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Idee, sich hinzuwerfen und die Fesseln seines Kumpans Marco mit den Zähnen aufzunagen. Marco half mit, indem er die Handballen gegeneinanderpreßte und so Druck erzeugte, der die Stricke immer mehr weiterte. Schließlich sprangen sie auf, und er war frei.

      Sofort half Marco dem Andalusier, seine Fesseln loszuwerden. Dann waren Luiz und Pablo an der Reihe. Luiz schwitzte – abwechselnd heiß und kalt. So mutig, wie er immer tat, war er in Wirklichkeit nicht. Zum Beispiel hatte er Angst vor Schlangen. Er hütete sich aber, diese Schwächen vor den anderen zu zeigen. Pablo keuchte und stöhnte. Er hatte die Panik noch im Nacken. Und es knarrte tief im Inneren des Schiffes. Dann neigte sich die „Trinidad“ etwas nach Backbord. Sie begann zu sinken.

      „Raus!“ brüllte Luiz.

      Er warf sich mit Pablo gegen das Schott. Das Schott flog sofort auf und knallte außen gegen die Längswand. Luiz und Pablo stürzten auf den Gang, gerieten sich gegenseitig ins Gehege und wälzten sich auf den Planken. Sie fluchten und rappelten sich wieder auf.

      Felipe und Marco lachten und stürmten an den beiden vorbei. Als erste erreichten sie das Oberdeck. Rasch schauten sie sich nach allen Seiten um. Die drei Schiffe der „englischen Hurensöhne“ waren verschwunden. Die „Trinidad“ krängte bereits beachtlich nach Backbord.

      Marco behielt die Ruhe. Es wäre ein Fehler gewesen, das Schiff einfach zu verlassen. Denn sie konnten noch die Vorräte retten, die sich an Bord befanden.

      „Alle Mann von Bord!“ brüllte Luiz.

      „Nein!“ schrie Marco zurück. Er blickte zu dem Schwarzbärtigen und dem Häßlichen, die soeben im offenen Vordecksschott auftauchten. „Auf keinen Fall! Wir heben den Anker hoch und steuern ans Ufer!“

      „Bist du verrückt?“ heulte Pablo.

      „Herrgott!“ rief Felipe. „Haut doch ab, ihr Schlappschwänze! Aber laßt euch nicht mehr blicken!“

      „Ja, verzieht euch!“ schrie auch Marco wütend.

      Luiz ging endlich ein Licht auf. Der Proviant! Wenn Pablo und er ins Wasser sprangen und an Land schwammen, schauten sie in die Röhre. Sie konnten nach Batabanó laufen, würden unterwegs aber mächtigen Hunger und Durst kriegen. Und vielleicht gab es an Bord noch einiges mehr zu holen! Was immer es war, man konnte es nicht einfach Marco und Felipe überlassen.

      „Pablo“, sagte Luiz keuchend. „Los, hilf mit! Wir müssen den verfluchten Anker hieven!“

      „Warum?“ Pablo riß Augen und Mund weit auf. Ein Schnelldenker war er noch nie gewesen.

      „Frag jetzt nicht!“ brüllte Luiz.

      Pablo zog es vor, keine weiteren Fragen zu stellen. Er packte mit an, und die vier Kerle drehten mit vereinten Kräften das Gangspill. Sie hievten den schweren Stockanker vom Grund der Bucht hoch und ließen die ramponierte Galeone zum Ufer treiben. Es war kein leichtes Manöver, denn das Schiff hatte inzwischen viel Wasser gezogen und krängte immer stärker nach Backbord.

      Sie war zu einem schwerfälligen, trägen, sinkenden Klotz geworden, die einst so stolze „Trinidad“. Mit Ach und Krach gelang es Luiz, Pablo, Felipe und Marco, das Großsegel zu setzen. Nur ganz langsam glitt das Schiff auf den hellen Sandstrand der Bucht zu. Die Schräglage war jetzt derart stark, daß sich die vier am Schanzkleid festklammern mußten.

      Schließlich lief die „Trinidad“ auf. Im Rauschen und Gurgeln der durch die Bohrlöcher hereinschießenden Wassermassen war ein Knirschen zu vernehmen. Ein Ruck lief durch den Segler. Er neigte sich noch etwas mehr nach Backbord, lag dann aber völlig still. Die Distanz, die es nunmehr noch bis zum Ufer zurückzulegen galt, betrug etwa zwanzig Yards.

      Die vier Kerle atmeten auf.

      „Na, wie haben wir das gemacht?“ brüllte Luiz.

      Ihm fiel ein mächtiger Stein vom Herzen. Er hatte wirklich gräßliche Angst gehabt, vom Wasser in der Vorpiek überrascht zu werden und jämmerlich wie eine Ratte ersaufen zu müssen.

      Der Andalusier warf seinem schwarzbärtigen Spießgesellen einen verächtlichen Blick zu. „Wir ist gut. Wenn Marco nicht so schlau gewesen wäre, das Schiff zu retten, läge der Kahn jetzt auf dem Grund. Da, wo er eben noch geankert hat, ist das Wasser ja tief genug. Es hätten höchstens noch die Mastspitzen ’rausgeschaut.“

      „Na, das weiß ich doch!“ stieß Luiz hervor. „Glaubst du, ich bin so blöd, daß ich’s nicht gleich kapiert habe?“

      „Ich glaube es“, erwiderte Felipe.

      Während Luiz noch überlegte, wie er diese Äußerung auslegen sollte, ergriff Marco, der älteste der vier, wieder das Wort. „Hört mal zu, Leute. Wir sollten zusehen, daß wir miteinander auskommen. Wir sind durch dick und dünn gegangen, und es hat sich gezeigt, daß es das beste ist, wenn wir zusammenhalten.“

      „Ja, das stimmt“, pflichtete Luiz ihm sofort bei.

      „Also“, fuhr Marco fort. „Es hat keinen Sinn, daß wir uns wegen der idiotischsten Kleinigkeiten in die Haare geraten. Seid also friedlich und regt auch nicht auf. Wir leben ja. Haben nicht mal ’n Kratzer abgekriegt.“

      „Und diese Bastarde sind endlich weg“, sagte Pablo, als ginge es ihm erst jetzt richtig auf. „Vor allem dieses Narbenungeheuer. Der Faßteufel. Herrgott, er muß mit dem Satan verwandt sein.“

      Mit dem „Ungeheuer“ war Edwin Carberry gemeint, der Luiz und Pablo in der Schatzhöhle eine „hübsche, kleine Falle“ gestellt hatte. Als er wie der Leibhaftige aus dem einen Faß gesprungen war, hatte die beiden Spanier im wahrsten Sinne des Wortes der Schlag getroffen. Mit dem Profoshammer – dem Hieb, gegen den kein Kraut gewachsen war – hatte Carberry sie gefällt. So waren sie zu Gefangenen geworden.

      Auch Marco und Felipe war es an Bord der „Trinidad“ nicht besser ergangen. Die Arwenacks hatten sie überlistet und eingesperrt. Anschließend hatten die vier Kerle in den Schatzhöhlen beim Abbergen der Truhen, Kisten und Fässer helfen müssen – unter der eisernen Fuchtel des Profos’. Dies war ein Erlebnis, das sie nie vergessen würden. Das Grauen saß ihnen immer noch im Nacken.

      „In Ordnung“, sagte der Mann aus Murcia. „Wir sind uns also einig?“

      „Einig“, antwortete Luiz.

      „Alles klar“, erwiderte auch Pablo.

      „Und du bist unser Anführer?“ fragte Felipe lauernd.

      „Das hab’ ich nicht gesagt“, entgegnete Marco. „Aber wir können ja einen Anführer wählen.“

      „Ich schlage Luiz vor!“ rief Pablo.

      Felipe grinste. „Ich bin für Marco.“

      Marco war darüber selbst erstaunt. Der Andalusier war hinterhältig und undurchschaubar, unberechenbar und heimtückisch. Aber vielleicht sah er wirklich ein, daß sie einen Anführer brauchten und der Mann aus Murcia für diese Aufgabe am besten geeignet war. Bislang hatte er sich stets als der umsichtigste Kerl gezeigt, und er war ja auch der Älteste und hatte die meiste Erfahrung.

      „Hand hoch“, sagte Luiz. „Wer ist für Marco?“

      Marco und Felipe hoben die Hände. Der Andalusier grinste wieder. Dann war es Marco, der fragte: „Und wer wählt Luiz?“

      Der Schwarzbart und Pablo rissen ihre Hände hoch. „Unentschieden“, sagte Luiz. „Ist nicht so schlimm. Dann müssen wir eben losen. Hat einer ’ne Münze?“

      Es stellte sich heraus, daß keine Münze aufzutreiben war, nicht einmal ein winziger Silberling. Die Seewölfe hatten den vier Kerlen ja alles abgenommen, als sie gefangengesetzt worden waren – ihre Waffen und die wenigen Taler und Dukaten, die sie als Beute bei sich trugen. Luiz, Pablo, Marco und Felipe waren mit anderen Worten blank. Sie hatten nur noch das, was sie auf dem Leibe trugen.

      Aber Felipe ließ nicht locker. Er begann, das Schiff zu durchsuchen. Seine Kumpane folgten ihm mit halb erwartungsvollen, halb mißtrauischen Mienen. Der Andalusier nahm sich die Kapitänskammer

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