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des Achterkastells geleiteten.

      Llamas hatte den Niedergang halb bewältigt, da trat ihm oben der Mann entgegen, den er aufgrund der Kleidung als den Kapitän identifizierte. Die Perücke schien ihm etwas zu groß geraten zu sein, sie hing ihm lockig in die Stirn und reichte ihm fast bis auf die Schultern. Auch der Rest seiner Montur saß schlecht und wirkte zu weit – doch Noberto Llamas stieß sich auch daran nicht, denn er räumte ein, daß ein Kapitän während einer einmonatigen Überfahrt erheblich an Körpergewicht verlieren konnte.

      „Buenas tardes“, sagte Noberto Llamas. Er war bemüht, den erforderlichen Schneid in seine Stimme zu legen. „Guten Abend, Capitán, und herzlich willkommen auf der Insel Sao Tomé. Sicher wundern Sie sich, daß nicht Capitán Alvaro Broviras persönlich hier an Bord Ihres Schiffes erscheint – Capitán Algaba.“

      „Ich bin auch mit seinem Stellvertreter zufrieden.“

      „Llamas ist mein Name – Noberto Llamas.“

      „Hocherfreut, Senor Llamas. Ich muß sagen, ich bin froh, Sao Tomé endlich erreicht zu haben.“

      „Lassen Sie mich erklären, was mit dem Capitán de Puerto, Alvaro Broviras …“

      „Später“, unterbrach der Kapitän. „Halten wir uns nicht mit Förmlichkeiten und Floskeln auf, Senor Llamas. Ich sagte doch, auch der Stellvertreter des Hafenkapitäns ist mir ein angenehmer Gast auf meinem Schiff. Rufen Sie jetzt Ihre vier Bootsgasten herauf, Senor.“

      „Alle vier?“ fragte der Segundo verwundert.

      „Ich habe ihnen etwas zu übergeben.“

      „Etwas Schweres?“

      „Das kann man sagen“, erwiderte Enrique José Algaba mit sparsamem Lächeln.

      Llamas glaubte zu verstehen, denn er rechnete damit, daß der Kapitän der Galeone den Männern der Schaluppe eine Last aushändigen würde, die man nicht einfach in den Einmaster abfieren konnte – beispielsweise Arzneimittel in zerbrechlicher Verpackung, die behutsam in die Schaluppe hinuntergemannt werden mußten.

      Die vier Männer hatten kaum die Kuhl der Galeone betreten, da begriff Noberto Llamas seinen furchtbaren Irrtum. Das Lächeln in den Gesichtern der Algaba-Leute verwandelte sich in ein höhnisches Grinsen, sie traten plötzlich von allen Seiten auf den Segundo und seine Begleiter zu. Ehe die fünf es sich versahen, hatten die Soldaten und Seeleute der „Santa Catalina“ zugepackt. Sie hielten die Männer der Schaluppe fest, rangen sie nieder und wollten sie fesseln.

      Llamas stöhnte auf. Er versuchte, seinen Degen oder seine Pistole zu zücken, wollte schreien und Alarm zum Ufer hin geben.

      Aber der Kapitän des Viermasters trat dicht vor ihn hin und hob einen Belegnagel. Zwei Kerle klammerten sich an Noberto Llamas fest, ein dritter stürzte hinzu, schlang ihm einen Arm um den Hals und preßte ihm mit der Hand den Mund zu.

      Llamas brachte nur noch einen erstickten Würgelaut zustande.

      Der Kapitän, der nie und nimmer der echte Enrique José Algaba sein konnte, sagte: „Ja, Senor Llamas, wir haben Ihnen wirklich etwas Schweres zu übergeben. Etwas Gewichtiges, meine ich.“

      Mit diesen Worten hieb er zu.

      Noberto Llamas glaubte das Kastell von Sao Tomé bersten zu sehen. Rotwabernde Glut zuckte aus den auseinanderklaffenden Trümmern hervor, und monströse Wesenheiten des Dschungels sprangen ihn aus dem Feuer an. Gesprungene Bronzeglocken läuteten mit dissonantem Klang zu seinem Untergang. Dann, endlich, versank alles in erlösender Finsternis.

      2.

      Unbeobachtet und völlig unbehelligt glitt zur selben Zeit ein Schiff aus Richtung Südwesten an die große Südbucht der Insel Sao Tomé heran, das zwar einen Mast weniger als die „Santa Catalina“ führte, sich sonst jedoch in jeder Weise mit der spanischen Galeone messen konnte.

      Von der Konstruktionsweise her war auch dieser Segler eine Galeone, aber seine Kastelle waren flacher, als man es normalerweise bei Schiffen dieser Klasse sah. Auffallend waren weiterhin die drei überhohen Masten mit der großen Segelfläche sowie das Ruderhaus; das der Hersteller auf dem Quarterdeck errichtet hatte. In diesem Ruderhaus gab es ein richtiges Ruderrad, der Kolderstock gehörte hier schon längst der Vergangenheit an.

      Auch die Kanonen des Dreimasters waren nicht von der herkömmlichen Art. Dem Kaliber nach 17-Pfünder-Culverinen, waren diese Geschütze mit übermäßig langen Rohren versehen, die ein genaues Zielen auf die Distanz von über einer Seemeile ermöglichten. Acht solcher Kanonen waren auf jeder Seite der Kuhl mit Brooktauen festgezurrt, und auf der Back und auf dem Achterdeck verfügte das Schiff zusätzlich über je zwei Drehbassen, also Hinterlader.

      Auch mit dem Namen dieses Seglers hatte es etwas ganz Besonderes auf sich. „Isabella VIII.“, das klang spanisch, und spanisch war das Wort seiner Herkunft nach auch. Aber eben nur das Wort. Die Galeone selbst unterstand dem Kommando eines Mannes, dessen Name dem Englischen entstammte – Philip Hasard Killigrew. Ein reinblütiger Engländer war aber auch er nicht, vielmehr der Sohn eines Malteserritters deutscher Herkunft und einer spanischen Adligen.

      Und so war auch Englands Sache zur See nicht uneingeschränkt seine Angelegenheit, wenn auch der Großteil der Crew aus „echten“ Engländern bestand. Als Freibeuter empfanden sie sich in erster Linie, als Gegner der Weltmacht Spanien-Portugal – und als Rebellen.

      Was war das für eine seltsame Mannschaft, die sich einbildete, Spanien und der Armada mit zwanzig Kanonen trotzen zu können? Ein Haufen Verrückter? Eine Handvoll verzweifelter Galgenstricke, die nichts zu verlieren, aber alles zu gewinnen hatten?

      Keineswegs. Sie hingen an ihrem Leben wie jeder Mensch, sie sehnten sich nach ihrem England, das sie nun schon einige Jahre nicht mehr gesehen hatten, und sie hatten ein verdammtes Verlangen, nach einem vernünftigen Landgang in der „Bloody Mary“ des Nathaniel Plymson in Plymouth mal wieder eine Runde auszuraufen.

      Und außer ihrem Leben und ihren Sehnsüchten hatten sie noch einiges zu verlieren – die „Isabella“ beispielsweise, die sie gemeinsam mit Hasard von ihren Beutegeldern gekauft hatten. Oder die immensen Schätze, die in den drei Frachträumen des Schiffes ruhten und an denen jeder der zweiundzwanzig Männer seinen Anteil hatte.

      Also waren sie nicht blindlings darauf aus, sich mit jedem Spanier anzulegen, der ihren Kurs kreuzte. Sie wußten sorgsam abzuwägen und hatten die nötige Umsicht, die eine Crew zu einer guten Crew stempelte und sie davon abhielt, unbedachte Handlungen zu begehen.

      So hatte der Seewolf sich in der Nähe der Walfisch-Bucht zwar von Lucio do Velho, seinem Gefangenen, hereinlegen lassen, aber die Crew war beherrscht genug gewesen, keinen hitzigen Ausfall gegen den bornierten portugiesischen Kommandanten zu unternehmen. Dies hatte letztlich zu einem Sieg der Seewölfe auf der ganzen Linie geführt.

      Sie konnten do Velho und dessen Bootsmann Ignazio jetzt vergessen. Eigentlich hätten sie zu dieser Stunde schon wieder von England träumen können, denn der Seewolf setzte alles daran, die „Isabella VIII.“ so rasch wie möglich nach Hause zu steuern. Westafrika war fast erreicht – und doch, da waren ein paar Kleinigkeiten, die zu einer erneuten Verzögerung führten.

      „Eine Zwangspause“, sagte Ben Brighton. Er trat an die Schmuckbalustrade und ließ die Hände auf die obere Querleiste sinken. „Himmel, und das ausgerechnet jetzt, da wir den Äquator noch nicht richtig überquert haben. Der Teufel soll diese elenden Tropen holen.“ Er wischte sich mit einer Hand durchs Gesicht. Seine Finger wurden naß. Obwohl er wie die anderen Männer der Crew mit nacktem Oberkörper auf Deck stand und obwohl es Abend geworden war, drang ihm der Schweiß aus allen Poren.

      Hasard trat neben seinen Bootsmann und ersten Offizier. „Wir sind über den Äquator weg, Ben. Und gerade seinetwegen sind wir ja dazu verdonnert, in diese Bucht hier zu verholen.“

      „Und wegen des Windes“, gab Ben zu bedenken.

      „Schön, der beständige Westwind hat uns daran gehindert, weiter nach Nordwesten

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