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      Behan antwortete nicht darauf.

      „Hole den Old Man, Brendan. Er hat mehr Erfahrung als wir beide zusammen.“

      O’Donovan verschwand.

      Als er mit Patrick Behan zurückkehrte, war das Bild des fremden Dreimasters bereits deutlicher geworden. Doch das nicht allein.

      O’Donovan blieb wie erstarrt stehen und riß Mund und Augen auf.

      „Er hat seinen Kurs geändert!“ schrie er begeistert. „Er hält auf uns zu! Die haben uns gesehen!“

      Patrick Behan blickte dem fremden Segler ungläubig entgegen und murmelte ein tonloses Dankgebet.

      „Wir sind gerettet!“ rief O’Donovan. „Ich kann’s nicht glauben, aber wir sind gerettet!“

      „Langsam, langsam“, mahnte Seamus Behan und blickte seinen Vater an. „Irgendwie sieht er nicht aus wie ein Spanier. Was meinst du, Dad?“

      Old Patrick Behan erwachte aus seiner Lethargie. Einen Moment blinzelte er verwirrt, wie, um sich ein klareres Bild zu verschaffen.

      Der unbekannte Dreimaster kreuzte jetzt in langen Schlägen gegen den Wind. Es gab keinen Zweifel mehr, daß er auf den Havaristen zuhielt.

      „Schwer zu sagen“, meinte Patrick Behan nachdenklich, „ich habe ein solches Schiff noch nie gesehen. Die Bauweise ist anders als bei den Spaniern. Ähnlich zwar, aber doch anders.“

      „Was ich gesagt habe“, entgegnete Seamus und nickte.

      Einen Augenblick später löste sich das Rätsel von selbst. Nach einer erneuten Wende zeigte die ungewöhnlich schlanke und flach gebaute Galeone den Iren vorübergehend die Breitseite. Noch war die Entfernung beträchtlich, aber die Nationalitätsflagge ließ sich doch zweifelsfrei erkennen.

      „Verdammt“, sagte Seamus Behan gepreßt, „ich habe es geahnt.“

      Brendan O’Donovan kniff die Lippen zusammen und nickte betrübt. „Ein Engländer. Ausgerechnet ein englischer Bastard muß uns jetzt in die Quere geraten. Das Schicksal meint es verdammt schlecht mit uns.“

      Seamus stieß zur Bestätigung ein grimmiges Knurren aus. „Du sagst es, Brendan. Es scheint so, als ob dieses Schwein McCarthy mit dem Teufel im Bunde steht. Jetzt hat uns der Gehörnte einen Engländer geschickt und reibt sich vor Schadenfreude die Hände.“

      „Was tun wir jetzt?“ fragte O’Donovan, der die Gedanken seines Kapitäns längst ahnte und sich darauf einstellte. „Ein Vergnügen wird es nicht sein, Lissys Bastarden in die Hände zu fallen. Die bringen es glatt fertig und servieren uns dem Hurensohn von einem Lord auf einem Silbertablett.“

      „Du sprichst mir aus der Seele, Brendan“, sagte Seamus, „verdammt noch mal, du sprichst mir aus der Seele.“ Aus schmalen Augen starrte er dem Engländer entgegen, der einen erneuten Kreuzschlag gegen den Wind unternahm. Sie gaben sich eine Menge Mühe, der havarierten „Cruiscin Lán“ auf den Pelz zu rücken.

      Patrick Behan blickte die beiden jüngeren Männer an, als sehe er sie zum ersten Mal in seinem Leben.

      „Seid ihr verrückt geworden?“ entfuhr es ihm. „Habt ihr vergessen, in welcher Lage wir uns befinden? Da bietet sich für uns die Rettung, und ihr palavert darüber, daß es ein englischer Bastard ist! Ihr müßt den Verstand verloren haben.“

      Seamus wirbelte herum.

      „Keineswegs, alter Mann. Ich habe einen verdammt klaren Kopf, und Brendan kapiert auch, was ich meine.“

      O’Donovan nickte eifrig.

      „Ich kapiere es jedenfalls nicht“, sagte Old Patrick Behan zornig. „Vielleicht ist mein Grips schon zu sehr geschrumpft, daß ich so was nicht begreife. Ich weiß es nicht.“ Er zuckte erregt mit den Schultern.

      „Dann überlaß das Denken mir“, erwiderte sein Sohn giftig. „Einer muß schließlich die Entscheidungen treffen.“

      „Seamus ist der Kapitän“, sagte O’Donovan schnell.

      Der junge Behan vollführte eine wegwerfende Handbewegung, doch in seiner Miene lag der Stolz des Autoritätsbewußtseins.

      „Ich hatte gehofft, daß es ein Spanier sei“, sagte er energisch, „auch gegen einen Portugiesen oder einen Holländer oder einen Deutschen hätte ich nichts einzuwenden gehabt. Aber einem Engländer in die Hände zu fallen, ist schlimmer als der Tod.“

      „Junge, du spinnst“, entgegnete Patrick Behan kopfschüttelnd.

      „Meine fünf Sinne funktionieren noch ganz gut!“ schrie Seamus, und sein Gesicht rötete sich.

      „Wir befinden uns in Seenot. Da gelten andere Gesetze. Da gibt es keine Feindschaften mehr.“

      „O doch! Mit einem Engländer kann man niemals gut Freund sein. Niemals, Old Man! Lieber lasse ich mir die Hand abhacken, als daß ich sie einem Engländer zum Gruß reiche. Alles Elend, was wir auf Eire haben, verdanken wir den englischen Bastarden. Und solche Schweinehunde wie Lord Facthna McCarthy gibt es nur, weil die Engländer es so wollen. Nein, Dad, lieber sterbe ich, als daß ich mir von einem Engländer das Leben retten lasse.“

      „Das ist auch meine Meinung“, sagte Brendan O’Donovan entschlossen. Im geheimen Winkel seines Gehirns sah die Rechnung allerdings anders aus. Seamus hatte das Sagen. Daran mußte man sich halten. Aber daß die Rettung durch den fremden Dreimaster sich gar nicht vermeiden ließ – so weit dachte Seamus nicht. Deshalb wußte Brendan, daß er keineswegs sein Leben riskierte, wenn er jetzt nach oben buckelte. Aber später, wenn diese Geschichte ausgestanden war, hatte er dafür bei Seamus einen dicken Stein im Brett. Und es war immer gut, wenn man sich den Tonangebenden ein wenig anpaßte. Nach dieser Taktik hatte Brendan O’Donovan stets gelebt.

      „Ich sage nichts mehr.“ Patrick Behan schüttelte abermals den Kopf. „Der Wind muß euch den Verstand aus dem Hirn geblasen haben. Dagegen kann ich nichts ausrichten.“

      Seamus blickte ihn mit funkelnden Augen an. „Wenn du nicht mein Vater wärst, würdest du so was nicht ungestraft sagen.“ Er gab sich einen Ruck. „Schluß jetzt mit dem Palaver! Noch haben wir eine Chance. Die Bastarde auf dieser nachgemachten Galeone sind noch zu weit weg, um uns an Deck sehen zu können. Wir verstecken uns, verstanden? Wenn sie sehen, daß unser Kahn leer ist, werden sie sich nicht die Mühe bereiten, erst lange nach dem Rechten zu sehen. Und die „Cruiscin Lán“ sieht Gott sei Dank so aus, als ob keine Maus mehr an Bord sei.“

      „Recht so“, sagte Brendan O’Donovan. „Ich könnte nicht mehr atmen, wenn ich wüßte, daß ein Englälnder mir das Leben gerettet hat.“

      Old Patrick Behan starrte die beiden an, wobei er ungläubig den Mund öffnete.

      „Nein“, murmelte er tonlos, „nein, ich mache das nicht mit. Ich bin doch nicht …“

      „Dad!“ sagte Seamus warnend. „Noch bin ich der Kapitän auf diesem Boot. Willst du etwa auf deine alten Tage zum Meuterer werden? Wenn du nicht freiwillig unter Deck gehst, müssen wir dich dazu zwingen.“

      O’Donovan blickte zu dem jungen Behan auf, als warte er auf den Befehl, zuzupacken.

      Patrick Behan bedachte seinen Sohn mit einem letzten fassungslosen Blick. Dann drehte er sich wortlos um und ging mit müden Schritten auf die Luke zu.

      „Na also“, sagte Seamus Behan. „Los, unter Deck, Brendan! Wir wollen nicht den Rest unseres Lebens mit dem Gedanken verbringen, daß wir dieses Leben einem dreimal verfluchten Engländer verdanken.“

      Leise Zweifel begannen O’Donovan zu plagen, als er dem alten Mann folgte. Aber dann sagte sich der krummbeinige Ire, daß die Männer an Bord der Galeone sicherlich geradeaus denken würden – und nicht um drei Ecken, wie es Seamus tat.

      Der junge Behan ließ sich als letzter in den Fischgeruch des Unterdecksraumes fallen.

      Er atmete auf.

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