Скачать книгу

Will!“ Hasard winkte ihn heran.

      Will Thorne verstand und ging nach achtern. Hasard unterrichtete ihn von den Beobachtungen und dem bestätigenden Signal.

      Dann erkundigte er sich: „Wir alle wissen, daß auf der ‚Fidelidad‘ kein Zeug mehr im Laderaum ist. Ein paar Fetzen, die wahrscheinlich nichts mehr taugen. Schaffst du es, das Großsegel so gut wie irgend möglich zu retten? Es sollte bis London reichen. Wenn nicht, haben wir Pech gehabt.“

      Natürlich wußte Will Thorne über seine Vorräte und Möglichkeiten sehr genau Bescheid. Er antwortete schnell und mit der Sicherheit des Fachmannes.

      „Nadel und Garn, Sir, überhaupt keine Frage. Genügend vorrätig. Die Herren Vorbesitzer dieses feines Seglers waren sorglos oder schon sehr lange auf See. Ich habe unten eine Rolle mit etwa dreißig Quadratfuß Leinwand, abgesehen von ein paar Flicken, doppelt handgroß oder so. Die Rolle ist zwei Fuß breit.“

      „Kannst du etwas damit ausrichten?“

      „Ich denke schon. Aber das Segel drüben“, er deutete zu der Galeone, die jetzt Kurs auf die Schebecke nahm, „ist mürbe und uralt. Wahrscheinlich halten meine Flicken länger als der Rest.“

      „Dieses Risiko müssen wir eingehen“, sagte Hasard. „Packe deinen Kram zusammen. Wir gehen längsseits, und du reparierst ihnen das Segel. Die See ist voller Gefahren, also mußt du damit rechnen, daß wir plötzlich ohne dich abhauen.“

      „Ich nehme eine, Kruke Wein mit, dann halte ich es auch auf der ‚Fidelidad‘ aus“, sagte Thorn mit breitem Grinsen und enterte ab.

      Fast immer segelten beide Schiffe nebeneinander, zumindest aber in Sichtweite. Die Galeone war langsamer, überdies war der Rumpf stark bewachsen, und dazu kam der Zustand der Segel. Die kleine Besatzung genügte völlig, um die „Fidelidad“ auf Kurs zu halten. Jetzt hatten sowohl Piet Straaten auf der Galeone als auch Gary Andrews auf der Schebecke den Kurs geändert. Die Schiffe, noch immer auf nördlichem Kurs, näherten sich langsam.

      „Eigentlich ist es ganz gut, daß der Wind nicht allzu kräftig ist“, meinte Ben Brighton. „Wahrscheinlich würden sonst die Segel nur noch in Fetzen hängen.“

      „Und die Spanier in den Beibooten und auf ihren Wracks hätten auch keine Überlebenschancen“, stimmte Hasard zu. „Wenn sie ihren Schock überwunden haben, die armen Dons, werden sie wohl vor Wut kochen.“

      Bedächtig schüttelte der Erste Offizier den Kopf. Seine dunkelblonden Haare flogen im Wind.

      „Dieses Kapitel, schätze ich, ist auch noch nicht abgeschlossen. Wenn die Kapitäne ein Schiff unter die Füße kriegen, werden sie uns wieder verfolgen. Du kennst sie!“

      „Ich kenne sie“, brummte Hasard. „Wenn sie den Namen ‚Seewolf‘ hören, fletschen sie die Zähne und knurren. Wie Plymmie. Wenn sie können, beißen sie auch.“

      Will Thorne hatte seine wenigen Segeltuch-Vorräte mitsamt dem Werkzeug in einen Seesack gestopft und verschnürte ihn. Drüben auf der Galeone enterte ein Mann in die Steuerbord-Großwanten und laschte ein dünnes Tau an. Mehrmals mußte die Schebecke in den Wind gedreht werden, damit die Galeone nicht zu sehr zurückfiel. Nach einer knappen Stunde segelten beide Schiffe nebeneinander her, wurden Handbreit um Handbreit näher zueinander zugesteuert, und während die beiden Crews sich die letzten Neuigkeiten zuriefen, schleuderten Will Thorne und der Profos den Seesack, an einer Leine gesichert, zur Galeone hinüber.

      „Beeilt euch!“ rief Hasard Don Juan zu. „Sonst hängen wir noch tagelang hier an der gefährlichen Küste herum.“

      „So schnell wie möglich!“ rief Don Juan zurück. „Wie du siehst, ist schon alles vorbereitet.“

      „Ich sehe. Wir bleiben in der Nähe.“

      „Denkt ihr auch an die Wut unserer Freunde?“ fragte Don Juan.

      „Diese Don Philipps können uns überhaupt nicht beeindrucken“, brummte Edwin Carberry. „Wenn sie sich eine neue Abfuhr holen wollen, bitte sehr.“

      Hasard grinste. Er sah die Gefahr ein wenig anders.

      Das Tau, in das zwei Schlingen geknotet worden waren, pendelte herüber zur Schebecke. Der Segelmacher hob einen Fuß in die untere Schlinge, hielt sich mit beiden Händen an der oberen fest und stieß sich, als die Schebecke tiefer lag und die Galeone sich nach Backbord neigte, geschickt vom Schanzkleid ab.

      Er schwang hinüber und wurde von Paddy Rogers und Jack Finnegan aufgefangen.

      „Gute Verrichtung!“ rief Jung Philip hinüber. „Bis bald!“

      Schwerfällig stampfte die „Fidelidad“ davon, während die Schebecke nach Steuerbord abdrehte und wieder schneller wurde. Noch immer war die Küste Portugals nicht aus dem Sichtbereich verschwunden. Es war durchaus denkbar, daß ein Teil der Seegefechte von Land aus beobachtet worden war. Genügend Wachtürme standen auf den Klippen, und auch an klaren Tagen sahen die Seewölfe den Rauch von Signalfeuern.

      „Wahrscheinlich reißt das nächste Segel, wenn Thorne mit dem Großsegel fertig ist“, unkte Ferris Tucker.

      Die Crew der Galeone hatte das Segel gestrichen und von der Rah geholt. Als Will Thorne auf die Planken sprang, lag die zerschlissene Leinwand bereits ausgebreitet an Deck.

      Er packte seinen Seesack und stieß einen schauerlichen Fluch aus.

      „Wenn jemand achtern hustet, reißt der Rest in Fransen“, sagte er, schüttelte fassungslos den Kopf und ging an die Arbeit.

       2.

      Auf die Schultern von de la Torre gestützt, wankte Capitán Jorge Recalde über den nassen Sand. Die knarzenden Stiefel, die voller Salzwasser waren, hinterließen tiefe, verwischte Eindrücke. Einige Steinwürfe weit entfernt lag das fast unkenntliche Wrack einer ihrer Karavellen schräg im Sand.

      Die Abendsonne brannte auf die Schultern der Spanier, die sich an Land und in Sicherheit schleppten.

      „Noch ein Zeichen für unsere Niederlage“, murmelte der Kapitän der vernichteten „San Leon“. Über die Dünen eilten kleine Gruppen von Portugiesen, von denen das Boot beobachtet worden war.

      „Es wird auch wieder Siege geben, Capitán“, versuchte ihn der Erste Offizier zu trösten. „Wir alle hatten Glück.“

      „Das nennst du Glück?“

      Die Männer der wrackgeschlagenen Fahrzeuge taumelten über den Strand. Wie es schien, hatten die Mannschaften aller vier Karavellen dieses Desaster überlebt. Sie waren hungrig und naß, todmüde und durstig. Wind und Strömung hatten die Arbeit der erschöpften Ruderer unterstützt, und die Feuer der Leuchttürme waren sichere Zeichen gewesen.

      „Hallo!“ riefen die Fischer und Bauern. „Wir haben euch gesehen!“

      De la Torre rief keuchend: „Wo sind wir? Welcher Ort ist das? Ich meine, es ist Porto!“

      „Nicht ganz. Dort drüben liegt Porto. Die Männer – sie sind schon dorthin unterwegs.“

      Vier Karavellen hatten die Galeone und die Schebecke verfolgt, drei von ihnen allein für diesen Zweck von Porto aus eingesetzt. Alle vier waren von den britischen Kanonieren so gut wie vernichtet worden. Die Wut der Spanier war größer als die Enttäuschung. Daran, daß sie überlebt hatten und eigentlich glücklich sein sollten, dachte kaum einer.

      „Welche Männer?“

      „Die anderen, die sich gerettet haben. Die Kapitäne warten beim Bürgermeister.“

      „Bringt ihr uns zu ihnen?“

      „Die Wagen warten hinter dem Dünenkamm.“

      Die Männer hatten die zerschlagene „Hermosito“ unter Segel und mit Riemenhilfe auf den Sand gesetzt. Einer nach dem anderen kletterte von Bord und folgte dem fremden Kapitän, der jetzt von

Скачать книгу