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erbittert, in Verwünschungen und Schmähreden gegen den Kaiser und seine Beamten auszubrechen. Hiemit war die Schranke der Unterwürfigkeit und des Gehorsams durchbrochen und überschritten; der Satan hatte die überwältigten Seelen in seiner Macht, und der Strom des Bösen schoß unaufhaltsam und mit reissender Geschwindigkeit hervor. Die Rotte zog nun durch die Straßen, zerschmetterte sämmtliche Straßenlaternen, verwüstete die Badeanstalten und die öffentlichen Werkstätten. Den Statthalter schützten nur die mächtigen Thüren seiner Behausung. Den Gipfelpunkt erreichte die wahnsinnige Leidenschaft des tollen Haufens, als sie die Person des Kaisers selbst in den an allen öffentlichen Orten der Stadt angebrachten Schildern und Bildnissen des Monarchen anzutasten und zu verhöhnen wagte; ja sie stürmte sogar auf den Marktplatz, stürzte die erzenen Standbilder des Kaisers, der verstorbenen Kaiserin Flacilla, sowie die seines Vaters und seiner zwei Söhne Arkadius und Honorius um, zerschlug sie, soweit man's vermochte, und schleifte die Trümmer unter höllischem Gejauchze auf dem Markte und durch die Straßen umher. Nun versah sich die Rotte mit Fackeln und Brennmaterial, um die Beamtenwohnungen und öffentlichen Gebäude in Feuer aufgehen zu lassen. Schon hatte das Haus eines vornehmen Antiocheners gezündet, während die rathlosen Bewohner vom Dache herab Ziegelsteine auf die Brandstifter schleuderten, nicht ohne mehrere zu verwunden: als lötzlich die Stadtmiliz erschien, vor deren Pfeilwürfen der eben noch so muthige und verwegene Haufe in panischem Schrecken, wie Spreu vor dem Winde auseinander stob.

      Kaum waren die Stimmen des Aufruhrs verhallt und die betäubten Gemüther der Überlegung fähig geworden, als das Bewußtsein der Schuld und die Aussicht auf die Folgen des Geschehenen die gesammte Einwohnerschaft mit einer Furcht erfüllte, die in kurzer Frist zur kopflosen Angst anwuchs und endlich in die hellen Flammen der wildesten Verzweiflung ausbrach. Ein Majestätsverbrechen war begangen und der Kaiser auf eine bis dahin kaum erhörte Weise beleidigt. — Die Sache wurde auch gleich nach Konstantinopel berichtet und in Antiochien selber sofort eine strenge Untersuchung eingeleitet.

      Da war es nun, daß Chrysostomus seine berühmten „Säulen-Homilien” an die zwischen Furcht und Hoffnung schwebenden Antiochener hielt, bald tröstend, bald mahnend, wie es eben die Umstände geboten. Diese Homilien sind, wie alle Predigten unseres Heiligen, helle Spiegel, welche das Bild des jeweiligen kirchlichen und oft auch bürgerlichen und politischen Zustandes der Gemeinde in reichen Zügen zurückstrahlen.

      Den kurzen Inhalt der einzelnen Homilien werden wir jeder derselben vorausschicken.

      Von den vorhandenen deutschen Übersetzungen benutzten wir die alte von P. Vital Mösl. Augsburg 1781, und die von Friedrich W. Wagner in Halle — Wien 1838, welche leider nur die acht ersten Homilien umfaßt; vergleiche auch Lutz und Hefele.

      Fußnoten:

      1. Das Donativum, später auch Augustaticum genannt, welches dem Heere von den Augusten gleich nach ihrer Proklamation und dann in der Regel von fünf zu fünf Jahren verabreicht wurde, bestand nach Balesius (not. ad Ammian. Marcell. ed. pr. p. 314) in fünf Aureis für jeden Soldaten. Erst Kaiser Justnian schaffte diese Sitte ab.

      2. Fünfte Homilie über die Bildsäulen K. 3 Mitte.

      3. Βασιλεύς, bei den Griechen vorzugsweise Bezeichnung des römischen Kaisers.

      4. Zweite Homilie über die Bildsäulen K. 3 gegen Ende.

      Erste Homilie.

      Inhalt.

      Erste Homilie, von Chrysostomus gehalten zu Antiochia, als er noch Priester war, in der alten Kirche über den Text des Apostels: „Genieße ein wenig Wein um deines Magens und deiner häufigen Krankheiten willen.”1

      Streng genommen gehört diese Homilie nicht zu den folgenden zwanzig „über die Säulen,” weil sie fünf Tage vor dem in der Einleitung geschilderten Ereignisse gehalten worden; jedoch sachlich bildet sie Thür und Thor zu allen folgenden und wurde deßhalb seit den ältesten Zeilen ihnen vorangestellt. — Der Inhalt selbst ist nun folgender: Angabe der Hauptpunkte in der Lektion (I. Tim. 5, 22 — 6, 16) und Auswahl des Textes (ebend. 5, 23). Dessen scheinbare Unwichtigkeit. Beweis seiner Bedeutsamkeit aus den Zweifeln und Bedenken, zu denen er Anlaß gegeben. Exkurs über die Liebe des heiligen Paulus zum heiligen Timotheus als eine Folge von der Tugend des letztern. Widerlegung derer, welche den Text zur Beschönigung der Trunksucht mißbrauchen, wie auch derer, welche um des Mißbrauchs willen den Weingenuß überhaupt für verwerflich halten. Zusammenfassung obigerBedenken ist das Thema: warum Gott zulasse, daß seinen Heiligen so viele Trübsale widerfahren? Zur Antwort die Aufzählung von acht Ursachen jener Zulassung; sodann die weitere Begründung und Entwickelung dieser Ursachen aus der heiligen Schrift. Nachträgliche Hinzufügung von noch drei Ursachen. Anwendung und Aufforderung an die Gemeinde, in den Leiden jeder Art getrost zu sein und Gott in allen Stücken zu danken, dagegen die Lästerer des göttlichen Namens in der Stadt durch Wort und That zu bestrafen.

      1.

      Habt ihr die apostolische Stimme, die Posaune vom Himmel, die geistliche Lyra gehört? Denn wie eine Posaune mit furchtbarem und kriegerischem Schalle, schlägt sie die Feinde zu Boden und richtet den gesunkenen Muth der Ihrigen auf, erfüllet die Achtsamen mit starker Zuversicht und macht sie dem Teufel unüberwindlich; und indem sie hinwieder gleich einer Lyra die Seele reichlich anregt und ergötzt, stillt sie das Leid der unordentlichen Gedanken und bringt uns nebst dem Vergnügen reichen Gewinn. Habt ihr also vernommen, über wie viele und gewichtige Dinge Paulus heute zu Timotheus redet? Denn über die Händeauflegung schreibt er an ihn mit den Worten: „Die Hände lege Niemanden voreilig auf und mache dich nicht fremder Sünden theilhaftig” 2 und stellt ihm die unerträgliche Gefahr solchen Vergehens dadurch vor Augen, daß er zeigt, wie für die von den Einen verübten Ungerechtigkeiten Andere die Strafe ausstehen werden in Gemeinschaft mit Jenen, weil sie durch die Händeauflegung der Bosheit die Gewalt verleihen. Dann sagt er weiter: „Genieße ein wenig Wein um deines Magens und deiner häufigen Krankheiten willen.” 3 Auch von der Unterthänigkeit der Knechte und dem Wahnsinne der Geizigen und dem Übermuthe der Reichen und von vielem Andern hat er heute zu uns geredet. Da es nun unmöglich ist, Alles durchzugehen, so sagt, was wir von dem Angeführten vornehmen sollen, um darüber zu eurer Liebe zu sprechen! Denn wie auf einer Wiese sehe ich in dem verlesenen Abschnitte viele und mannigfaltige Blumen, sowohl viel Rosengebüsch als auch viele Veilchen und nicht weniger Lilien; aber auch überall und reichlich ist die mannigfache Frucht des Geistes ausgestreut, und des Wohlgeruches ist viel; oder aber besser gesagt: Nicht nur eine Wiese, sondern auch ein Garten ist die Lesung der göttlichen Schriften. Denn diese Blumen haben nicht einen bloßen Wohlgeruch nur, sondern auch eine Frucht, welche die Seele zu nähren vermag. Was wollt ihr, daß wir euch heute von dem Angegebenen vorführen? Wollt ihr, daß wir Dasjenige, was von Allem das Geringste zu sein scheint, und was Jeder ohne weiters versteht, gegenwärtig behandeln? Mir ist das recht, und euch sagt es zu, wie ich wohl weiß. Was ist nun das Unerheblichste von Allem? Was Anderes, als was auch der Geringste für leicht verständlich erachtet und ohne Mühe nachspricht? Was ist nun das? „Genieße ein wenig Wein um deines Magens und deiner häufigen Krankheiten willen.”

      Wohlan denn, so laßt uns die ganze Unterredung auf diesen Spruch verwenden! Wir thun aber das nicht aus Ehrgeiz und nicht in der Absicht, um zu beweisen, was wir im Reden vermögen (denn was wir sagen, ist nicht das Unsere, sondern was die Gnade uns eingibt), sondern um die leichtsinnigen Zuhörer aufzuwecken und zu überzeugen, wie groß der Schatz der Schrift, und wie es nicht gerathen noch gefahrlos ist, darüber hinwegzulaufen. Denn wenn es sich zeigt, daß dieser schlichte und leichtverständliche Spruch, der den Meisten nichts Nothwendiges zu enthalten scheint, uns Gelegenheit zu großer Bereicherung bietet und eine Quelle der höchsten Weisheit wird: so werden diejenigen (Aussprüche der Schrift), welche die ihnen inwohnende Fülle von selber offenbaren, um soviel mehr die Achtsamen mit unzähligen Schätzen erfüllen. Laßt uns also auch über die scheinbar unwichtigen Stellen der Schrift nicht hinwegeilen; denn auch diese stammen aus der Gnade des Geistes. Des Geistes Gnade aber ist nie klein und gering, sondern groß und wunderbar und des reichen Spenders würdig. Hören wir also nicht nur so nebenbei

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