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       1.

      Ihre vorläufige Rettung hatten die Seewölfe nur der Tatsache zu verdanken, daß ganz überraschend ein Vulkan ausgebrochen war. Sie hatten die Verwirrung der spanischen Bewacher genutzt, die voller Panik hin und her rannten, und waren geflüchtet.

      Das Schiff, das sie den Spaniern nach kurzem Kampf abgenommen hatten, hieß „Santa Barbara“ und war eine dreimastige Galeone, bestückt mit je sechs Culverinen an Backbord und Steuerbord und zwei Drehbassen vorn und achtern.

      Das war auch so ziemlich alles, was sie bis jetzt über das Schiff wußten. Bisher hatten sie es bei ihrer Gefangennahme durch die Spanier meist nur aus der Ferne gesehen. Ob die Galeone ein gutes oder schlechtes Schiff war, ließ sich jetzt noch nicht beurteilen. Das mußte sie erst noch unter Beweis stellen. Aber sie lief jetzt ganz gut, und das zählte im Augenblick, in dem alles in Panik und Aufruhr war und die Hölle entfesselt tobte.

      Ein Großteil der Seewölfe hatte sich auf dem Achterdeck der „Santa Barbara“ versammelt. Dort stand Pete Ballie am Ruder, klein, aber ungemein stämmig und mit Fäusten so groß wie Ankerklüsen. Pete war der Gefechtsrudergänger für extreme Situationen, auf die er sich hervorragend verstand. Auch jetzt war er nicht aus der Ruhe zu bringen, als der Krach immer lauter und wilder wurde. Eine gewaltige Explosion löste die andere ab.

      Das spanische Fort mit dem Gefangenenlager war nicht mehr zu erkennen. Möglicherweise existierte es nicht mehr.

      Aus dem Landesinneren stiegen krachend Feuersäulen in den Himmel. Sie waren von schwarzgrauer Asche begleitet, die pilzförmig aufwallte, immer höher stieg und sich in alle Richtungen verteilte.

      Gleichzeitig wurde der Himmel immer finsterer, als die schwarze Asche höher hinaufgeschleudert wurde.

      Wo der überraschende und gewaltige Vulkanausbruch stattfand, war nicht genau festzustellen. Die zerplatzenden Feuersäulen deuteten jedoch darauf hin, daß die glühende Magma weiter aus dem Landesinneren hochgeschleudert wurde.

      Der Küstenstrich verfärbte sich immer mehr. Weißlichgelb war der Lavastrom, dann wurde er glühend rot und senkte sich wie Millionen bunter Farbtupfer langsam nach unten. Es sah aus, als seien dort Hunderttausende von chinesischen Brandsätzen gleichzeitig gezündet worden.

      Die Seewölfe hatten nach ihrer überstürzten Flucht nur das retten können, was sie am Leib trugen. Das waren Hemd, Hose, Stiefel und Gürtel. Auf den ersten Blick war das nicht viel, aber die Gürtel, denen die Spanier keine Beachtung geschenkt hatten, waren mehr als wertvoll. In sie hatte der alte Segelmacher Will Thorne Goldstücke und Perlen eingenäht, sozusagen als „eiserne Reserve“ für die Reise ins Land des Großen Chan, zu dem sie segeln wollten.

      So war es geplant gewesen, doch jetzt sah alles ganz anders aus. Sie befanden sich auf der Flucht vor einem immer gewaltiger werdenden Vulkanausbruch. Ob sie den mit heiler Haut überstehen würden, war eine Frage, die augenblicklich jeden einzelnen stark beschäftigte.

      „Himmel, Arsch und Vulkanausbruch“, fluchte der Profos auf dem Achterdeck. „Warum segelt dieser quergebraßte Windbeutel nicht schneller? Jetzt kriegt das Tantchen schon mächtig Feuer unter das Röckchen, und trotzdem läuft sie wie ein krummbeiniger Schellfisch durchs Wasser. Nicht mehr lange, und uns fliegen die Lavabrocken auf den Schädel.“

      Niemand gab eine Antwort. Carberrys Worte, obwohl laut gebrüllt, gingen in der dröhnenden Kanonade fast unter. Die anderen wünschten sich ebenfalls sehnlichst, daß das „Tantchen“ schneller segeln möge, obwohl sie ihr Bestes gab. Sie rannte fast durch die See, aber angesichts der feurigen Bedrohung erschien das allen sehr langsam.

      Achteraus wurde der Himmel pechschwarz. Über dem Land lag tiefste Finsternis, die nur durch das rote und immer wieder aufflackernde Glühen erhellt wurde. Nach jedem Ausbruch war ein entsetzlich lautes Donnern und Krachen zu hören.

      Auch das Meer geriet immer stärker in Aufruhr. Das Wasser brodelte und zischte und übertrug die Vibration auf den Schiffsrumpf, der immer härter erzitterte. Das in der Luft liegende Rumoren nahm kein Ende mehr.

      Vor ihnen lag die offene See, das Meer, das die Rettung versprach, während hinter ihnen alles in Schutt und Asche, Feuer und Rauch verging.

      Es war ein schaurig-schönes Naturschauspiel, sofern man nicht selbst davon betroffen war. Aber für das Schauspiel hatten sie keinen Blick übrig. Sie sahen nur die rettende Weite vor sich.

      Die ersten Brecher donnerten am Bug hoch und überzogen Back und Kuhl mit salziger Gischt. Die anrollenden Wellen wurden größer und höher und walzten hart heran.

      Jetzt, nachdem sie den Golf von Tehuantepec hinter sich hatten, ließ Hasard die „Santa Barbara“ auf Westkurs gehen. Das hatte den Vorteil, daß sie raumschots segeln konnten. Der Dreiviertelwind fiel schräg von achtern ein. Dadurch wurde das Tantchen etwas schneller.

      Alle Augenblicke drehte sich jemand um und sah nach achtern. Solch ein Blick wurde jedesmal von einem harten Schlucken begleitet. Dabei vergingen selbst dem Profos seine Sprüche. Er zuckte zusammen und stieß Ben Brighton an.

      „Jetzt geht es erst richtig los“, sagte er beklommen.

      Eine riesige Feuersäule stieg senkrecht nach oben. Noch bevor sie den Scheitelpunkt in der qualmenden Schwärze erreichte, begann das wilde Brüllen und Grollen, als würde die Erde zerrissen und in ihre Bestandteile zerfallen. Diesmal wurden die glühenden Brocken extrem hoch und weit geschleudert. Tausende von Tonnen rotglutenden Gesteins fielen aus großer Höhe ins Meer. Wenn die Brocken aufschlugen, stiegen gigantische Wassersäulen auf, die dampfend und brodelnd nach oben strebten. Gleichzeitig legte sich über den Golf ein endlos langer Vorhang aus dichtem Nebel. Das Farbenschauspiel wurde immer schauriger, als die Natur sich in wilder Wut austobte.

      Meilenweit regneten kleinere Brocken ab. Mit häßlichem Sirren zischten sie durch die Luft – Feuerbälle, die Kanonenkugeln ähnelten, aber viel schneller und von größerer Durchschlagskraft waren.

      Jetzt heulten und pfiffen sie heran, beobachtet von Männern, denen das Grauen in den Gesichtern stand, denn sie waren dem höllischen Bombardement absolut hilflos ausgeliefert.

      Ein paar hundert Yards entfernt von der „Santa Barbara“ heulte ein glühender Lavabrocken ins Meer. Dampf zischte hoch, hinter dem eine gewaltige Wassersäule aufwuchs. Dann entstanden wie hingezaubert immer mehr Wassersäulen in der See.

      Die Seewölfe zogen die Köpfe ein. Mac Pellew verschwand mit einem wilden Satz unter einem Niedergang und duckte sich.

      Hasard hielt sekundenlang die Luft an, als sich der Feuerregen bis auf knapp zwei Kabellängen näherte. Wie gewaltige Kanonenkugeln rauschten die Brocken ins Wasser.

      Jeden Augenblick konnte das Schiff getroffen werden. Was dann geschah, mochte sich Hasard erst gar nicht ausmalen. Er hoffte nur inbrünstig, daß sie davon verschont blieben. Bei der wildbewegten See hätten sie nicht einmal das Boot aussetzen können, ohne daß es auf der Stelle gekentert wäre, ganz davon abgesehen, daß sie auch dann noch lange nicht in Sicherheit waren.

      Achteraus schlug es ebenfalls noch ein paar Male unter lautem Tosen ein. Ein Dutzend weiterer Wassersäulen stieg an Backbord aus dem Meer. Aber das waren nur noch kleinere Brocken.

      Als die „Santa Barbara“ wie durch ein Wunder vorerst verschont blieb, atmeten alle erleichtert auf.

      „Die ‚Santa Barbara‘ macht ihrem Namen alle Ehre“, sagte der Kutscher zufrieden. „Immerhin ist sie ja die Schutzheilige der Artillerie. Vielleicht haben wir deshalb den Feuerzauber so gut überstanden. Zudem ist sie noch die Schutzpatronin der Bergleute, der Gefangenen und der Glöckner.“

      „Der Glöckner auch?“ fragte Carberry. „Dann paßt ja alles bestens zusammen. Wir haben ja auch keins auf die Glocke gekriegt,

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