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Seewölfe - Piraten der Weltmeere 159. John Curtis
Читать онлайн.Название Seewölfe - Piraten der Weltmeere 159
Год выпуска 0
isbn 9783954394838
Автор произведения John Curtis
Жанр Языкознание
Серия Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Издательство Bookwire
Als sich die Drehbasse der „El Cid“ donnernd entlud, schreckte Ed Carberry, der eisenharte Profos der „Isabella“, aus seinen wirren Träumen. Er stemmte sich aus seiner Taurolle auf der Back, aber sogleich fuhren seine Hände zum Schädel, der dröhnte, als habe ihn jemand zur Trommel degradiert.
„Mast und Schotbruch!“ sagte der Profos und hielt sich ein paar Sekunden lang den Schädel. Doch dann war er plötzlich hellwach, denn durch die Morgendämmerung drangen Musketenfeuer und Männergebrüll an seine Ohren.
Carberry sprang auf. Schädel hin und Schädel her. Saufen, ein paar Fässer Rum nach gewonnener Schlacht mit den Seewölfen lenzen, das war die eine Sache. Der Drehbassenschuß und das wüste Gebrüll, das in diesem Augenblick zu ihm herüberschallte, die andere.
Carberry sprang ans Schanzkleid des Vorderkastells. Wieder Musketenfeuer, und diesmal wies es seinem Blick die Richtung.
Er sah das große spanische Schiff, das offenbar nicht aufgelaufen war, sondern vor einem der Sände geankert hatte.
„Ein Zweidecker!“ murmelte Carberry und starrte hinüber. „Und da muß ganz hübsch was los sein!“
Seine scharfen Augen versuchten, die Dämmerung, die sich nur zögernd am Horizont hochschob und langsam das Dunkel der Nacht verdrängte, zu durchdringen. Und dann sah er sie: die Boote und ein paar Schaluppen, die von der Küste her auf die Sände zuhielten, auf denen die Wracks der spanischen Schiffe lagen, und zum Teil damit beschäftigt waren, Treibgut aus der See zu fischen.
Carberry brauchte nicht länger als der spanische Capitan, um zu begreifen, welches Drama sich dort anbahnte. Er ballte seine gewaltigen Pranken zu Fäusten.
„Wartet, ihr verlausten Leichenfledderer, ihr sollt den alten Carberry kennenlernen!“
Der Profos sauste in die Kuhl. Dann baute er sich auf, holte tief Luft, und im nächsten Moment erzitterte das Schiff unter seiner gewaltigen Stimme.
„Hurtig, hurtig, ihr verdammten Penner, ihr miesen Bilgenkakerlaken. Reise, Reise, aufstehen, oder ich mache euch Beine. Ich ziehe euch einzeln die Haut von euern Affenärschen in Streifen ab, wenn ihr nicht bald hoch seid!“
Das Gebrüll hätte Tote erweckt. Sogar der Seewolf in seiner Kammer im Achterkastell fuhr hoch. Auch er brauchte einen Moment, bis er wußte, daß Carberry aus irgendeinem Grund da draußen an Deck herumbrüllte. Aber er wußte auch, daß der Profos dazu einen triftigen Grund haben mußte.
Hasard fuhr in die Stiefel, wischte die Haare aus der Stirn und eilte aus der Kammer.
An Deck erwartete Carberry ihn bereits, genauer gesagt – der Seewolf prallte gegen den Profos, als er auf die Kuhl stürmen wollte.
Carberry grinste ihn an, während seine gewaltigen Pranken den Seewolf packten und damit verhinderten, daß er unfreiwillig an Deck ging.
„Was ist los, Ed?“ fragte Hasard und blickte dann seine Männer an, die zwar noch einen benebelten Eindruck machten, aber mit Ausnahme Luke Morgans, der wegen seiner schweren Verbrennungen, die er sich beim Branderangriff in der Nacht zugezogen hatte, seine Koje nicht verlassen durfte, alle auf den Beinen waren. Sogar Smoky mit seinem Schulterschuß und Ferris Tucker mit seiner Kopfwunde.
„Die Leichenfledderer sind unterwegs“, sagte der Profos. „Sie greifen die spanischen Wracks an. Wahrscheinlich metzeln sie alles nieder, was dort noch lebt. Diese verdammten Bastarde haben zwar nicht gekämpft, aber jetzt morden und plündern sie. Dort, dieser Zweidecker da, der wehrte sich erbittert. Aber sieh hin, zwei weitere Boote und eine Schaluppe halten auf ihn zu, damit ist das Schicksal der Dons besiegelt. Die Dons haben die Hölle hinter sich, wer jetzt noch lebt, der hat Anspruch auf Hilfe. Auf unsere Hilfe, auch wenn die Kerle gestern noch unsere Feinde waren. Die Schlacht ist vorbei, wir werden nicht zulassen, daß diese Mörder, Leichenfledderer und Plünderer dort alles niedermetzeln, was jetzt noch lebt. Das ist meine Meinung und auch die aller anderen.“
Erneutes Musketenfeuer und Gebrüll an Bord des spanischen Zweideckers unterstrichen seine Worte.
Statt einer Antwort winkte der Seewolf Bill, den jüngsten der „Isabella“-Crew, zu sich heran.
„Hol mir meine Waffen, Bill. Ein Boot zu Wasser. Batuti, Matt, Dan, Ed, Blacky, Stenmark, Ben, Pete – ihr kommt mit. Ferris, du übernimmst das Kommando während meiner Abwesenheit. Sei auf der Hut, auch von See her können diese Kerle angreifen, sie wissen schließlich nicht, daß wir Engländer und völlig intakt sind. Und wahrschaut die ‚Le Vengeur‘. Ribault und von Hutten sollen ebenfalls ein Boot klarmachen und sehen, was sonst noch an Spaniern lebt. Ich habe eine bestimmte Absicht dabei.“
Es war unnötig, daß Ed weitere Kommandos gab, die Seewölfe brachten ihr großes Beiboot in Rekordzeit zu Wasser. Inzwischen wahrschaute Ed Carberry mit seiner gewaltigen Stimme die „Le Vengeur“, die in Rufweite von der „Isabella“ ankerte.
Es dauerte eine Weile, bis sich dort jemand meldete, und der Profos stieß die schlimmsten Verwünschungen und Drohungen aus. Aber dann tauchte Jean Ribault an Deck auf und begriff sofort.
„In Ordnung, ‚Isabella‘, wir werden die Kerle ein wenig aufschwänzen!“
„Wurde aber auch verdammt Zeit, mein Freund!“ knurrte der Profos. Als er in die Kuhl abenterte, war das Boot bereits zu Wasser. Ohne ein weiteres Wort griff sich Carberry den Tampen, an dem es noch hing, und sauste hinunter.
„Los, ihr Rübenschweine, pullt, oder ich ziehe euch wahrhaftig die Haut in Streifen von euern Affen …“ Der Rest seines Lieblingsspruchs ging im tosenden Gelächter der Seewölfe unter, während sie sich in die Riemen legten. Der Seewolf hatte das Ruder übernommen, neben ihm saß Ben Brighton auf der Achterducht. Carberry baute sich vorn im Bug auf, eine Muskete in seinen Riesenpranken.
Das Boot schoß durchs Wasser, genau auf die „El Cid“ zu.
Es wurde allerdings auch allerhöchste Zeit, das sahen der Seewolf, Ben Brighton und Ed Carberry nur zu gut. Denn eben erreichten zwei weitere Boote den spanischen Zweidecker, und ihre Besatzungen enterten unter wüstem Geheul an Bord.
Capitan Manuel de Diaz und seine Mannen kämpften wie die Berserker um jeden Yard Deck. Aber die Übermacht war zu groß, langsam und stetig wurden sie zurückgedrängt, und das Häufchen von zwanzig Mann war bereits auf siebzehn zusammengeschrumpft. Auch der Capitan blutete aus mehreren Wunden. Er fühlte, wie seine Kräfte allmählich erlahmten.
„Ein Mann nach achtern“, keuchte er. „Ich muß wissen, ob sich noch mehr Boote nähern. Wir dürfen nicht zulassen, daß uns die Kerle von hinten packen und uns dann in die Zange nehmen, indem sie auch achtern aufentern. Du, Pedro, sieh nach, du hast scharfe Augen! Ich decke dich!“
Der Capitan stürmte vor. In einem wütenden Ausfall drängte er den bereits triumphierenden Anführer der Küstenwölfe zurück. Blitzschnell zuckte sein Degen vor, wischte die Deckung des Gegners zur Seite und bohrte sich dann in dessen rechten Oberarm.
Der riesige Küstenwolf schrie auf, die Waffe entglitt seinen Händen, er stolperte über ein paar herumliegende Taue aus dem laufenden Gut der „El Cid“ und stürzte zu Boden.
Sofort war der Capitan heran, wieder zuckte sein Degen vor, traf den Gegner abermals, diesmal schwerer, und nur durch blitzschnelles Abrollen zur Seite entging der Anführer der Küstenwölfe dem Tod.
Ein paar der anderen, die das alles mitangesehen hatten, ohne ihrem Anführer helfen zu können, heulten vor Wut. Sie hieben sich den Weg frei und drangen auf den Capitan ein. Der Capitan mußte sich zurückziehen, und sofort setzten die Franzosen nach.
Aber es gelang den Spaniern, ihren Capitan in einem blitzartigen Ausfall herauszuhauen, dann zogen sie sich erschöpft zurück. Kämpfend erreichten sie die Stufen, die zum Achterdeck hinaufführten, und in diesem Moment geschah es.
An Steuerbord drang