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gut“, entgegnete Arne. „Keiner will deine Tauben beleidigen. Sie werden uns auch weiterhin nützliche Dienste erweisen, wie sie es im Pendelverkehr zwischen Havanna und der Schlangen-Insel getan haben.“

      Mel Ferrow nahm Jussuf den Hammer ab und trieb selbst die Nägel in das Holz.

      „Alles ganz schön und gut“, meinte er. „Aber wir müssen Jussufs Anwesenheit an Bord erdulden. He, Tom, was meinst du? Halten wir das bis zur Cherokee-Bucht durch?“

      „Mal sehen“, erwiderte der bärtige Mann. „Wenn er zu vorlaut wird, können wir ihn ja auch in die Vorpiek der ‚Henne‘ stecken.“

      „Das würdet ihr mir antun?“ fragte Jussuf entsetzt. „Feine Kameraden seid ihr!“

      So ging es weiter. Das Gespräch der Männer begleitete die Arbeiten. Tatsächlich war es einer der Hauptgründe, warum Jean Ribault und die Crew der „Goldenen Henne“ samt Renke Eggens und fünf anderen Deutschen auf Hasards Befehl nach Havanna gesegelt waren: Jussuf und seine Tauben sollten zur Cherokee-Bucht zurücksegeln, damit die Tiere von dort aus etappenweise auf die neue Flugroute Südwesten-zum-Westen beziehungsweise Nordosten-zum-Osten, also Cherokee-Schlangen-Insel – Havanna und umgekehrt eingetrimmt werden konnten.

      Die neue Position des Schlupfwinkels brachte in dieser Hinsicht einen wesentlichen Vorteil mit sich. Im Gegensatz zur früheren Flugroute Schlangeninsel-Havanna und umgekehrt betrug die neue Distanz zwischen der Cherokee-Bucht und Havanna nur etwa 400 Meilen Luftlinie. Zuvor war die Entfernung ungefähr doppelt so groß gewesen. Folglich würde sich auch die Flugzeit der Brieftauben entsprechend verringern. Sie würden in Zukunft die Route in sieben Stunden bewältigen; vorher waren es an die vierzehn Stunden gewesen.

      Diesen Vorteil konnten die Männer des Bundes der Korsaren nicht hoch genug einschätzen, zumal sich ja auch der Anmarschweg zum „Kampfgebiet“ in der nördlichen Florida-Straße von Great Abaco aus ganz erheblich verkürzt hatte.

      Die Männer vom Bund der Korsaren hatten die Schlangen-Insel verloren, aber mit dem neuen Stützpunkt hatten sie taktische und strategische Vorteile gewonnen. Unter diesem positiven Aspekt setzten sie ihr Werk fort – und fieberten bereits neuen Aktionen entgegen. Daß Hasard, Ben Brighton und der Wikinger inzwischen den Konvoi mit der „Isabella IX.“, der „Chubasco“ und dem Schwarzen Segler angegriffen und „aufgeknackt“ hatten, wußten die Männer in Havanna noch nicht.

      Während auf dem Hof der Faktorei die Verschläge für die Brieftauben gezimmert wurden, waren die anderen Männer der „Goldenen Henne“ damit beschäftigt, das Schiff mit jenen Gütern zu beladen, die im neuen Stützpunkt an der Cherokee-Bucht gebraucht wurden: geschnittene Hölzer, geschmiedete Nägel in jeder Größe und Dicke, Tauwerk, Segeltuch- und Stoffballen sowie auch Nähzeug, Küchengeräte, Geschirr, Stoffe und Seife für die Ladys, die eine entsprechende Liste angefertigt hatten und auf die Waren warteten.

      Jean Ribault beobachtete durch einen Kieker, wie die beiden Wachschaluppen den Hafen verließen und durch die Zufahrt zwischen dem Castillo de la Punta und dem Castillo del Morro auf die Reede hinaussegelten. Wieder mußte Ribault grinsen, denn er dachte daran, wie der Kapitän der französischen Handelsgaleone, Marcel Giraud, die Spanier empfangen würde.

      Giraud blickte mit grimmiger Miene zu den beiden Einmastschaluppen, die sich seinem vor Anker liegenden Schiff näherten. Kaum waren sie auf Rufweite heran, preite er ihre Besatzungen an: „Wahrschau! Was geht hier eigentlich vor, zur Hölle noch mal? Was ist das für eine Sauerei, einem friedlichen Handelssegler die Einfahrt in den Hafen zu verweigern?“

      „Señor!“ rief Pablo Mendez, der eine der beiden Schaluppenführer, zurück. „Das ist nicht unsere Schuld!“

      „Es ist mir scheißegal, wer die Schuld hat!“ brüllte Giraud. „Sagen Sie Ihrem Gouverneur und Ihren verdammten Hafenbehörden, daß ich den bürokratischen Dreck satt habe!“ Er ließ noch einige saftige Flüche vom Stapel, die seine Worte bekräftigen sollten.

      Mendez und Farina blickten betroffen drein, und auch ihre Besatzungen waren noch ratloser, als sie das im Hafen von Havanna gewesen waren. Sie wußten nicht, daß der Kapitän der Galeone sie bewußt „zur Schnecke machte“. Giraud bereitete es ein geradezu diebisches Vergnügen, nach den Ereignissen der Nacht jetzt die Spanier kräftig zur Brust zu nehmen.

      „Verfluchter Mist!“ schrie er. „Wir sind schließlich an die sechs Wochen auf See gewesen! Und da ist es eine Rücksichtslosigkeit, Mannschaft und Kapitän auf Reede warten zu lassen! Zumal wir Trinkwasser und Proviant ergänzen müssen!“

      „Señor, beruhigen Sie sich!“ rief Farina.

      „Ich will mich aber nicht beruhigen!“ brüllte Giraud zurück. „Wir sind keine Bettler, merkt euch das, ihr spanischen Satansbraten!“

      „Señor!“ schrie nun auch Mendez noch einmal, aber weiter gelangte er nicht. Giraud brüllte schon wieder.

      „Wir sind ehrliche Kauffahrer!“ stieß er hervor. „Und wir haben es nicht nötig, uns hier schikanieren zu lassen! Entweder läßt man uns innerhalb einer Stunde einlaufen, oder wir suchen uns für unsere Geschäfte einen anderen Hafen, wo man mehr Wert legt auf gute Handelsbeziehungen als in Havanna! Verstanden?“

      Mendez und Farina tauschten einen Blick miteinander. Sie sahen ziemlich begossen aus. Recht hatte er, der Franzose, sie an seiner Stelle hätten sich wohl noch viel schlimmer aufgeführt. Aber das konnten sie natürlich nicht offen eingestehen. Sie suchten nach Worten. Mendez war es schließlich, der sich wieder an den Franzosen wandte.

      Er blickte zu dem blondbärtigen, stämmigen Mann mit den energischen Zügen hoch und sagte: „Señor, wir haben verstanden. Wir können uns nur mit der Order des Señor Gouverneurs entschuldigen.“

      „Wissen Sie, was Ihr Señor Gouverneur mich kann?“ rief Giraud barsch.

      Mendez räusperte sich. „Ich glaube schon. Aber er hat die Order erlassen, daß fremde Schiffe nicht sofort einlaufen dürfen, und wir müssen uns danach richten.“

      „Noch einmal“, sagte Giraud laut und vernehmlich. „Meine Leute und ich warten jetzt noch eine Stunde. Danach gehen wir ankerauf und laufen einen anderen Hafen an – zum Beispiel Cartagena. Dort ist man bestimmt freundlicher und gewillter, ein paar gute Geschäfte mit uns abzuschließen.“

      Mendez biß sich auf die Unterlippe. Sein Bruder hatte in Havanna vor kurzem den Laden eines Schiffsausrüsters übernommen. Er konnte gar nicht genug Kunden kriegen, um das Geschäft richtig anzukurbeln, und immer, wenn jemand nach einem Ausrüster fragte, verwies auch Mendez den Betreffenden sofort an seinen Bruder. Sicherlich brauchte auch der Franzose für sein Schiff das eine oder andere Zubehör. So war einer der vom Verdienstausfall Betroffenen Mendez’ Bruder, falls der Franzose den Anker lichtete und die Reede von Havanna verließ.

      Mendez und Farina gehörten nicht zu den Männern, die als Handlanger für den Gouverneur de Escobedo arbeiteten. Sie ahnten aber – besonders aufgrund der letzten Vorkommnisse –, daß hier auf der Reede des Nachts recht üble Dinge passierten, in die ihr verschwundener Teniente und der Gouverneur verwickelt sein mußten.

      Mendez schaute wieder zu Giraud hoch und sagte: „Señor, wir werden uns um die Einlaufgenehmigung kümmern.“

      „Dann beeilen Sie sich“, sagte Giraud. „Sonst könnte es sein, daß Sie uns bei Ihrer Rückkehr nicht mehr vorfinden.“

      Mendez gab seinen Männern das Zeichen, die inzwischen aufgetuchten Segel der Schaluppe wieder zu setzen.

      „Ich segle in den Hafen zurück“, sagte er zu Farina. „Halte du hier solange die Stellung.“

      „In Ordnung“, erwiderte Farina. Etwas Besseres fiel ihm ohnehin nicht ein. Und was konnte man anderes unternehmen?

      Die Schaluppe von Mendez kehrte in den Hafen zurück. Farina und dessen Männer nahmen mit ihrer Schaluppe ebenfalls wieder Fahrt auf und segelten vor der Hafeneinfahrt auf und ab.

      Giraud wandte sich grinsend zu seinen Männern um. „Ist das nicht herrlich? Ich möchte

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