem Untergang bewahrt.

      All das hatte an ihren Kräften gezehrt, und auch der stärkste Kerl war jetzt kaum noch in der Lage, sich auf den Beinen zu halten. Mit Mühe setzten sie erneut die Segel und steuerten aus dem Riff heraus, während Gato und die anderen Kumpane an Bord der beiden Einmaster bereits die Hälfte der Distanz von der Korallenbarriere zur Flußmündung überbrückt hatten.

      Schwerfällig legte sich die „San Carmelo“ mit Steuerbordhalsen an den Westwind und lief träge auf die Insel zu. Die Gefechte hatten ihr schwer zugesetzt, wieder hatte sich im Laderaum Leckwasser gesammelt, doch die Lenzpumpen wurden nicht mehr bedient.

      Warum auch? Gato warf einen Blick zu der Galeone zurück, dann drehte er sich wieder zu seinen Leuten um und sagte: „Sobald wir den Kahn der Engländer durchsucht und festgestellt haben, daß sich keiner der Hunde mehr an Bord befindet, kann die ‚San Carmelo‘ die Insel runden und die Werft anlaufen. Bis dahin schafft sie es noch, ohne abzusaufen.“

      „Aber auch nicht weiter“, sagte ein Pirat. „Wir werden sie aufslippen müssen, um sie gründlich überholen zu können.“

      Gato nickte. „Aber wir können das in Ruhe erledigen, wir haben Zeit. Die Hauptsache ist, daß wir die englischen Hurensöhne endlich erledigt haben. Wie ich Mardengo und Oka Mama kenne, werden sie sie einen nach dem anderen hinrichten.“

      „Auf welche Art?“ fragte ein anderer Pirat.

      Gato grinste. „Das kannst du dir doch denken. Oka Mamas Erfindungsreichtum ist in der Beziehung unerschöpflich.“

      Die Kerle lachten. Keiner von ihnen hatte auch nur das geringste Mitleid mit den Seewölfen. Sie gönnten ihnen, was sie nun erwartete, denn lange genug hatten sie Mardengos Bande zugesetzt und viele Männer getötet.

      Die Einmaster gingen bei der „Isabella“ längsseits, die „San Carmelo“ drehte knappe zehn Yards von ihr entfernt bei und warf den Anker.

      „He!“ rief Gato dem Kerl zu, den er auf dem Hauptdeck stehen sah. „Wo sind die anderen?“ Er enterte, während er sprach, an der Jakobsleiter auf.

      „Sie durchsuchen das Schiff!“ entgegnete der Posten. „Ich bin hier oben allein.“

      Gato lachte und kletterte über das Schanzkleid. „Das wird jetzt anders. Wir stellen eine Mannschaft zusammen, dann verholen wir mit dem Kahn in die Skull-Bucht und gehen dort vor Anker.“ Er blieb mitten auf dem Hauptdeck stehen, stemmte die Fäuste in die Seiten und ließ seinen Blick schweifen.

      Ein prächtiges Schiff, das mußte man den englischen Bastarden lassen! Nach dem Gefecht in der Ponce-de-León-Bucht war alles wieder instand gesetzt und aufgeklart worden. Das Rigg war tadellos in Schuß, die Decks waren aufgeräumt, die Taue sauber aufgeschossen.

      Gato konnte sich eines Gefühls des Neides nicht erwehren. Weder Mardengo noch er waren jemals auf einem so schönen Schiff auch nur für kurze Zeit gefahren.

      Aber die Galeone gehörte jetzt ihnen. Sie würden sie zu ihrem Flaggschiff machen, mit ihr zu neuen Raids auslaufen und wahrscheinlich noch einmal Fort St. Augustine angreifen, wo die Spanier bereits eine Niederlage hatten einstecken müssen.

      Gato konnte sich ausrechnen, daß Mardengo dieser Gedanke gefallen würde. Auch Oka Mama würde derselben Ansicht sein. Wenn auch das Schiff fertiggestellt war, das auf der Werft lag, und wenn die „San Carmelo“ überholt war, konnten sie mit einem ansehnlichen Verband Pirates’ Cove verlassen.

      Er schritt langsam nach achtern und begutachtete die Kanonen. Hervorragende Stücke, dachte er, Zwanzigpfünder und Culverinen, alles bestens in Schuß.

      Er enterte das Quarterdeck, dann das Achterdeck, inspizierte alles und warf auch einen interessierten Blick in das Ruderhaus, das gerade aufgebaut war. Er kehrte auf das Quarterdeck zurück, öffnete das Achterdecksschott und betrat das Kastell. Mit einem triumphierenden Grinsen ging er bis zum Ende des Mittelganges, öffnete die Tür und stand in der Kapitänskammer.

      Seine Augen hatten sich auf das Dämmerlicht eingestellt, er konnte alle Einzelheiten erkennen. Seine besondere Aufmerksamkeit galt den Waffenschränken: kostbare Flinten und Pistolen besonderer Bauart, eine prachtvolle Sammlung von hohem Wert – sein Staunen war jetzt groß. Er dachte darüber nach, daß es sich lohnte, ein paar dieser Waffen auf die Seite zu schaffen, bevor sich Mardengo und Oka Mama das Schiff ansahen.

      Seine Überlegungen wurden durch heranpolternde Schritte unterbrochen. Instinktiv griff er zur Pistole, ließ die Hand aber wieder sinken, als er einen seiner Kumpane erkannte, der hinter ihm durch den Gang auf ihn zusteuerte.

      „Gib dich das nächstemal zu erkennen“, sagte Gato. „Um ein Haar hätte ich auf dich geschossen. Du hättest einer der Engländer sein können, die vielleicht hier an Bord noch versteckt sind.“

      „Es ist keiner von ihnen an Bord zurückgeblieben“, sagte der Kerl. „Wir haben alles durchsucht.“

      „Wirklich alles?“

      „Die Männer nehmen sich eben die Stauräume vor.“

      Gato war doch überrascht. Er hatte mit einem faulen Trick der Engländer gerechnet, mit dem Versuch, eine Falle zu stellen. Aber sie schienen derart besorgt um das Wohl ihrer drei Kameraden zu sein, die von Oka Mama festgenommen worden waren, daß sie eine derartige List nicht gewagt hatten.

      In der Tat hatte Hasard anfangs mit dem Gedanken gespielt, ein paar Männer im Geheimgang der „Isabella“ zu verstecken, die im geeigneten Moment in Aktion traten. Doch es war zu befürchten, daß Oka Mama und Mardengo die Zahl der Gefangenen genau überprüften. Es war zu riskant, diese Art von List anzuwenden. Schon die Maskerade Ferris Tuckers war ein Wagnis, das einige Proben zu bestehen hatte.

      Gato entfachte eine Öllampe, dann stieg er mit seinem Spießgesellen in den Schiffsbauch hinunter. Sie hörten

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