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Seewölfe - Piraten der Weltmeere 364. Roy Palmer
Читать онлайн.Название Seewölfe - Piraten der Weltmeere 364
Год выпуска 0
isbn 9783954397617
Автор произведения Roy Palmer
Жанр Языкознание
Серия Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Издательство Bookwire
Nur kurze Zeit dauerte die Beratung, dann stand es fest. Arne von Manteuffel sollte mit der „Wappen von Kolberg“ im Hafen von Tortuga bleiben, gewissermaßen als Nachhut und zur Sicherung der Insel. Arne stimmte Hasards Vorschlag spontan zu, denn er wollte die Gelegenheit nutzen, um ausführliche Gespräche mit Willem Tomdijk und Carlos Rivero zu führen.
„Über die allgemeine strategische Lage in der Karibik“, sagte er. „Ihr beiden kennt euch ja hervorragend aus und könnt das Bild abrunden, das ich mir zu verschaffen versuche.“
„Einverstanden“, sagte Willem. „Aber ich werde dich auch über die Bedeutung des Brauereiwesens in der Karibik aufklären, lieber Freund, das verspreche ich dir.“
„Mir sausen davon jetzt schon die Ohren“, erklärte Diego, der gerade eine neue Runde Wein brachte. „Und das eine laß dir gesagt sein, Willem Tomdijk: Hier auf Tortuga, ist mit Bier nicht viel zu werden. Die Geschäfte laufen ohnehin schlecht.“
„Das sehe ich“, sagte der Dicke lachend. „Aber keine Angst, Diego, dir mache ich keine Konkurrenz. Ich bin kein Narr, wie Emile es war. Ich kenne meine Möglichkeiten – und meine Grenzen.“
„Hoffen wir’s“, sagte Diego, dann eilte er wieder davon.
Emile Boussac, der Verräter – keiner weinte ihm eine Träne nach. Er hatte ein doppeltes Spiel in Szene gesetzt und mit dem Tod dafür bezahlt. Man hatte seine Leiche gefunden. Es schien keinen Zweifel zu geben: Die Black Queen hatte ihn auf dem Gewissen.
Noch einmal wurden die Geschehnisse durchgesprochen, und Willem war drauf und dran, den Seewolf erneut hochleben zu lassen. Doch Hasard wehrte es ab. Er begann, sich zu verabschieden, erhob sich, begab sich an die Nachbartische und überzeugte seine Männer davon, daß es an der Zeit wäre, Tortuga zu verlassen.
Lange Gesichter, entsagungsvolle Blicke, die den Mädchen galten – all das ließ sich nicht vermeiden. Aber am Ende sahen sie alle ein, daß die Entscheidung des Seewolfs nur richtig war. Die Schlangen-Insel und Coral Island warteten auf sie, sie mußten so schnell wie möglich dort nach dem Rechten sehen und die wartenden Freunde vor möglichen üblen Überraschungen bewahren.
So kehrten die Mannschaften an Bord der Schiffe zurück, und jeder nahm seinen Manöverposten ein. Wenig später wurden auf der „Isabella“, der „Le Vengeur“, der „Tortuga“ und dem Schwarzen Segler die Anker gelichtet und die Segel gesetzt. In Kiellinie segelten die vier Schiffe aus der Hafenbucht von Tortuga und gingen in See – und die letzten Blicke der Männer an Bord galten den Mädchen, die am Ufer standen und ihnen nachwinkten.
Auch Arne von Manteuffel und dessen Crew von der „Wappen von Kolberg“ fiel es nicht leicht, sich von Hasard und den anderen trennen zu müssen. Aber sie wußten, daß die Situation es erforderte. Ihr Zurückbleiben auf Tortuga entsprach allen strategischen und taktischen Gesichtspunkten, die Hasard mit seinem Vetter durchgesprochen hatte. Arne, Oliver O’Brien, Hein Ropers und Renke Eggens waren davon überzeugt, daß sich schon bald die ersten Erfolge dieser Maßnahme zeigen würden.
Die Zukunft war noch ungewiß, aber die Bedrohung durch die Black Queen schien vorerst gebannt zu sein. Hasard hatte sie nicht verfolgt, es war ihm vordringlicher gewesen, die Verhältnisse auf Tortuga zu klären. Im übrigen war ihre Niederlage so endgültig gewesen, daß die Annahme berechtigt erschien, sie würde sich davon nicht wieder erholen.
In diesem Punkt aber unterschätzte auch Hasard die Black Queen – ein Fehler, den sowohl er als auch seine Männer und Verbündeten noch bereuen sollten.
In Punta Gorda erregte das Erscheinen der Black Queen und ihrer vier Begleiter das erwartete Aufsehen. Nicht nur Gilbert Sarraux und Joao Nazario waren zur Stelle, um sie ausgiebig zu betrachten. Eine Gruppe von wüst aussehenden Kerlen scharte sich vor dem Eingang der Hafenkneipe „El Escarabajo“ zusammen, als die fünf Fremden die teils aus Steinen, teils aus Holz und Schilfmatten errichtete Hütte betraten. Die Kerle grinsten, stießen sich untereinander an und ließen anzügliche Bemerkungen vernehmen.
Caligula wandte sich zu ihnen um, seine Hand lag am Heft seines Säbels. Sein Gesicht war verzerrt. Aber die Queen hielt ihn zurück.
„Vergiß nicht, wir sind als Freunde hier, Caligula“, sagte sie. „Wir müssen uns so diplomatisch wie möglich verhalten.“
Von Diplomatie hatte Caligula nie etwas gehört, er wußte nicht, welche Bedeutung dieser Begriff hatte. Aber er sah ein, daß er nicht handgreiflich werden durfte. Die Queen wollte keine Streitigkeiten. Daran mußten er und die drei Piraten der „Caribian Queen“ sich halten.
„El Escarabajo“, der „Käfer“, war das Zentrum des Lebens von Punta Gorda. Hier traf man sich, hier wurden Beutezüge besprochen, Pläne gewälzt und die tollsten Abenteuer erzählt. Wer etwas an den Mann zu bringen hatte, knüpfte hier die erforderlichen Kontakte an, wer etwas erstehen wollte, war an der richtigen Adresse.
Die Queen spürte instinktiv, daß sie hier mit den Leuten ins Gespräch kommen konnte. Sie wollte nicht nur Proviant einkaufen, den sie bezahlen konnte, sie wollte mehr. Was es genau war, wußte sie sich selbst gegenüber noch nicht zu erklären, aber ihr Bestreben war darauf ausgerichtet, neue Rachepläne gegen den Seewolf zu entwickeln. Sie haßte ihn jetzt bis aufs Blut, und ihr einziges Ziel war die Vergeltung.
Die Männer, die sich vor dem Eingang eingefunden hatten, drängten nach, als die Queen und ihre Gefolgschaft das Innere der Spelunke betraten. Entschlossen steuerte die Queen auf den Tresen zu, der so windschief wirkte wie der ganze Bau. Im Halbdunkel erblickte sie die Gestalt des Wirtes. Er bediente drei Zecher, die schon einigen Wein und Rum getrunken zu haben schienen, wandte sich aber sofort der Queen zu. Sein Gebaren war diensteifrig und unterwürfig.
Ratte, dachte sie abfällig.
Caligula und die drei Piraten nahmen neben und hinter ihr Aufstellung. Die Kneipe füllte sich immer mehr mit Gestalten, gleich zwei Dutzend Kerle rückten auf die Theke zu. Caligula ahnte, daß er die Queen nicht abschirmen konnte, und wieder schob sich seine Hand an den Griff des Säbels.
„Womit kann ich den Herrschaften dienen?“ fragte der Wirt.
„Mit Wein und Rum“, erwiderte die Queen. „Wir sind durstig. Und mit ein paar Auskünften.“
„Zum Beispiel?“
Je mehr er katzbuckelte, um so widerwärtiger war er ihr. Aber sie bezwang sich und entgegnete so freundlich wie möglich: „Ich brauche Proviant, Wasser und Munition für mein Schiff. Ich bin bereit, dafür zu bezahlen. Meine Männer und ich haben nicht die Zeit, auf die Jagd zu gehen und eine Quelle zu suchen. Wir sind in Eile.“
„Außerdem gehört dieser Küstenstrich uns“, sagte jetzt einer der Kerle, die sich genähert hatten. Er war groß und hager und hatte eine breite, häßliche Messernarbe im Gesicht, die sich quer über seine linke Wange zog. Seine Kumpane nannten ihn Larsky, und er stammte, wenn man seinen Erzählungen Glauben schenken durfte, aus dem fernen Land Polen. „Die Gegend ist also unser Hoheitsbereich“, fuhr er fort. „Jeder, der hier ankert, fischt oder auf die Jagd geht, hat uns zuerst um unsere Genehmigung zu bitten. Das gleiche gilt auch für Weiberröcke, die hier ihrem Gewerbe nachzugehen gedenken.“ Ungeniert und herausfordernd zugleich musterte er sie von oben bis unten. Dann glitt sein Blick wieder an ihr hoch und verharrte auf ihren Brüsten.
Caligula wollte aufbegehren, aber die Queen hielt ihn wieder zurück – durch einen einzigen Blick. Er bedeutete: Laß nur, mit dem Kerl werde ich auch allein fertig. Mit einer knappen Gebärde gab sie Caligula und den drei anderen Kerlen von ihrem Schiff zu verstehen, daß sie sich heraushalten sollten.
Die vier Männer wichen etwas zur Seite. Larsky trat in die sich öffnende Lücke und stand jetzt so dicht vor der Queen, daß sein Oberkörper ihre Brust zu berühren drohte.
„Wer bist du überhaupt?“ fragte er und grinste unverschämt.
Die Kerle, die sich hinter seinem Rücken heranschoben, lachten.
„Die Black Queen“, erwiderte sie. „Und du?“
„Larsky.