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auf der Westseite ein steinernes Gebäude mit einem mächtigen Rundturm auf. Er war höher als die viereckigen Wehrtürme, die den quadratischen Innenhof säumten. Fünf Wehrtürme zählte Hasard. Zwei flankierten das Tor, das zu dem kleinen Hafen wies.

      An den massiven Bohlenstegen waren fünf Schaluppen vertäut – und abseits der Stege lagen, auf den Strand gezogen, drei Auslegerboote. Da gab es gar keinen Zweifel, das waren die Boote von Igna und seinen Leuten. Hasard hätte etwas darum gegeben, auch zu wissen, wo sich die acht jungen Frauen befanden.

      Am Hafen selbst standen stabile Hütten in Form von Blockhäusern sowie längliche Schuppen. Aus zwei Schuppen war das Geräusch klirrender Ketten und dumpfes Muhen zu hören. Sollten die Kerle dort Rinder untergebracht haben? Und da erklang aus einem anderen Schuppen das typische Grunzen von Schweinen.

      Und ein solches Schwein wurde an einem Bratspieß im Innenhof des Kastells gebraten. Der Duft stieg bis zu den vier lauernden Männern hoch. Auf Kisten ringsum saßen Kerle und soffen. An die fünfzig waren dort versammelt, aber das war sicherlich nicht die ganze Belegschaft dieser Bande verrohter Strolche. Sie waren schon ziemlich angetrunken.

      Und dann beobachteten die vier Männer einen Kerl, der wackelig aufstand und zum Tor torkelte. Die anderen stießen sich an und schienen Witze zu reißen. Sie schlugen sich auf die Schenkel und lachten grölend.

      Der Kerl schlingerte durchs Tor, und es war ein Wunder, daß er nicht die Torpfosten rammte. In einer scharfen Geraden steuerte er eine der Blockhütten an und stolperte die zwei Stufen hoch, die auf den überdachten Vorplatz führten.

      Eine Weile hielt er sich keuchend an einem Dachpfosten fest. Dann wankte er an die Tür, wuchtete einen Querbalken hoch und verschwand in der Hütte.

      Die vier Männer horchten auf.

      In der Hütte waren Schreie zu hören, helle Schreie, die Schreie von Frauen.

      Der Kerl erschien wieder auf dem Vorplatz und zerrte eine junge Frau hinter sich her. Er hatte sie an den Haaren gepackt. Sie sträubte sich, aber sie mußte ihm folgen. Der Schmerz am Kopf war zu stark. Der Kerl schob den Querbalken wieder herum. Seinen Griff in die Haare hatte er nicht gelockert.

      Jetzt zog er die Frau vom Vorbau und an den Schuppen entlang zu den Büschen am Ostrand der Bucht. Er fluchte und lachte und grunzte.

      „Wartet hier!“ zischte Hasard und glitt diagonal den Hügel hinunter, ein huschender Schatten hinter Büschen und Strauchwerk, lautlos, geschmeidig und so tödlich wie ein jagender Tiger.

      Die Kerle im Innenhof rissen weiter ihre Witze und soffen aus den Flaschen. Ein paar besprengten auch das Spießschwein mit dem Schnaps. An schräggestellten eisernen Halterungen im Innenhof brannten Fackeln und warfen flackernde Lichter über die Kerle. Ihre Gesichter waren Teufelsfratzen nicht unähnlich.

      Der Kerl rutschte mit seinem Opfer einen Dünenhang hinunter und lachte sich halbtot. Unten stieß er die Frau in den Sand und riß ihr das Tuch von den Hüften. Er stand breitbeinig über ihr und stierte auf sie hinunter, und jetzt grunzte er wieder, ein gieriges männliches Tier, ein „macho“, wie es die Spanier nannten.

      Da sprang ihn von vorn ein Schatten an, und er prallte rücklings in den Sand. Er sah noch ein steinernes, hartes Gesicht mit eisigen Augen über sich, dann starb er einen schnellen Tod. Das Messer spürte er kaum. Es traf mitten in sein Herz.

      Hasard drehte sich rasch um, wechselte das Messer und hob die rechte Hand.

      „Igna!“ sagte er nur und deutete nach Norden. „Igna!“

      Sie schaute zu ihm hoch, und die Angst verlor sich aus ihren Augen. Er half ihr auf und reichte ihr das Tuch. Sie band es um ihre Hüften, hob den Kopf und blickte ihn wieder an.

      Hasard zeigte ihr die fünf Finger der linken und zwei Finger der rechten Hand, drehte sich etwas und wies zu der Blockhütte, von der nur der Giebel zu sehen war. Und wieder richtete er, einzeln hintereinander, die sieben Finger auf.

      Da begriff sie und nickte.

      Hasard atmete auf. Die Kerle hatten also die acht entführten Frauen in der Blockhütte untergebracht. Wer wollte, konnte sich ihrer bedienen – Freiwild, das man benutzte, wie es einem paßte. Daß man sie in die Hütte eingeschlossen hatte, außerhalb des Kastells, war ein Fehler – und für ihre Befreier ein Glück, das es jetzt zu packen galt, bevor die Kerle merkten, was geschehen war.

      Aber sie hatten doch noch Zeit. Wenn der Kerl nicht zu ihnen zurückkehrte, würden sie denken, er triebe es sehr lange oder lege zwischendurch Schlafpausen ein.

      Hasard reichte der jungen Frau die Hand, nickte ihr lächelnd zu und deutete mit der anderen Hand hügelwärts. Sie stiegen zwischen dem Buschwerk auf und schlichen geduckt zu Gary Andrews, Don Juan und Batuti zurück.

      Alle drei Männer lächelten die junge Frau an und begrüßten sie mit einem Neigen des Kopfes.

      „Jetzt sag bloß nichts Verkehrtes“, raunte Hasard Don Juan zu.

      Don Juan blitzte Hasard an und rappelte ein paar Worte. Da leuchteten ihre Augen auf. Vielleicht hatte sie doch noch etwas Angst gehabt – oder Mißtrauen.

      „Was hast du gesagt?“ fragte Hasard.

      „Wir bringen euch zu Igna zurück. Die anderen sind doch auch in der Blockhütte, nicht wahr?“

      „So ist es. Aber wo die Fronarbeiter stecken, weiß ich nicht, die ich am liebsten auch gleich befreien würde. Dann könnten wir noch in der Nacht das Kastell zusammenschießen. Die Kerle sind dann sturzbetrunken. Mit Wachposten nehmen sie es auch nicht sehr genau. Sie fühlen sich mächtig sicher in ihrem Bau.“

      „Das wird ihnen schon noch vergehen“, sagte Don Juan. Er spähte zum Innenhof. „Jetzt fressen sie erst mal.“

      „Zeit für uns, die sieben anderen Frauen zu holen“, sagte Hasard. „Gary, bleibst du bitte bei der Lady?“

      „Aye, Sir.“

      Die drei Männer huschten davon.

       6.

      Nur fünf Minuten später schlichen sie sich von hinten an den Rückseiten der Schuppen und anderen Blockhäuser vorbei an die Gefangenenhütte. Es wurde noch leichter, als Hasard gedacht hatte. Sie brauchten nicht über den Vorplatz einzudringen, der vom Innenhof her einzusehen war. Die Hütte hatte an der Hinterwand ein verschalktes Fenster, abgesichert mit einem Querbalken wie bei der Tür.

      „Bestens!“ flüsterte Hasard und hebelte den Balken herum.

      Der Laden war nach außen herausnehmbar, dahinter gähnte ein dunkles Quadrat.

      „Du bist dran, Juan“, sagte Hasard leise.

      Don Juan trat an das Fenster, dessen Unterkante in Höhe seiner Schultern lag, flüsterte „Psst!“ und sagte seinen Satz.

      Drinnen wurde aufgeregt gewispert, ein langhaariger Kopf erschien im Fenster.

      Don Juan winkte und hielt der jungen Frau beide Hände entgegen. Die Frau zögerte einen kurzen Moment, dann nickte sie entschlossen, flüsterte etwas zurück in die Hütte, stemmte sich hoch und ließ sich von den drei Männern nach draußen helfen.

      Es klappte reibungslos, eine nach der anderen schlüpfte durchs Fenster hinaus in die Freiheit. Sie konnten schon wieder lächeln, obwohl sie zerkratzt und zerschunden waren – Spuren dessen, was sie bereits hatten ertragen müssen, von verrohten weißen Männern, die eine Schande für das ferne Land im Westen waren, das man die Alte Welt nannte.

      Von dieser Alten Welt war bisher nichts Gutes in die andere Welt gekommen, auch wenn Männer in langen dunklen Gewändern Kreuze vor sich hertrugen und davon kündeten, man solle seinen Nächsten lieben.

      Hasard verschalkte das Fenster wieder. Sie zogen sich auf demselben Weg zurück, über den sie hergeschlichen waren, und Batuti verwischte als letzter die Spuren. Hasard sonderte sich weit hinten ab, eilte zu dem toten

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