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Adriana den gehaspelten Satz ihrer Zofe. „Daß nur Cadiz uns mit Heilmitteln, mit einem kundigen Arzt, mit unverseuchtem Trinkwasser versorgen kann. Und daß Alvaro Broviras und Joaquin Barba Valiente vorschlügen, die ‚Santa Catalina‘ solchermaßen auszurüsten, von der wir wußten, daß sie seinerzeit zum Auslaufen bereit im Hafen von Cadiz lag. Der Kapitän des Schiffes, Enrique José Algaba, ist ein Freund von Broviras gewesen, und gerade dieser Umstand verpflichtet ihn letztlich auch moralisch, etwas für uns zu tun. Nun, der portugiesische Handelssegler, dessen Kurs weiter nach Irland führte, scheint Cadiz tatsächlich erreicht und sein Kapitän die streng vertrauliche Botschaft an die Autoritäten überbracht zu haben. Doch wer garantiert uns, daß Algaba auch wirklich alles Erforderliche hat mitnehmen können?“

      „Aber Senora“, hauchte Sandra entsetzt.

      Adriana Valiente lächelte. „Schon gut, schon gut, laß dich von meiner Skepsis nur nicht anstecken. Hast du auch nach Don Joaquin gesehen?“

      „Selbstverständlich.“

      „Wie geht es ihm?“

      „Er schläft nach wie vor.“

      „Ohne Unterbrechung?“

      „Ohne auch nur einmal aufzuwachen …“

      „Und das Fieber dauert an“, sagte Adriana. „Der Schlaf trägt nicht zu seiner Genesung bei – im Gegenteil. Was ist das für eine tückische Krankheit, Sandra, die meinen Mann in einen so tiefen, ohnmachtsähnlichen Schlaf geworfen hat, aus dem er seit Wochen nicht mehr aufwacht?“

      „Ich weiß es nicht.“

      „Er schläft und zuckt manchmal wie unter Peitschenhieben, ohne jedoch die Augen aufzuschlagen. Das Fieber treibt ihm den Schweiß aus den Poren, läßt ihn zittern, schwächt ihn. Er kann keine Nahrung zu sich nehmen.“

      „Es ist schrecklich, Dona Adriana.“

      „Wenn Capitán Algaba und die anderen Männer der ‚Santa Catalina‘ die Festung betreten, führst du sie sofort in das Zimmer meines Mannes, Sandra.“

      „Si, Senora. Kennen Sie Capitán Algaba persönlich?“

      „Nein. Und was soll die Frage?“

      „Gar nichts …“

      „Dann behalte die nächste Frage dieser Art, die dir auf der Zunge liegt, gefälligst für dich. Und lege mir eines meiner Kleider bereit, damit ich die Männer der Galeone in angemessener Form begrüßen kann. So, wie ich jetzt angezogen bin, kann ich ihnen unmöglich gegenübertreten.“

      „Ja, Senora.“

      Adriana blickte der Zofe nach, als diese den Raum verließ und die Tür hinter sich schloß. Sandra hatte sich nur erkundigt, ob ihre Herrin den Kapitän der „Santa Catalina“ kannte, aber damit hatte sie schon an eine Wunde gerührt – sie war nun schon lange genug auf Sao Tomé und wußte natürlich, daß die Ehe der Valientes nicht die beste war und die schöne Adriana gegen eine interessante Bekanntschaft außer Haus nichts einzuwenden gehabt hätte.

      Don Joaquin, dachte Adriana, ich wünsche dir nichts Böses, aber ich kann dich auch nicht bedauern, denn du hast mich zu schlecht behandelt. Vielleicht wirst du ewig schlafen und ins Jenseits hinüberdämmern, ohne mich noch einmal an dein Lager rufen zu können. Ich finde, das wäre so am besten für uns beide, und ich verspreche dir, daß ich nachholen werde, was ich versäumt habe, falls du das Zeitliche segnen solltest.

      „Santa Catalina“ – der Name der schweren Viermast-Galeone grüßte in geschwungenen Lettern von ihrem Steuerbordbug zu den Besuchern herüber und schien in der Dunkelheit fast übergangslos in den Verzierungen der Bordwand und dann nach achtern zur Galerie auszulaufen.

      Die Galerie umspannte massiv und gewichtig die gesamte Heckpartie des Schiffes. Sie wurde von schnörkeligen Löwenfiguren gestützt, die aus Holz geschnitzt und mit einem goldenen Anstrich versehen waren. Über der Balustrade ragten die erleuchteten Fenster des Achterkastells auf, und noch weiter darüber erhoben sich die Aufbauten bis zum stolz nach achtern aufstrebenden Oberdeck der Hütte.

      Der Segundo Noberto Llamas, ein zweiter Offizier ohne Furcht und Tadel, ließ seinen Blick über den Rumpf des mächtigen Schiffes wandern, bevor er ganz nach vorn in den Bug der einmastigen Schaluppe stieg und sich anschickte, an der Jakobsleiter des Seglers aufzuentern.

      Längst war die Jakobsleiter an Steuerbord der „Santa Catalina“ ausgebracht worden. Oben vom Schanzkleid winkten die Soldaten und Seeleute dem Begrüßungskomitee freundlich zu.

      Die Schaluppe, deren Großsegel und Fock nun ins Gei gehängt wurden, gehörte dem Hafenkapitän von Sao Tomé. Llamas trat als sein Stellvertreter auf – aus zwingenden Gründen sozusagen.

      Llamas spürte, wie sein Herz schneller klopfte. Da war sie, die langersehnte „Santa Catalina“, noch erschien ihm ihre Ankunft wie ein Traum. Wichtiges mußte sie an Bord haben, Proviant und Trinkwasser, die die zweifellos infizierte Nahrung der Inselbewohner ersetzen sollten. Einen Arzt hoffte Llamas zu sehen, einen auf Tropenkrankheiten spezialisierten und mit modernsten Arzneien ausgerüsteten studierten Mann, der die. Garnison heilen sollte.

      „Warum“, so würde der Capitán Algaba zweifellos fragen, „warum haben Sie die Insel nicht evakuieren lassen, Segundo?“

      Nun, darauf gab es eine sehr plausible Antwort. Ein Teil der Zivilbevölkerung war zu den Kolonien des schwarzen Kontinents hinübertransportiert worden, aber wer Besitz auf Sao Tomé hatte, war geblieben. Und die Offiziere und Soldaten konnten diesen verfluchten Flecken Erde nicht verlassen, denn sie hatten den ausdrücklichen Befehl, hier, auf diesem vorgeschobenen und strategisch so wichtigen Posten mitten im Atlantik, die Stellung um jeden Preis zu halten.

      Aber ohne Hilfe konnte Sao Tomé nicht mehr lange existieren. Ein erbarmungslos heißer Sommer und Myriaden von Dschungel-Ungeziefer, die über die Siedlung und den Hafen hergefallen waren, hatten die spanischen Besatzer in die Knie gezwungen.

      Die Kapitäne der Schiffe, die an den Piers oder auf der Reede lagen, waren samt dem Großteil ihrer Offiziere und Mannschaften nicht mehr imstande, einen Segler vorschriftsmäßig zu manövrieren. Sie waren also zum Hierbleiben verdammt.

      Aber auch das war streng geheimgehalten worden.

      Sao Tomé galt als eine uneinnehmbare Bastion. Ihr Hafen konnte durch eine riesige Eisenkette zur offenen See hin abgeriegelt werden, und die Festung mit ihren Kanonen hatte bisher noch jedem Angriff getrotzt.

      Aber nur ein elender Pirat brauchte von dem Mißgeschick zu erfahren; das Sao Tomé getroffen hatte, dann war es um diese Kolonie geschehen. Mit einer Handvoll von wild entschlossenen Kerlen konnte ein Freibeuter-Kapitän hier sehr schnell aufräumen und das Kommando an sich reißen. Damit hatte er dann eine Insel unter der Fuchtel, von der aus er so manchen spanischen Schiffsverband aufbringen und kapern konnte.

      Falls er nicht an den Krankheiten zugrunde geht, dachte der Segundo Noberto Llamas, als er aufenterte. Die Schaluppe war längsseits der Galeone gegangen. Llamas war als erster Mann der fünfköpfigen Schaluppenbesatzung in die Querhölzer der Leiter gestiegen.

      Llamas legte sich schon sämtliche Worte zurecht, mit denen er die Landsleute begrüßen und den Kapitän José Algaba über die prekäre Situation unterrichten würde. Broviras, der Hafenkapitän, hatte diesen Mann persönlich gekannt und ihn aus diesem Grund ja auch von Cadiz bis hier herüber gelotst. Llamas jedoch, der nicht aus Cadiz stammte wie Broviras und Algaba, sondern aus Valencia, mußte dieser Schiffsführer erst noch vorgestellt werden.

      So kletterte Llamas auf die Berghölzer der „Santa Catalina“, richtete sich zu seiner vollen Körpergröße auf, schob sich mit dem Leib über die Oberkante des Schanzkleides und zog zuletzt die Beine nach.

      Die Soldaten der Galeone griffen ihm hilfreich unter die Arme und stellten ihn auf die Planken der Kuhl.

      Llamas atmete tief durch und sagte: „Danke. Ich will sofort zu eurem Kapitän geführt werden.“

      „Si, Senor“, antwortete der eine Soldat.

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