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Seewölfe Paket 22. Roy Palmer
Читать онлайн.Название Seewölfe Paket 22
Год выпуска 0
isbn 9783954397815
Автор произведения Roy Palmer
Жанр Языкознание
Серия Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Издательство Bookwire
Die Männer im Boot nahmen die Riemen ein, und Siri-Tong manövrierte die Jolle vorsichtig an die Jakobsleiter. Die freien Hände ausgestreckt, verhinderten die Bootsgasten, daß die Jolle gegen den Rumpf der Galeone stieß. Der dumpfe Laut wäre sicherlich durch das ganze Schiff zu hören gewesen.
Auf leisen Sohlen enterte die Rote Korsarin über die Jakobsleiter auf. Ben Brighton empfing sie bei der Pforte im Schanzkleid.
„Sieht es schlimm aus mit ihm?“ fragte sie leise und biß sich voller Anspannung auf die Unterlippe.
Ben Brighton nickte.
„Der Kutscher befürchtet eine Blutvergiftung“, antwortete er flüsternd. „Du weißt, was das bedeutet.“
Für Siri-Tong war es wie ein Stich, der sie mitten ins Herz traf. Die böse Nachricht glich einem körperlich spürbaren Schmerz. Die Rote Korsarin empfand es um so deutlicher, da sie die Entscheidung des Seewolfs von Anfang an für blanken Unsinn gehalten hatte. Fast verzweifelt hatte sie versucht, ihm das Duell auszureden. Aber er hatte nicht auf sie gehört und seinen Dickschädel durchsetzen müssen.
Sie begriff es auch jetzt noch nicht: Wie hatte er sich wegen seiner verletzten Ehre mit einem Lumpenhund duellieren können, der selbst keinen Funken Ehrgefühl hatte. Auch das beabsichtigte zweite Duell mit Sir John Killigrew hätte sich in dem Punkt durch nichts von dem ersten unterschieden.
Das Verhalten dieses Earl of Cumberland hatte Siri-Tong in ihrer Meinung bestätigt. Nach wenigen Schritten hatte er sich umgedreht und dem Seewolf die Pistolenkugel in den Rücken gejagt. Aus Feigheit hatte dieser Lump die Regeln des Duells gebrochen – was die Rote Korsarin im Grunde vorhergesehen hatte. Nur war sie natürlich die einzige gewesen, die solche Befürchtungen gehegt hatte. Und Hasard hatte am allerwenigsten auf sie gehört, obwohl sie wie mit Engelszungen geredet hatte.
Dennoch war es ungerecht, daß er jetzt mit dem Leben bezahlen sollte – er, ein aufrechter Mann, der durch die Beleidigungen tief in seinem Inneren getroffen worden war. Er hatte es nicht ertragen können, daß die adligen Halunken – Sir Andrew und Sir Henry an der Spitze – seinen Namen gegenüber der Königin in den Dreck gezogen hatten. Siri-Tong hatte das sehr wohl verstehen können. Was sie jedoch bis jetzt nicht verstand, war die Tatsache, daß der Seewolf solche Kreaturen wie diese schleimigen Hochwohlgeborenen als ernstzunehmende Gegner betrachtete.
Zweifellos waren sie gefährlich – wegen der Intrigen, die sie zu spinnen verstanden. Aber mußte man sie nicht gerade deshalb hinwegfegen wie lästiges Ungeziefer?
Siri-Tong gab sich einen Ruck.
„Ich möchte ihn sehen“, sagte sie leise. „Meinst du, daß der Kutscher etwas dagegen hat?“
Ben Brighton schüttelte den Kopf.
„Bestimmt nicht. Du hast das Recht, den Seewolf zu besuchen.“
Die Rote Korsarin nickte den Männern zu, die zu ihr aufblicken. Geräuschlos bewegte sie sich auf die Back zu und pochte dann behutsam an die Planken des Schotts zur Krankenkammer.
Die Miene des Kutschers spiegelte Unwillen, als er öffnete. Doch sein Gesicht glättete sich in dem Moment, in dem er Siri-Tong erkannte – was ihm erst nach einigem Blinzeln gelang, da ihn die gleißende Helligkeit des Tageslichts blendete. Mit einem Wink forderte er die schwarzhaarige Frau auf, einzutreten.
Um ein Haar hätte Siri-Tong einen Entsetzenslaut ausgestoßen. Sie schlug die flache Hand vor den Mund. Es geschah selten, daß sie derart erschrak, und es gehörte schon eine Menge dazu, sie aus der Fassung zu bringen.
Aber der Anblick des Seewolfs war wie ein Schock. So durchsichtig und fahl hatte sie ihn nie zuvor erlebt, obwohl er bereits einige Verwundungen davongetragen hatte. Schweiß rann in Strömen über sein Gesicht, die Zwillinge und Mac Pellew hielten nicht inne, dem immer noch Bewußtlosen mit Tüchern Linderung zu verschaffen.
Für einen Augenblick wandten sich Hasards Söhne zu der Roten Korsarin um. Es rührte an ihr Herz, denn sie war eine Frau. Unendlicher Schmerz lag wie ein Hilfeschrei in den Gesichtern dieser Jungen, die allzu früh ihre Mutter verloren hatten. Aber da war auch wilde und trotzige Entschlossenheit in ihren Augen, und dieser Ausdruck gab ihnen schon eher etwas von Mannhaftigkeit. Sie wollten nicht auch noch ihren Vater verlieren. Was sie tun konnten, um das zu verhindern, das würden sie tun.
Es war dieses Bild, das ergreifend und lähmend auf Siri-Tong wirkte. Das Bild der beiden verzweifelten und doch so entschlossenen Söhne am Lager des Vaters, der schwerverwundet und im Fieberkampf mit dem Tode rang.
Die Rote Korsarin konnte nichts dagegen tun, daß ihr Tränen in die Augen stiegen. Dieses Bild des Elends und zugleich der Hoffnung im Halbdunkel der Krankenkammer traf die verwundbarste Stelle ihrer Seele. Doch sie schämte sich der Tränen nicht.
Unvermittelt spürte sie die Hand des Kutschers auf ihrer linken Schulter. Seine Stimme war nur wie ein Hauch.
„Es ist zu früh, um ihn zu weinen, Siri-Tong. Ich will ihn durchbringen, bei Gott, ich will ihn durchbringen!“
Mit einem Lächeln voller Dankbarkeit wandte sich die Rote Korsarin dem ernsten Mann an ihrer Seite zu.
„Ich habe nicht um Hasard geweint“, flüsterte sie. „Es ist das, was ich vor mir sehe, verstehst du?“
Der Kutscher sah sie einen Augenblick schweigend an. Dann nickte er. Siri-Tong verließ die Krankenkammer und blieb für einen Moment vor dem Schott stehen. Es gelang ihr nicht auf Anhieb, in die Wirklichkeit zurückzufinden. Zu sehr hatte das Gesehene ihre Gedanken in einen tiefen Strudel gerissen.
Aber man durfte auch nicht die Dinge vernachlässigen, die getan werden mußten.
Die Männer versammelten sich im Halbkreis vor dem Großmast, als die Rote Korsarin sie mit auffordernden Handbewegungen zusammenrief. Im Flüsterton berichtete sie über die letzten Ereignisse.
Grimmige Zufriedenheit zeichnete sich in den Gesichtern der Arwenacks ab, als sie erfuhren, daß sich der sehr ehrenwerte Sir Henry als Gefangener an Bord der „Caribian Queen“ befand. Barba hatte ihm nur das Messer an die Kehle zu setzen brauchen, um ihn zum Plaudern zu bringen.
Mit der Versenkung der Kriegsgaleonen „Orion“ und „Dragon“ war das Unternehmen der Adligen-Clique also endgültig gescheitert, zumal die „Centurion“ und die „Eagle“ bereits lange zuvor die Heimreise nach England angetreten hatten.
Die Arwenacks konnten sich das Geschehen jetzt sehr gut zusammenreimen. Und nachträglich zollten sie den beiden aufrechten Kapitänen Rooke und Wavell Hochachtung. Diese Männer waren nach ihrem Geschmack, denn sie hatten nicht mitgespielt, als ein wehrloser Gegner zusammengeschossen worden war.
„Was ist mit den Besatzungen der ‚Orion‘ und der ‚Dragon‘?“ fragte Ben Brighton. „Von ihnen könnte immerhin noch Gefahr drohen.“
Siri-Tong schüttelte den Kopf.
„Das glaube ich nicht“, erwiderte sie. „Ich schätze diese Männer ähnlich ein wie die Besatzungen der ‚Centurion‘ und der ‚Eagle‘. Wer mir nicht gefällt, ist der Kommandant der ‚Dragon‘.“
Ben Brighton nickte nachdenklich.
„Und die restlichen Adligen dürfen wir auch nicht vergessen. Ebensowenig die Halunken aus der John-Killigrew-Meute.“
„Ich meine, wir müssen die gesamte Insel und die Bucht überwachen“, sagte die Rote Korsarin leise. „Daran bin ich in gewisser Weise selbst schuld. Ich habe dem Ersten Offizier der ‚Orion‘ nämlich geraten, sich nach einer größeren Insel umzusehen. Bist du einverstanden, wenn ich eine Gruppe von meiner Crew an Land setzen lasse, damit sie die Insel nach allen Seiten überwacht?“
Ben Brighton hatte nichts dagegen einzuwenden.
„Da ist noch etwas“, sagte er. „Was soll mit Sir John und Sir Henry geschehen?“
Ein harter Glanz trat