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nichts, er lächelte nur spöttisch. Dieses Lächeln irritierte auch den Vogt, der sich noch einmal räusperte und vor Kälte schon ganz klamm war.

      „Führen Sie nichts im Schilde, Sir“, warnte er. „Den Augen der Soldaten wird nichts entgehen, aber Sie werden mit den härtesten Konsequenzen rechnen müssen.“

      „Wir rechnen sogar damit, daß es heute noch schneit“, sagte der Seewolf, „man riecht den Schnee schon. Und sorgen Sie sich nicht um das königliche Siegel, wir werden es ganz sicher nicht beschädigen. Wir wissen doch, was wir unserer Königin schuldig sind.“

      Dem Vogt waren diese Worte nicht geheuer, und er spürte ein sehr unangenehmes Kribbeln im Kreuz. Ähnlich erging es auch dem Marquess, dessen Genick wie gelähmt war. Es gefiel ihm nicht, daß die Kerle nicht protestierten, brüllten oder schlugen, sondern daß sie sich so lammfromm benahmen, daß einem angst und bange werden konnte. Jedenfalls blieb bei allen ein Gefühl der Bedrückung und, Unsicherheit zurück, als sie endlich wieder abzogen und nur die Soldaten zurückblieben.

      Zwei Dutzend waren es jetzt, unter dem Befehl eines kaltschnäuzigen und scharfäugigen Hauptmanns, der jede Bewegung an Deck belauerte.

      Nur kannte er die kleinen Feinheiten des Schiffes noch nicht, und so halfen ihm auch seine scharfen Augen nicht weiter.

      4.

      Bereits am späten Nachmittag begann es zu schneien, anfangs nur leicht, aber gegen Abend fielen schon dichte Flocken, die der jaulende Sturm über das Schiff trieb. Die wachegehenden Soldaten nahmen langsam die Gestalten von Weihnachtsmännern an.

      An diesem Abend hatte Doc Freemont eine letzte Unterredung mit dem Seewolf gehabt und verabschiedete sich jetzt. Er und Ramsgate durften das Schiff verlassen, die anderen hingegen nicht.

      „Setzen Sie sich vorerst nicht zur Wehr, Hasard“, riet er. „Die Männer haben Schießbefehl und werden ihn auch ausführen. Sie warten nur auf eine Gelegenheit. Ich reise morgen in aller Frühe nach London und werde versuchen, diese leidige Angelegenheit zu klären. Zumindest werde ich Lord Cliveden erreichen, den Sonderbeauftragten der Königin. Daß der sich für Sie einsetzt, ist selbstverständlich, Sie haben schließlich einen guten Ruf bei Hofe. Aber was immer Sie auch tun, Hasard, entfernen Sie um Himmels willen nicht das königliche Siegel, und beschädigen Sie es nicht! Denn dann kann der hochnäsige Marquess gegen Sie vorgehen, und darauf scheint er zu warten“, setzte der Doc leise hinzu.

      „Wir werden keine Schießereien veranstalten, und das Siegel beschädigen wir erst recht nicht, um diesem Kerl keine Handhabe zu geben. Ich danke Ihnen, Doc, und wünsche Ihnen ein gute Reise. Hoffentlich bessert sich das Wetter bald, sonst wird es eine unbequeme Fahrt.“

      „Das bin ich gewöhnt“, sagte der Doc lächelnd, dem Hasard so unendlich viel zu verdanken hatte.

      Dann verließ er das Schiff, und keiner der Soldaten hielt ihn auf, als Hasard laut ankündigte, wer da das Schiff verließ. Der Seewolf sah der schlanken Gestalt nach, bis sie im Schneetreiben zerfloß.

      Als er nach unten in die Messe gehen wollte, sah er, daß auf dem Schwarzen Segler die kaum sichtbar herüberschimmernden Lichter fast schlagartig erloschen, als hätte der Wind sie ausgeblasen.

      Das war das untrügliche Zeichen dafür, daß von drüben mit Besuch zu rechnen war, denn Thorfin und seinen Mannen war nicht entgangen, was sich auf dem Kai abgespielt hatte. Dieses Zeichen war vereinbart worden. Thorfin kam also mit dem Boot, unsichtbar für die Soldaten, und jetzt, bei dem Schneetreiben, sah ihn erst recht niemand.

      Die Bordwache hatten Jeff Bowie und Jack Finnegan, und die beiden hatten das Erlöschen der Lichter ebenfalls sofort bemerkt.

      „Paßt gut auf“, raunte Hasard den Männern zu. „Offenbar werden Thorfin und Ribault gleich da sein. Laßt sie leise durch die Stückpforte unter das Quarterdeck herein. Ich schicke Bill nach unten.“

      „Aye, aye, Sir“, raunte Jack. „Wir passen auf, die Kerle werden bestimmt nichts merken.“

      Bill wurde nach unten geschickt und wartete auf das Boot, das etwas später auch fast unhörbar heranglitt. Er sah es erst, als es ganz dicht vor der Bordwand war. Es war mit Taufendern behangen, die das Geräusch dämpften, falls das Boot an die Bordwand stieß.

      Jetzt bewährten sich die außen fest angebrachten Stufen, und man brauchte nicht mehr über ausgehängte Jakobsleitern aufzuentern. Die Stufen führten bis dicht unter den Handlauf des Schanzkleides zur Kuhl, dicht neben dem Niedergang zum Quarterdeck.

      Diesen Weg nahmen die schweigenden Gestalten jedoch nicht einmal zur Hälfte, denn beim Aufentern hätte sie vielleicht ein scharfes Auge der Soldaten sehen können. Ihre Köpfe tauchten über dem Handlauf des Schanzkleides überhaupt nicht auf. Sie glitten geschmeidig von der Treppe auf die große Rüste, eine riesige Planke, über die die Wanten liefen, und krochen von dort aus durch die hochgezogene Stückpforte. Dahinter stand eine der mattschimmernden Fünfundzwanzig-Pfünder Kanonen, nagelneu, die noch nie eine Eisenkugel ausgespien hatte.

      Von dort aus war es nur noch ein Sprung bis zur Messe, wo sich der Großteil der Seewölfe versammelt hatte.

      Vier Mann waren erschienen. Thorfin Njal, Jean Ribault und die beiden Söhne des Seewolfs, Hasard und Philip.

      „Donner und Doria“, sagte Thorfin, als er an der Back Platz nahm. „Die Kerle haben euch aber ganz schön eingeheizt. Wir haben jeden einzelnen Vorgang genau beobachtet.“

      „Ja, das haben sie“, gab Hasard zu.

      Die Zwillinge sahen ihren Vater von der Seite her an, tauschten einen Blick miteinander und nickten.

      Dann fragte Hasard seinen Vater: „Warum hast du dir das alles gefallen lassen, Sir? Dieser erbärmliche Kerl hat euch regelrecht erniedrigt. Wir glaubten, jeden Augenblick würden die Fäuste fliegen und die Rohre Eisen spucken.“

      „Es gibt immer zwei Seiten“, sagte der Seewolf. „Angenommen, wir hätten das getan. Dann würden jetzt in irgendeinem Raum des Schiffes ein paar tote Männer liegen. Vielleicht der Profos, Ferris, Stenmark, Bill oder Will Thorne, vielleicht auch ich und vielleicht auch wir alle zusammen. Auf dem Kai hätten natürlich auch ein paar tote Seesoldaten gelegen. Danach wären vielleicht hundert andere erschienen und hätten den Rest der Mannschaft ebenfalls niedergemacht. Wir drücken uns vor keinem Kampf, im Gegenteil, oft genug fordern wir ihn heraus. Aber jeder muß in gewissen Situationen seine Grenzen kennen. Wir haben unsere gerade abgesteckt. Bisher ist nichts passiert, außer, daß wir an einer Eisenkette liegen und davon kriegt man keine sichtbaren Wunden. Niemand ist verletzt worden, alle leben und grinsen sogar, wie ich sehe, und nun überlegen wir, was wir tun werden. Zufrieden mit der Antwort, Söhnchen?“

      „Ja, Dad“, sagte Hasard heiser. „Sehr zufrieden sogar.“

      „Und du, Philip?“

      „Du bist der Klügere, Sir. Du handelst nicht übereilt.“

      „Ihr beide seid noch ein bißchen zu explosiv“, meinte Jean Ribault. „In eurem Alter handelt man spontan, später überlegt man genauer.“

      Auch der alte Baumeister Hesekiel Ramsgate nickte verstehend und gab den Seewölfen zu ihrem Verhalten recht. Ein paar Hitzköpfe hätten hier gar nichts ausgerichtet, es hätte nur Schaden gegeben.

      „Ich wollte noch mit Ihnen reden, Mister Ramsgate“, sagte der schlanke sehnige Franzose. „Wir haben noch nicht weiter über den Bau der Schiffe gesprochen, die ich in Auftrag geben wollte, weil einfach keine Zeit dazu war.“

      „Ich bin froh über jeden Auftrag“, sagte der Baumeister. „Die wirtschaftliche Lage ist nicht gut, und meine Werft wird gemieden. Ich war glücklich, daß ich die ‚Isabella‘ bauen durfte.“

      „Ja, da haben Sie Ihre ganze Kunst hineingesteckt“, meinte der Franzose aufrichtig. „Das Schiff ist einmalig konstruiert, ich könnte neidisch darauf werden. In gewisser Weise verstehe ich jetzt, warum der Marquess ein Auge darauf geworfen hat. Weshalb kriegen Sie denn kaum

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