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Da nun auch wir Gold kochen, das wir aus dem apostolischen Bergwerk entnehmen, aber es nicht in einen Schmelzofen werfen, sondern in das Verständniß eurer Seele hineinlegen, und nicht eine (irdische) Flamme entzünden, sondern das Feuer des Geistes anfachen: so laßt uns mit großer Sorgfalt auch die kleinen Körnchen sammeln. Denn obschon der Spruch kurz ist, so hat er doch eine gewaltige Kraft. Es besteht ja auch der den Perlen eigene Werth nicht in der Masse des Stoffes, sondern im Wesen ihrer Schönheit. So verhält es sich auch mit der Lesung der göttlichen Schriften. Denn die Unterweisung der Welt macht sich zwar oft mit eitlen Possen zu schaffen und schickt die Zuhörer mit reichlichem Wortschwall übergossen, und ohne sie mit irgend etwas Gutem, sei es groß oder klein, befruchtet zu haben, mit leeren Händen von dannen; aber die Gnade des Geistes nicht also; sondern ganz im Gegentheil bietet sie durch geringe Worte Allen, die darauf Acht haben, Weisheit, und oft reicht es hin, nur einen Spruch von hier mitzunehmen, um daran eine Zehrung für das ganze Leben zu haben.

      2.

      Da nun der Reichthum so groß ist, so wollen wir uns selber ermuntern und das, was gesagt wird, wachen Geistes aufnehmen. Denn ich bin gesonnen, mit der Predigt zu einer beträchtlichen Tiefe hinabzusteigen. Vielen nämlich schien diese Ermahnung (des Apostels) sich so nebenhin zu schleppen und etwas Überflüssiges zu sein; und sie sagen nun so: „Konnte denn Timotheus nicht von selber einsehen, was ihm zweckdienlich wäre? Warum wartete er, es von seinem Lehrer zu erfahren? Ferner, warum gab ihm der Lehrer nicht bloß einen Rath, sondern legte ihn auch in Schriften nieder und grub ihn wie auf einer ehernen Säule in dem Briefe an ihn ein? Und warum erröthete er nicht, über dergleichen dem Schüler in einem öffentlichen Briefe zu schreiben? — Damit du nun lernest, wie jene Ermahnung nicht nur nicht sich nebenher schleppt, sondern nothwendig und höchst heilsam war, und wie es nicht Pauli Werk, sondern das der Gnade des Geistes ist, daß sie nicht bloß ausgesprochen, sondern auch schriftlich verfaßt und allen künftigen Geschlechtern durch diesen Brief überliefert wurde: so will ich mich sofort daran machen, Dieses zu zeigen. Denn außer den angeführten Bedenken haben Manche noch einen andern, nicht geringern Zweifel, indem sie bei sich fragen, warum es Gott zuließ, daß ein Mann, der so große Zuversicht hatte, dessen Gebeine und Überreste Teufel austrieben, in ein solches Siechthum verfiel. Denn nicht einmal war er krank, sondern immer und ununterbrochen und an auf einander folgenden und fortdauernden Anfällen, die ihm auch nicht im Geringsten aufzuathmen vergönnten. Woraus erhellt das? Aus Pauli Worten selbst. Denn er sagt nicht: „deiner Krankheit wegen,” sondern: „deiner Krankheiten wegen,” und nicht bloß „Krankheiten,” sondern „deiner häufigen Krankheiten wegen” sagt er, um ihre anhaltende Wiederkehr zu bezeichnen. Das mögen Alle hören, welche, einem langen Siechthume hingegeben, darüber mißmuthig und verzagt werden. Aber nicht das allein, daß er, obwohl ein Heiliger, krankte und so anhaltend krankte, ist es, was Bedenken erregt, sondern daß ihm überdieß die gemeinsamen Angelegenheiten der ganzen Welt anvertraut waren. Denn wäre er Einer von Jenen gewesen, die auf den Gipfeln der Berge als Einsiedler lebten und ihre Zelle in der Wüste aufschlugen und ein geschäftloses Leben 4führten, so wäre die Frage nicht so bedenklich. Daß aber ein Mann, der mitten in die Welt geworfen, dessen Händen die Sorge für so viele Kirchen anvertraut war, und der mit solchem Eifer und Fleiß seine Wirksamkeit über ganze Städte und Völker, ja über den ganzen Erdkreis ausdehnte, der Noth der Krankheit preisgegeben worden: dieß ist es vornehmlich, was den Unachtsamen vor Allem zu beunruhigen vermag; denn Timotheus hätte, wenn auch nicht seinetwegen, doch um der Andern willen gesund sein sollen. Er war ein höchst ausgezeichneter Feldherr. In Krieg war er verwickelt, heißt es, nicht nur mit den Ungläubigen, sondern auch mit den bösen Geistern und mit dem Teufel selber. Mit großem Ungestüm brachen die sämmtlichen Feinde herein, zerstörten das Heereslager und machten Gefangene. Dieser konnte viele Tausende zur Wahrheit zurückführen, und lag krank! Und wenn auch, heißt es, von diesem Siechthum den Dingen kein anderer Schaden erwuchs, so war Dieses allein doch schon hinreichend, die Gläubigen verdrossener und leichtsinniger zu machen. Denn wenn Krieger, die ihren Führer an das Bett gefesselt sehen, verdrossener und zum Kampfe saumseliger werden: wie viel natürlicher war es, daß auch den Gläubigen, die ihren Lehrer, der so viele Zeichen gethan, unaufhörlich kränkeln und körperlich leiden sahen, damals etwas Menschliches widerfuhr? Aber nicht das allein finden die Zweifler bedenklich; denn warum hat ferner weder er sich selber, noch sein Lehrer den so schwerkranken geheilt? Weckten sie ja sogar Verstorbene auf, trieben Teufel aus und bestanden ohne Mühe den Tod; aber einen einzigen siechen Leib richteten sie nicht auf; ja sie, welche im Leben und nach dem Tode an fremden Leibern eine solche Macht an den Tag legten, stellten sogar nicht einmal einen geschwächten Magen wieder her! Und was mehr ist, Paulus schämt sich nicht und erröthet nicht, nach so vielen und gewaltigen Zeichen, die er oft durch ein bloßes Wort gethan hatte, dem Timotheus zu schreiben, daß er zum Genusse des Weines als einem Heilmittel seine Zuflucht nehme. Nicht als ob das Weintrinken schimpflich wäre — das sei ferne; denn das ist eine Satzung der Ketzer, 5sondern daß er es nicht für eine Schmach hielt, ohne Hilfe jenes Mittels nicht ein einziges krankes Glied herstellen zu können! Ja soweit war er entfernt, sich dessen zu schämen, daß er es sogar der ganzen Nachwelt zur Kenntniß kommen ließ. Seht ihr, bis zu welcher Tiefe wir mit dem Texte hinabgekommen sind? — Wie das, was unbedeutend erscheint, strotzet von zahllosen Fragen? Wohlan, bringen wir nun auch die Lösung. Denn darum sind wir in eine so beträchtliche Tiefe gestiegen, um, nachdem wir euer Nachdenken erregt, euren Sinn sicher zu machen und zu befestigen.

      3.

      Aber bevor ich die Lösung zu diesen Zweifeln bringe, erlaubet mir, Etwas über die Tugend des Timotheus und die Sorgsamkeit des Paulus zu sagen; denn was kann es wohl Liebevolleres geben, als, daß dieser in so großer Entfernung verweilend und mitten in so vielen Geschäften für die Gesundheit des Magens seines Schülers eine solche Vorsorge trägt und mit Genauigkeit über die Hebung der Krankheit an ihn schreibt? Was kömmt andrerseits der Tugend des Timotheus gleich? So sehr verachtete er das Wohlleben und verlachte er einen kostbaren Tisch, daß er aus zu harter Zucht und zu weit getriebenem Fasten sogar in Krankheit verfiel. Denn daß er nicht von Natur aus so war, sondern die Kraft seines Magens durch Fasten und Wassertrinken gelähmt hatte, höret das den Paulus selbst mit Bestimmtheit angeben; denn er sagt nicht schlechthin: „Genieße ein wenig Wein,” sondern sagt zuvor: „Trink nicht mehr Wasser,” 6und dann fügt er erst den Rath zum Weintrinken bei. Dieses „nicht mehr” zeigt aber an, daß er bis dahin Wasser getrunken und sich dadurch geschwächt habe. Wer sollte nun seine Weisheit und Sorgfalt nicht anstaunen? Er hatte den Himmel selber errungen und den Gipfel der Vollkommenheit erstiegen. Dieß bezeugt ihm auch sein Lehrer, indem er also spricht: „Ich habe den Timotheus zu euch gesandt, welcher ist mein lieber und getreuer Sohn im Herrn.” 7 Wenn aber Paulus ihn seinen Sohn nennt und seinen lieben und getreuen Sohn, so reichen diese Worte hin, seine ganze Tugend zu zeigen. Denn die Richtersprüche der Heiligen geschehen nicht nach Gunst, noch aus Feindschaft, sondern sind von aller Parteilichkeit frei. Timotheus stünde nicht so zu beneiden, wäre er des Paulus leiblicher Sohn, als er jetzt bewundert zu werden verdient, daß er, der dem Fleische nach nichts mit ihm gemein hatte, durch eine demselben verwandte Wachsamkeit und durch sorgfältige, allseitige Bewährung der von ihm empfangenen Lehren der christlichen Weisheit sich bei ihm Sohnesstelle erworben. Denn gleichwie ein dem Stiere beigeselltes Kalb, so zog er mit ihm das Joch überall auf dem Erdkreise und ward in Nichts gehindert durch seine Jugend, sondern sein Eifer machte ihn tauglich, wetteifernd die Mühen seines Lehrers zu theilen. Und dessen ist wieder Paulus selbst, der also spricht, Zeuge: „Daß ihn nun Niemand verachte; denn er treibt das Werk des Herrn, gleichwie ich.” 8Siehst du, daß er ihm einen gleichen Eifer zuspricht? Sodann stellt er, damit man nicht glaube, er sage Dieses aus Gunst, die Leser selbst über die Tugend seines Sohnes als Zeugen mit folgenden Worten: „Ihr aber wisset, daß er bewährt. ist; denn wie ein Kind dem Vater, so hat er mir gedient im Evangelium.”9Ihr habt von seiner Tugend und seinem erprobten Herzen Beweise erhalten. Aber obschon er zu einer solchen Höhe der Vollkommenheit gelangt war, überließ er sich doch nicht der Sicherheit, sondern verharrte im Kampf und in der Furcht. Deßhalb fuhr er fort, mit Strenge zu fasten, und ließ sich nicht zu Schulden kommen, was so Viele, die, wenn sie nur zehn oder zwanzig Monde gefastet, alsbald Allem ein Ende machen. Er aber ließ sich nichts Dergleichen zu Schulden kommen,

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