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Donegal Daniel O’Flynn trat ganz achtern ans Schanzkleid, blickte zu den Feinden hinüber und spuckte verächtlich ins Kielwasser.

      „Pah“, sagte er. „Was kann uns denn jetzt noch passieren?“

      Der Wind blies frisch bis handig aus Südosten. Die „Isabella VIII.“ hatte Vollzeug gesetzt und rauschte wie ein stolzer Schwan dahin. Sie gewann ständig an Geschwindigkeit und war dem Gegner tatsächlich haushoch überlegen.

      Die Verfolgerschiffe nahmen sich klein und kleiner an der Kimm aus. Schließlich verschwanden sie ganz.

      Hasard hatte schmale Augen. Er traute dem Frieden nicht. „Wir treffen auf jeden Fall unsere Vorbereitungen“, sagte er.

      Sein Pessimismus schien wirklich unbegründet zu sein. Der Südostwind dauerte an und blieb den ganzen Vormittag über beständig. Azurblauer, wolkenloser Himmel spannte sich über dem Levantinischen Meer.

      Hasard ließ sich nicht beirren. Irgendwie war es gut, einen Gegner im Nacken zu haben, so abwegig das klang. Ohnedem wäre er leicht in dumpfes Brüten verfallen, und das war bei seinem derzeitigen seelischen Zustand Gift für sein Gemüt.

      Also blieb er pausenlos aktiv. Er inspizierte die Gefechtsstationen und sagte zur Carberry: „Ed, das Schiff bleibt konstant kampfbereit. Daß sich bloß keiner einbildet, jetzt in Schlendrian verfallen zu können.“

      „Aye, aye, Sir. Wer quertreibt, dem ziehe ich die Haut in Streifen von seinem verdammten …“

      „Geschenkt, Profos.“

      „Aye, aye, Sir.“

      Hasard gab Batuti und Big Old Shane sowie Al Conroy, Smoky und den anderen Drehbassen-Schützen klare Anweisungen, wie sie sich im Falle einer Auseinandersetzung zu verhalten hätten. Danach begab er sich ins Achterkastell. Er trat von der Kapitänskammer auf die Heckgalerie. Hier stand Ferris Tucker und war soeben dabei, die Arbeiten an den Fenstern abzuschließen. Es gehörte besonderes Geschick dazu, die runden Bleiglasscheiben fachgerecht einzusetzen. Ferris hatte es so perfekt hingekriegt, daß man nicht einmal mehr ahnte, was der Schußhagel der Feinde angerichtet hatte.

      „Weitere ernste Schäden waren nicht zu verzeichnen“, sagte der rothaarige Riese. „Ich habe den gesamten Schiffsinnenraum kontrolliert, der Vorsicht halber. Nichts. Nicht das kleinste Loch, schon gar nicht unterhalb der Wasserlinie. Die ‚Isabella‘ ist fabelhaft in Schuß.“

      „Darauf kommt es mir an.“

      Hasard sprach nicht weiter. Er hielt nur die Nase in den Wind und schnitt plötzlich eine besorgte Miene. Ferris sagte nichts. Er verstand.

      Der Wind schralte.

      Der Seewolf eilte aufs Achterdeck. Ja, tatsächlich, der Wind drehte von Südost auf Süd – warum, das mochte der Leibhaftige wissen! Immer noch war der Himmel wolkenlos. Die Sonne stand im Zenit und brannte auch jetzt noch, im Herbst 1581, mit solcher Macht auf diesen Teil des Mittelmeeres, daß die Crew halbnackt und trotzdem schwitzend auf Deck herumlief.

      Die „Isabella VIII.“ lief also jetzt nicht mehr einen Raumschotskurs, sondern mit halbem Wind. Die Galeone war ein schneller, überaus gut zu manövrierender Segler, aber eben doch überwiegend für raume Winde gebaut. Bei halbem Wind und auf Kreuzkursen hart am Wind segelte sie nicht so schnell.

      Carberry gab die Bestätigung. „Himmel, Arsch und Zwirn“, fluchte er auf der Kühl. „Anbrassen, ihr Kanalratten – nicht wegschricken, zum Satan noch mal! Packt doch die verfluchten Schoten richtig an, oder muß ich euch Kakerlaken das erst wieder vorexerzieren? He, ihr Rübenschweine, hat euch die Sonne die Gehirnkästen ausgedörrt? Versteht ihr kein Englisch mehr? Braaaßt an, hab ich gesagt!“

      „Wir sind doch nicht taub“, gab Blacky zurück. „Aber da ist nichts mehr drin.“

      „Pete!“ rief Hasard.

      „Sir?“ tönte Pete Ballies Stimme aus dem Ruderhaus zurück.

      „Abfallen nach Steuerbord. Wir gehen auf Kurs West-Nord-West.“

      „Aye, aye, Sir.“

      Es nützte nichts. Der Wind schralte weiter. Er wehte aus Südwesten, die „Isabella“ konnte auch den neuen Kurs nicht halten. Hasard hatte kein Verlangen danach, weiter zu korrigieren und nach Norden abgeleitet zu werden.

      „Dann landen wir womöglich an der Südküste von Zypern“, sagte er zu Ben Brighton. Sie rollten auf dem Achterdeck die Seekarte aus. Hasard tippte mit dem Finger auf ihre derzeitige Position. Anhand der Navigationsinstrumente, die sie an Bord mitführten, hatte er sie ziemlich genau berechnet. „Dort geraten wir an weitere Piraten. Nein, Ben. Ich will so schnell wie möglich nach Malta, um den Schatz bei den Malteserrittern abzuliefern.“

      „Bleibt nur noch eins. Wir kreuzen.“

      „Du hast es erfaßt.“

      Hasard gab den Befehl. Von jetzt an war es eine beschwerliche Sache, weiter nach Westen vorzudringen. Kreuzen, das hieß, immer zwei Schritte vor und einen zurück zu tun. Carberrys gebrüllte Kommandos purrten die Männer unablässig an die Brassen und Schoten. Alle hatten ausreichend zu tun, schimpften, schwitzten, malten sich bereits aus, was nun folgen würde.

      „Geben wir uns keinen Illusionen hin“, sagte Hasard zu Ben, Ferris, Shane und Old O’Flynn. „Der Feind holt jetzt auf. Er ist uns sogar klar überlegen.“

      „Wir sind gefechtsbereit“, erwiderte Shane. „Das war doch ein kluger Zug von dir, Hasard.“

      Hasard behielt die östliche Kimm im Auge. Nur etwa eine halbe Stunde verstrich, und schon meldete sich Dan O’Flynn mit einem alarmierenden Ruf aus dem Hauptmars.

      „Deck! Mastspitzen Steuerbord achteraus!“

      „Ist gut, Dan!“ rief Hasard zurück. „Das sind sie.“

      „Richtig – die beiden Zweimaster!“

      „Ich hab’s geahnt“, murmelte der Seewolf. Er hob wieder das Spektiv ans Auge. „Die haben gewaltig aufgeholt.“ In der kreisrunden Optik zeichneten sich jetzt die Mastspitzen über der Kimm ab. Allmählich schoben sich die feindlichen Segler hervor, so, als stiegen sie geradewegs aus dem Inneren der Erde.

      Die „Isabella“ fuhr gerade einen Kreuzschlag nach Norden. Die beiden Piratenschiffe befanden sich also südöstlich von ihr. Etwas später, als die Galeone den Kurs wechselte, hielten beide Parteien praktisch direkt aufeinander zu.

      „Sie haben Oberwasser“, sagte Ben Brighton wutentbrannt. „Mit ihren Lateinersegeln sind sie uns überlegen.“

      Schiffe mit dreieckigen Lateinersegeln waren ausgezeichnete Am-Wind-Segler, denn die Segel an ihren langen Gaffelruten konnten sehr viel weiter dichtgeholt werden als Rahsegel.

      „Sie spielen ihren Trumpf voll aus“, entgegnete Hasard. „Da, sie laufen jetzt nach Norden ab. Sie wollen uns dort den Weg abschneiden. Für den Fall, daß wir zu kneifen versuchen und die Flucht nach Zypern antreten.“

      „Die beißen sich in ihren eigenen Hintern!“ rief Shane.

      Hasard schüttelte den Kopf. Er mußte jetzt doch grinsen. Er wies nach Osten, wo in Lee der „Isabella“ nun wieder etwas auftauchte – neue Mastspitzen.

      Shane folgte dem Fingerzeig mit dem Blick, dann schrie er nach oben: „Dan, he, Dan! Pennst du?“

      „Hölle, Tod und Teufel!“ rief der junge O’Flynn zurück. Er hatte rasch den Kopf gewandt und seinen Fehler erkannt. Für einen Moment war er unaufmerksam gewesen. Arwenack, der Schimpansenjunge, keckerte zurechtweisend.

      Dans Versäumnis war nicht von Bedeutung. Auch wenn er die neuen Mastspitzen sofort gemeldet hätte, hätte sich an den Gegebenheiten nichts mehr ändern lassen. Zum Ausweichen war es für die „Isabella“ zu spät, im übrigen war es ihr seit dem Drehen des Windes gleichsam unmöglich geworden, aus dem Teufelskreis zu entweichen.

      Die fünf Galeeren waren zur Stelle! Daß sie den Wind von vorn hatten,

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