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Schatz an Bord gebracht und waren westwärts gesegelt. Aber die Männer des Scheichs waren ihnen gefolgt. Nach einem siegreichen Gefecht gegen drei Piratenschiffe hatte Hasard an der Küste geankert und war prompt von der Landseite her überfallen worden – von Männern des Scheichs, der erfahren hatte, was von Hasard in der Tempelruine erbeutet worden war.

      Jetzt schien der Kampf endgültig vorbei zu sein, und Hasard fragte sich wieder und wieder, wozu er dies alles überhaupt noch tat.

      Zuerst Gwen, seine geliebte Frau! Jean Ribault hatte ihm auf Toruga die Nachricht überbracht, daß sie nicht mehr am Leben war. Gwendolyn Bernice O’Flynn, dieses blutjunge Geschöpf, das von ihm angebetete und zutiefst verehrte Mädchen, die zärtlichste aller Mütter – aus und vorbei. Ihm war zumute gewesen, als habe man ihn der Hälfte seines Körpers und Geistes beraubt. Er hatte kaum noch einen klaren Gedanken fassen können und war wie in lähmender Trance nach Europa zurückgekehrt.

      Dann die Entführung seiner Kinder! Die Jagd von Frankreich nach Spanien bis ins Mittelmeer, immer den beiden Teufeln Keymis und Burton nach! Sie hatten für ihre Schandtat mit dem Leben bezahlt – und doch hatte Hasard seine Kinder nicht retten können.

      Tot! schrie es in ihm.

      Schlag auf Schlag, immer drauf auf den verfluchten Bastard, diesen Killigrew, der kein Killigrew war, diesen ungewollten, unerwünschten Abkömmling eines Malteser-Ritters und einer spanischen Adligen! Er hatte ja Übung darin, Nackenhiebe zu empfangen. Wie es schien, war er dazu verdammt, sein Leben lang durch Schicksalsschläge gegeißelt zu werden.

      „Mein Gott“, sagte Hasard. „Hört denn das nie auf?“

      Ben Brighton trat zu ihm.

      „Glaub mir, ich kann dich begreifen“, sagte er. „Es gibt nichts, womit wir dir jetzt helfen könnten. Aber du mußt wissen, daß wenigstens wir noch an deiner Seite sind – deine Freunde.“

      „Danke, Ben. Himmel, ich würde alle Schätze dieser Welt dafür geben, es rückgängig machen zu können. Burton, dieser elende Hund! Hätte er das nicht für sich behalten können?“

      „Es hat ihm doch nur Spaß bereitet, dir noch einen Stich zu versetzen“, sagte Ferris Tucker. „Aas bleibt Aas, auch im Moment des Abkratzens.“

      Big Old Shane war neben ihnen und musterte sie der Reihe nach. „An eins hat bisher keiner von euch gedacht. Burton könnte gelogen haben. Das wäre ihm zuzutrauen, diesem stinkenden Bastard.“

      „Der schmort jetzt im Fegefeuer“, sagte Old O’Flynn. „Der kriegt sein Fett für all das, was er angerichtet hat.“

      Hasard versuchte zu grinsen, brachte es aber nicht zustande. „Danke für euren Beistand“, entgegnete er. „Ihr habt schon genug für mich getan. Ich hatte auch kein Recht, euch in die ganze Geschichte hineinzureißen. Letztlich ging es doch um meine persönlichen Probleme.“

      „Fängst du jetzt wieder damit an“, sagte Ben. „Wir sind uns doch schon seinerzeit in Algier klargeworden, daß deine Angelegenheiten auch unsere sind, oder?“

      „Ja. Gut, lassen wir das. Aber eines steht fest.“ Hasard sah Old Shane an. „Burton hat nicht gelogen. Ich wünschte, es wäre so. Aber ich glaube einfach nicht daran, daß ein Sterbender noch Unwahrheiten sagt.“

      „Glauben ist nicht wissen“, erwiderte Shane.

      „Machen wir uns doch gegenseitig nichts vor, Shane.“

      „Wie du willst, Hasard.“

      Sie wurden durch Dan O’Flynn unterbrochen. Er hatte seinen Stammplatz im Großmars erklommen und rundum Ausschau mit dem Kieker gehalten. Jetzt begann er aufgeregt zu gestikulieren.

      „Ho, wir kriegen Besuch! Mich soll der Schlag treffen, wenn der nicht uns gilt! Mastspitzen, Männer – Mastspitzen an Backbord!“

      Die Männer auf Deck wandten den Blick. Hasard spähte wieder durch sein Fernrohr, aber er vermochte die Mastspitzen erst später als Dan zu erkennen. Das lag ganz einfach an den unterschiedlichen Höhenpositionen, die sie innehatten.

      Dann aber tauchten die Stengen und Flögel der fremden Schiffe auch für den Seewolf über der südlichen Kimm auf. Deutlich unterschied er im weißen Morgenlicht sieben Schiffe, davon zwei unterschiedliche Typen. Der Verband rundete eine etwa zwei Meilen ins Meer hinausreichende Landzunge.

      „Zwei zweimastige Segler und fünf Galeeren“, sagte Hasard. „Sie nehmen Kurs auf die Küste.“

      „Offenbar haben sie den Scheich und seine Kerle gesehen“, sagte Ben. „Ich würde lachen, wenn die Männer auf den Schiffen Piraten wären. Was meint ihr, ob sie sich nicht lieber an Manach el Bedi halten – statt an uns?“

      Hasard schüttelte den Kopf. „Daß wir es mit Piraten zu tun haben, halte ich für sehr wahrscheinlich. Aber der Scheich arbeitet mit ihnen zusammen. Ich stelle mir folgendes vor: Als wir mit dem Schatz die Bucht verließen, schickte er außer unseren Verfolgern noch einen kleinen Trupp Reiter nach Beirut, um die dort liegenden Piraten um Verstärkung zu bitten. Klingt doch logisch, oder?“

      „Hölle und Teufel, ja“, sagte Shane. „Natürlich gingen die Halunken sofort ankerauf. Erstens sind wir hier allen Freibeutern ein Dorn im Auge, und sie haben eine Stinkwut auf uns, weil wir eins ihrer Schiffe gekapert haben, um einen neuen Besan zu kriegen.“ Bevor die Seewölfe in Syrien gelandet waren, hatten sie sich auf diese rüde Weise Ersatz für den kaputten Kreuzmast verschafft. „Zweitens“, fuhr Shane fort, „dürfte es sich wohl inzwischen herumgesprochen haben, daß dies das Schiff des gefürchteten Seewolfs ist – und daß dieser Seewolf Besitzer sagenhafter Schätze ist. Ein doppelter Grund für die Piraten, uns nachzujagen.“

      Old O’Flynn trat wütend mit dem Holzbein auf. „Hol’s der Henker, es wird sich aber ja wohl auch herumgesprochen haben, daß wir dem Schurken Uluch Ali das Fürchten beigebracht haben, oder?“

      „Den haben die Haie längst gefressen, und seine Scheiß-Galeere verfault auf dem Meeresgrund vor der algerischen Küste“, sagte Ferris Tukker. „Wenn ihr mich fragt, das zählt nicht mehr. Piraten sind außerdem keine geistigen Leuchten und haben ein miserables Gedächtnis. Was Uluch Ali widerfahren ist, haben wir längst vergessen.“

      „Pech für sie“, sagte Shane grimmig.

      Da würde ich nicht so sicher sein, dachte Hasard. Er hütete sich aber, es laut auszusprechen. Sein Selbstvertrauen war erschüttert. Gut, sie waren Manach el Bedis Schergen entwischt, sie hatten den Schatz, es gab Gott sei Dank keine Verwundeten. Aber Hasard wertete dies nur als zufällig glückliche Fügung. Der Rest, die Pechsträhne, würde fortdauern. Seine Familie war vernichtet. Sollte er jetzt auch noch seine treue Crew opfern?

      Diese nagenden Zweifel! Hasard biß sich auf die Unterlippe. Nein, er durfte es seiner Mannschaft nicht zeigen, wie schwach er war. Es hätte ihr Vertrauen in ihn erheblich erschüttert. Das aber wollte er nicht aufs Spiel setzen, um keinen Preis der Welt.

      Unausgesetzt beobachtete er durch den Kieker die Küste.

      „Eine der Galeeren hat sich aus dem Verband gelöst“, teilte er seinen Männern mit. „Sie staffelt bis dicht an das Ufer, dreht bei und setzt jetzt ein Beiboot aus. Die anderen sechs wechseln wieder den Kurs und heften sich an unsere Fersen.“

      „Ich wette, die eine Galeere nimmt den Scheich an Bord“, sagte Ben.

      „Richtig.“ Hasard verfolgte durch die Optik, wie von Land aus zwei Männer ins flache Uferwasser liefen. Sie erreichten das auf den Brandungswellen schaukelnde Beiboot und wurden übernommen. Dann drehte das Boot und wurde zügig zur Galeere zurückgepullt.

      „Manach el Bedi und El Hakim“, sagte der Seewolf. „Sie haben den Piraten signalisiert und segeln jetzt mit, weil sie sich die Jagd nicht entgehen lassen wollen.“

      „Diese Hunde!“ rief Old O’Flynn. „Das schaffen die nie!“

      Dan meldete aus dem Großmars: „Holla, das wird ein Schlag ins Wasser für die Muftis! Der Abstand zwischen uns und ihnen wird

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