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hatte die Gruppe erreicht. Er drängelte sich bis zu de Escobedo durch und schrie: „He! Was ist denn hier los?“

      „Wir verduften“, erwiderte das Wiesel. „Aber er will uns zurückhalten!“

      „Kommt gar nicht in Frage!“ sagte Juarez grollend. Er war ein großer, muskelbepackter Kerl, von dem es hieß, daß er weder Tod noch Teufel fürchtete. „Wir haben die Schnauze voll von diesem beschissenen Plan!“

      „Jawohl, das haben wir“, pflichteten ihm die anderen bei.

      „Es ist eure Pflicht, mir zu helfen!“ fauchte de Escobedo.

      „Pflicht, so ein Quatsch!“ rief das Wiesel lachend.

      „Wir müssen stürmen!“ brüllte de Escobedo.

      „Stürm doch selber“, sagte Juarez schroff. „Wir haben ’ne bessere Beschäftigung! Auf uns wartet ’ne Menge Arbeit!“

      „Das ist Feigheit vor dem Feind!“ schrie de Escobedo.

      „He!“ brüllte einer der Kerle. „Was will dieser Clown eigentlich von uns? Ich laß mich nicht beleidigen!“ Sofort zückte er sein Messer.

      Auch das Wiesel und einige andere Kerle hatten plötzlich ihre Messer in den Fäusten. Drohend schoben sie sich auf de Escobedo zu.

      Juarez stieß de Escobedo vor die Brust. De Escobedo taumelte zurück und prallte gegen die anderen Kerle. Die Kerle fluchten und fuchtelten mit ihren Messern.

      „Mich hat noch keiner einen Feigling zu nennen gewagt!“ stieß Juarez hervor. Seine Augen funkelten gefährlich.

      „So hab’ ich das nicht gemeint!“ brüllte de Escobedo.

      „Wie denn?“ wollte das Wiesel wissen.

      „Wir sind aufeinander angewiesen, gegenseitig, meine ich“, entgegnete de Escobedo rasch.

      Juarez lachte verächtlich. „Das denkst du. Aber wir brauchen dich nicht mehr. Du kannst uns den Buckel runterrutschen. Als Bandenführer taugst du nichts. Es bringt uns auch nichts ein, unsere Haut für dich zu Markte zu tragen.“

      „Ich werde euch fürstlich belohnen“, erklärte de Escobedo. Vielleicht nutzte dieses Versprechen etwas? Konnte er diese Narren doch noch zur Umkehr bewegen? Er mußte es wenigstens versuchen.

      „Wann denn?“ fragte das Wiesel lauernd.

      „Wenn wir die Residenz erobert haben.“

      „Zu spät“, erwiderte das Wiesel hämisch. „Dann haben die meisten von uns bereits ins Gras gebissen. Nein, der Preis ist zu hoch.“

      „Wir brauchen uns bloß in den Häusern zu bedienen“, sagte Juarez. „Da gibt es jede Menge Zeug zu holen.“

      „Wertlosen Plunder“, sagte de Escobedo.

      „Stimmt nicht“, berichtigte ihn ein anderer Kerl. „Wir wissen schon, was wir mitnehmen müssen.“

      „So“, sagte Juarez. „Wir haben schon lange genug geredet. Ich für meinen Teil habe genug Zeit vergeudet.“ Er tippte de Escobedo noch einmal mit dem Finger gegen die Brust. „Und du sei froh, daß wir dich am Leben lassen. Bei deiner großen Klappe kann es dir leicht passieren, daß dir jemand ein Messer zwischen die Rippen steckt.“

      „Ja“, bestätigte das Wiesel und musterte de Escobedo aus schmalen Augen. „Versuche bloß nicht, uns nachzustellen. Und noch ein falsches Wort, und du landest in der Gosse.“

      Alonzo de Escobedo hatte es die Sprache verschlagen. Diese Hurensöhne, dieses Pack – sie wagten es, so mit ihm umzuspringen! Mit ihm! Aus haßlodernden Augen starrte er ihnen nach. Sie gingen weg und drehten sich nicht mehr nach ihm um. Er konnte jetzt seine Pistole zücken und wenigstens einen von den Strolchen niederschießen. Aber was brachte es ihm ein? Die anderen würden sich auf ihn stürzen und ihn zerreißen. Er hatte keine Chance gegen diese Übermacht.

      Das wußten die Kerle genau. Anderenfalls hätten sie nicht gewagt, so dreist aufzutreten. Lumpenpack, verdammtes, dachte de Escobedo und verwünschte die Halunken in die tiefsten Höllenschlünde. Das Gefängnis konnte er vergessen. Er konnte es nicht mehr stürmen, weder auf dem Weg über den Hof noch auf andere Weise.

      Alonzo de Escobedo stand plötzlich allein da. Dabei hatte er noch Glück, daß ihn die Galgenstricke nicht getötet hatten. In ohnmächtiger Wut knirschte er mit den Zähnen. Was sollte er jetzt unternehmen? Er war ratlos.

      Zum Nachdenken zog sich de Escobedo auf einen Hof zurück, der zu einer kleinen Gruppe von verlassenen Häusern gehörte. In einem der Gebäude lärmten Plünderer. Sie schienen betrunken zu sein und zerschlugen Geschirr. Es krachte, klirrte und polterte, und die Kerle lachten und grölten.

      Gesindel, dachte de Escobedo, Dreckskerle.

      Und doch war man auf dieses Gesindel angewiesen. Gonzalo Bastida war davon überzeugt, und er hatte recht. Ohne den Mob würde man die Residenz nie erobern. Doch wie regierte man dieses Pack? Bastida schien sich darauf besser zu verstehen. Er hatte ganz einfach mehr Erfahrung im Umgang mit solchen Strolchen.

      Alonzo de Escobedo hingegen kannte sich nur mit Befehlsempfängern aus. Er kommandierte, und die Hunde hatten zu kuschen. In diesen Kategorien dachte de Escobedo. Was passierte, wenn die Befehlsempfänger nicht mehr parierten, keine Befehle mehr befolgten oder offen rebellierten, hatte er an der Bucht bei Batabanó erleben müssen. Doch es war ihm noch lange keine Lehre gewesen.

      De Escobedo dachte auch weiterhin nur an seinen persönlichen Profit. Er war Gouverneur von Kuba gewesen, und er wollte es wieder werden. Sein Vorgänger, Don Antonio de Quintanilla, hatte ihm vorexerziert, wie man sich bereicherte. Dies wollte sich de Escobedo jetzt, da er endlich wieder auf freiem Fuß war, um keinen Preis nehmen lassen.

      Aber alles hatte sich als weitaus schwieriger erwiesen, als sich de Escobedo anfangs vorgestellt hatte. Sein Plan, das Gefängnis zu stürmen und die einsitzenden Gefangenen zu befreien, war bisher nicht verwirklicht worden. Eher war das Gegenteil der Fall. Denn die Wachmannschaft unter José Cámpora, dem Gefängnisdirektor, hatte mit Erfolg und für den Gegner verlustreich jeden Angriff abgeschlagen. Das war das Fazit der Aktion.

      Was jetzt? Verbissen überlegte de Escobedo hin und her, aber es wollte ihm keine Alternative einfallen. Die etwa fünfzig Gefängnisinsassen – darunter üble Schlagetots und Gurgelabschneider, die mit dem Galgen rechnen mußten – brauchte de Escobedo dringend zur Verstärkung seines Haufens. Denn nur so konnte er seinen eigentlichen Plan zur Durchführung bringen: die Eroberung der Gouverneursresidenz.

      In der Residenz, so hatte de Escobedo den Kerlen verkündet, winke reiche Beute. Tatsächlich aber mußte die Residenz aus einem anderen Grund fallen. Solange sich dort die Miliz und die Bürgerschaft samt der Stadtgarde verschanzt hatten, konnte sich de Escobedo nicht in den Gouverneurssessel hieven. Wollte er die Stadt unter seine Diktatur zwingen, dann mußte als erstes der Widerstand im Palast gebrochen werden.

      Erst dann konnte de Escobedo vollendete Tatsachen schaffen und vielleicht sogar Seiner Allerkatholischsten Majestät Philipp II., dem König von Spanien, in Verdrehung der Tatsachen melden, es sei ihm gelungen, für die Krone einen Aufstand in Havanna niederzuschlagen. Gefährliche Mitwisser des wirklichen Geschehens mußten natürlich beseitigt werden. Doch das war das geringste Problem. Es war nicht sonderlich schwierig, ein paar Leute verschwinden zu lassen. Schließlich hatte er in diesem Punkt bereits Erfahrungen.

      Dies waren die Vorstellungen von Alonzo de Escobedo. Aber es lief nicht so, wie er das gerne hätte. Das hing in erster Linie mit der „Trutzburg“ von Gefängnis zusammen, an der jeder Angriff abprallte. De Escobedo verfluchte José Cámpora und wünschte ihn zum Teufel. Dieser Bastard hatte ihm alles vermasselt.

      Aber da war auch noch der andere Punkt. Er, de Escobedo, hatte ganz einfach eine miese Truppe. Disziplinlose Kerle, Lumpengesindel. Er schob die ganze Schuld, daß es nicht geklappt hatte, auf die Bande. Die Kerle pfiffen darauf, sich blutige Köpfe zu holen, während andere Kerle aus der Unterwelt von Havanna damit beschäftigt waren,

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