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relevante, durch geteilte Erfahrungen zugänglich ist und sich durch methodische Untersuchungen derselben erschließen lässt.

      −Diese Erfahrungen werden von unterschiedlichen menschlichen und nicht menschlichen Tieren auf qualitativ durchaus unterschiedliche, nicht aber fundamental verschiedene Weise gemacht; alle erfahrungsfähigen Tiere leben also auf einem Erfahrungskontinuum.

      −Es gibt bestimmte leidvolle Erfahrungen, die an sich schlecht, weil lebensunzuträglich sind; damit spielt eine gewisse Form der natürlichen Normativität für Menschen und andere Tiere eine Rolle im Leben.

      Wenn sich diese drei Merkmale auch denjenigen erschließen, die im Denken non-naturalistisch temperiert sind, umso besser. Denn der Begriff „Naturalismus“ zeichnet sich gerade nicht durch eine eineindeutige philosophische Bestimmtheit aus.10 Dewey, Peirce und Midgley sind diesem Programm aber erstens zum Teil aufgrund ihrer eigenen Wortwahl zuzurechnen, auch wenn diese immer wieder variiert und qualifiziert wird, insbesondere um die Grenze zu reduktionistischen Programmen etwa dem des „harten, analytischen Naturalismus“ klar zu markieren.11 Zweitens, und das ist für mich entscheidend, teilen sie die Begeisterung für eine konstruktive Auseinandersetzung als Philosoph*innen mit den empirisch arbeitenden Wissenschaften. Dabei geht es eben nicht darum, in szientistischer Manier allein eine Klasse epistemischer Herangehensweisen zu verabsolutieren, nämlich die naturwissenschaftlichen (Plural!), sondern diese ernst zu nehmen und mit anderen Erkenntnismethoden, von sozial- und geisteswissenschaftlichen bis hin zu künstlerischen und religiösen, in ein Gespräch zu bringen.12 Vor diesem Hintergrund gibt es für diese drei Denker*innen auch keinen prinzipiellen Grund, fundamental zwischen Menschen und anderen Tieren zu unterscheiden, auch nicht im Hinblick auf die Frage nach einer gewissen natürlichen Normativität als Grundlage gelungener Erfahrungen. Damit werden aber Fragen des Sollens nicht auf das bloße Sein reduziert. Vielmehr gehört es zum Sein von Menschen und anderen Tieren, dass sie sich – in Maßen jedenfalls – entwickeln können.

      Pragmatisch im Sinne von pragmatistisch

      Zunächst möchte ich einen Hinweis darauf geben, was ich unter „pragmatisch“ verstehe. Damit meine ich nicht das umgangssprachliche „handlungsbezogen“ im Sinne von „nicht so umständlich“, „theoriefern“ oder gar „hemdsärmelig“. Ich verwende den Begriff, um auf ein Verständnis zu verweisen, dass philosophische Ideen als Instrumente ansieht, die zur Lösung realer Probleme eingesetzt werden können. Dieses Verständnis ist häufig, aber nicht ausschließlich, von klassischen US-amerikanischen pragmatischen Philosophen entlehnt, in meinem Fall von Peirce und Dewey. Dabei sind reale Probleme dadurch gekennzeichnet, dass sie echte, empfundene und keine papiernen Zweifel aufwerfen. Anders ausgedrückt: Im Großen und Ganzen sind sich die betroffenen Menschen darin einig, dass sie ein Problem haben. Pragmatisch zu philosophieren bedeutet für mich, dass ich es vermeide, die Untersuchung dieser Probleme durch Dogmatismus, Priorismus, Mystizismus oder Fundamentalismus zu blockieren.13 Aber auch gelehrter Pedantismus erscheint mir unergiebig, und so plädiere ich für einen ökumenischen Zusammengriff pragmatischer Denker*innen, statt für deren Trennung. Andere mögen „ihre“ Philosophien – etwa den „naturalistischen Humanismus“ (Dewey), den „radikalen Empirismus“ (James) oder den „Pragmatizismus“ (Peirce) – im Sinne eines New Pragmatism einerseits oder eines Neo-Pragmatism andererseits exegetisch rein halten. Angesichts der anhaltenden Uneinigkeit über die Begriffe „pragmatistisch“ und „Pragmatismus“14 und da bereits Peirce, James und Dewey mit dem Begriff nicht glücklich waren, habe ich es aufgegeben, „pragmatistisch“ für meine Zwecke zu verwenden.

      Es gibt Raum sowohl für exegetische als auch für systematische Arbeit in der Tradition des philosophischen Pragmatismus. Mir ist Letztere wichtiger und ich sehe darin Vorteile gerade für die Diskussion von Themen, bei denen die Perspektive der klassischen Pragmatiker durch ihre Zeit naturgemäß eingeschränkt war.15 Midgley hat sich mit dem Pragmatismus meines Wissens nicht eigens befasst, außer mit James in Auszügen und mit Dewey in knapper Referenz.16 Ich sehe aber nicht nur in ihrem Naturalismus und in ihrer Problemorientierung große Nähe zu Dewey und Peirce – auch aufgrund ihrer Vorstellung von Philosophie verstehe ich sie für die Zwecke meines Buches als pragmatische Pionierin. Und das bringt mich zum letzten methodologischen Punkt.

      Philosophie des Wandels, ohne beliebig zu sein

      Ich würde dieses Buch nicht schreiben, wenn ich nicht davon ausginge, dass Philosophie dazu beitragen kann, die Welt zu verändern. Wenn ich an diesem vollmundigen Satz zu zweifeln beginne, dann hilft es mir immer, mich daran zu erinnern, was ich zum Thema „Philosophieverständnis“ bei Midgley, aber auch im Pragmatismus finde. Was diese Denker*innen nämlich teilen, ist die Vorstellung, dass die Welt die Probleme der Philosophie nicht nur vorgibt, sondern die Lösungsvorschläge, welche die Philosophie anbietet, auch validiert. Diese Validierung findet in der Erfahrung statt.17 Man kann sehen bzw. irgendwie überprüfen, dass es ein Unterschied ist, wie und was gedacht wird. Und im Falle gelungenen Denkens ist es nicht nur irgendein Unterschied, sondern ein entscheidender, und zwar, weil aus diesem Denken Handlungen folgen, die zu stimmigeren Weltzuständen führen. Im Pragmatismus findet sich dafür bei Dewey die Formel vom Problemlösen. Midgley hat für diese Herangehensweise eine bessere Analogie gefunden, mit der deutlich wird, dass Problemlösen mehr ist als ein beliebiges Durchwursteln bei der Behandlung von Oberflächenproblemen. Sie betrachtet Philosophie nämlich als eine Form des Klempnerns. So wie Klempner*innen sich darum kümmern, dass das für einen Haushalt zweifellos wichtige Wasser seinen Ort dorthin findet, wo es seinen Nutzen hat, so kümmern sich Philosoph*innen darum, dass Gedanken im Fluss bleiben und ihre Wirkung dort entfalten, wo sie – ganz wie Wasser – für das bloße Leben wichtig und dem guten Leben zuträglich sind. Philosophische Arbeit beginnt da, wo es zu Blockaden kommt, wo etwas verstopft ist, und spätestens dann, wenn an Begriffen und Argumenten etwas stinkt oder faul ist, ist fachlicher Dienst für die Hausgemeinschaft gefragt. Natürlich können wir alle oder die meisten von uns ab und an selber einen Luftsprudler im Wasserhahn entkalken oder austauschen, sprich, auf hilfreiche Ideen kommen. Aber wenn es um die systemischen Gründe geht, aus denen die Dinge nicht so laufen, dass sie dem Leben zuträglich wären, ist die Bedeutung des Handwerks doch zu betonen. Das heißt, wenn Midgley meint, Philosophie hätte lebensnah und -dienlich zu sein, dann meint sie damit gerade keine einfachen Antworten für jedermann. Da die Philosophie beispielsweise schon lange die Geschichte eines Begriffs studiert hat oder verschiedene Formen einer Argumentation kennt, kann sie helfen, Orientierung innerhalb der Systeme zu verschaffen. Aber nicht nur das: Sie kann auch identifizieren, wenn Systeme veraltet sind und man sich eine Sanierung leisten sollte, um insgesamt besser haushalten zu können.

      Midgley spricht auch davon, dass in der Philosophie nicht nur das Handwerkszeug gefragt ist, um Begriffe durchzudeklinieren und Argumente durch findige Einwände und immer weiteres diskursives Ziselieren hinsichtlich ihrer Belastbarkeit rigide zu prüfen. Gefragt sind auch jeweils Visionen davon, wie sich die Dinge zum Besseren gestalten lassen. Im Pragmatismus ist hier analog die Rede von der Vorstellungskraft wichtig. Wie nun eine solche von Peirce, Dewey und Midgley inspirierte Philosophie des Wandels, des Wachstums, des Gedeihens, der sich verändernden Sichtweisen und Weltbilder im Kontext der zum Teil ziemlich zum Himmel stinkenden Probleme der Mensch-Tier-Beziehungen versuchen kann, die Dinge in den Fluss zu bringen und Angebote zu machen, die „wir“ teilen könnten, darum wird es von nun an gehen.

TEIL 1: LEIDENSCHAFTLICHE TIERE

      „Was ist der Mensch?“ Diese Frage beschäftigt die westliche Philosophie seit der Antike. Sie ist die Frage, in der bei Kant die anderen drei philosophischen Fragen – nach Metaphysik, Moral, und Religion – gipfeln. Sie wird immer wieder neu gestellt, manchmal verhalten, manchmal mit Nachdruck. Dabei steht sie unter dem Eindruck von Debatten wie der um den Poststrukturalismus – der Essenzialismen jeder Art hinterfragt hat – oder der um den Transhumanismus – der die Begrenzungen der menschlichen Natur aus verschiedenen Gründen überschreiten möchte. Menschen haben zudem schon allein aufgrund der Möglichkeit, sich als Art selbst abzuschaffen, die spätestens seit Erfindung der Atombombe real ist, guten Grund, sich intensiv mit sich selbst

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